Dienstag, 17 Dezember 2013 09:06

Nationalpark Stifserjoch - Bartgeier 2013 - Ein Situationsbericht zum Wiederansiedlungsprojekt

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Bartgeier Dimitri PozziWolfgang Platter, am Tag des Hlg. Johannes vom Kreuz, 14. Dezember 2013

Im abgelaufenen Monat November hat im Aostatal die diesjährige Vollversammlung des Internationalen Bartgeier Monitoring (IBM) stattgefunden. Für den Nationalpark Stilfserjoch haben  mit ca. 80 weiteren Experten der Ornithologe Dr. Enrico Bassi und der Förster Andrea Buffa von der Parkstation Martell teilgenommen. Das Projekt zur  Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen hat im Jahre 1986 begonnen und läuft somit seit 27 Jahren. Im heutigen Beitrag möchte ich einen Situationsbericht und eine statistische Übersicht zum Projekt versuchen.

 

Das Bartgeierprojekt 1986-2013
Das Projekt zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen kann europaweit als eines der erfolgreichsten Projekte zum Artenschutz und zur Erhöhung der Biodiversität angesehen werden. Die Population der Bartgeier in den Alpen steigt. Sie wird heute auf ca. 200 Individuen geschätzt bei 25 -28 Brutpaaren. Aus Aufzuchtstationen und Zoos  wurden im Laufe des Projektes insgesamt 197 Junggeier freigelassen, davon 8 im Frühsommer des heurigen Jahres. Aus Naturbruten sind seit dem Jahre 1997 (also 11 Jahre nach den ersten Freilassungen) bis heute 109 Jungvögel flügge geworden. Das Jahr 2013 war in Sachen Bruterfolg ein besonders erfolgreiches: 16 Jungvögel sind im abgelaufenen Sommer aus Naturbruten in den Alpen ausgeflogen.  
Iimg040n den Zentralalpen sind derzeit 11 Brutpaare bekannt: 5 davon im italienischen Teil der Zentralalpen, 6 im westlichen Teil des Kantons Graubünden. Die drei „historischen“ Bargeierpaare innerhalb des Nationalparks Stilfserjoch „Zebrù“, „Livigno“ und „Braulio“ haben  2013 zwei Junge zum Ausflug gebracht. Erstmals hat es im Jahre 2013 auch zwei Brutversuche von Bartgeierpaaren im Vinschgau außerhalb des Nationalparks gegeben. Leider sind die beiden Brutversuche in Horsten an der linken Talflanke des Vinschgaues  abgebrochen worden. Hoffen wir auf erneute und erfolgreiche Versuche im laufenden Winter.
Insgesamt kann das Wiederansiedlungsprojekt als gelungen angesehen werden. Die Erkenntnis aus 27 Projektjahren lautet, dass die Wiederansiedlung einer ausgerotteten Art, wenn sie überhaupt gelingt, des großen fachlichen, ökonomischen und personellen Einsatzes bedarf. Dies sollte uns Mahnung genug sein im verantwortungsbewussten Umgang mit Arten, Lebensräumen und der Schöpfung.
Im Jahr 2013 waren erste Anzeichen für ein Zusamentreffen von Bartgeiern aus den Alpen und aus den Pyrenäen zu beobachten. Bartgeier, welche im Französischen Zentralmassiv und in Vercours freigelassen worden waren, haben sowohl die Pyrenäen als auch die Alpen besucht. Bekanntlich sollte durch die Wahl der letzthin gewählten Freilassungsorte diese Brücke geschlagen werden, was zu gelingen scheint.

Die Reproduktionsrate
Die Reproduktionsrate der Bartgeier in den Alpen ist hoch. Bei insgesamt 109 seit 1997 aus Naturbruten ausgeflogenen Jungvögeln liegt sie im langjährigen Mittel bei 0,50, im Jahr 2013 sogar bei 0,59. Zum Verständnis der Zahlen: 0,50 bedeutet, dass aus der Ablage von zwei Eiern ein Jungvogel flügge wird. Die Freilandgeburten (n=109) werden bald die Zahl der Freilassungen aus Zoo- und Gehege-Geburten (n=197) überholen. Zwischen den West- und Ostalpen und den Nord- und Süd-Alpen  streut der Bruterfolg: In den Nordwest- und in den Zentral-Alpen ist die Reproduktionsrate sehr hoch. Dort gibt es 22-23 Brutpaare mit einem Erfolgsindex von 0,51-0,65. In den Südwest-Alpen und in den Ost-Alpen ist die Produktivität noch niedrig (4-5 Paare, Index 0,17-0,24).

Erhöhung der genetischen Variabilität
Weitere Freilassungen aus Zoo-Geburten sind jedenfalls notwendig, um die genetische Variabiltät der Bartgeierpopulation zu verbreitern. Die genetische Vielfalt ist derzeit nicht sehr groß: In den Alpen sind 14 genetische Linien präsent.  Die Experten sagen, dass diese genetische Variabiltät auf mindestens 22 genetische Linien gebracht werden sollte. Es folgt daraus, dass das genetische Monitoring im Rahmen des Bartgeier-Projektes  fortgesetzt werden soll. Zur individuellen Ansprache der Jungen aus Naturbruten  soll auch versucht werden, die Jungen im Horst zu beringen, dort, wo dies möglich ist.

Satellitentelemetrie
Die Flugbewegungen sollen weiterhin durch GPS-Sender überwacht werden. Interessant ist auch, dass die Flugkreise der Bartgeier in den Alpen größer sind als jene der Bartgeier in den Pyrenäen. Dies ist auf die Einrichtung von Futterplätzen in den Pyrenäen zurückzuführen. Futterplätze verleiten die Vögel dazu, eher  zu „Standvögeln“ zu werden. Von besenderten Junggeiern aus den Alpen sind Tagesflugstrecken von bis zu 100 km erhoben worden. Die Auswertung der Satellitentelemetrie hat auch gezeigt, dass die Flugkreise in der zweiten Jahreshälfte, wenn die Junggeier schon um einige Wochen älter und an Flugerfahrung reicher sind, größer werden als in der ersten Jahreshälfte.  Trotzdem wird aber das Verhalten der Patrophilie bestätigt. Patrophilie bedeutet Bindung und Rückkehr an den Freilassungs- bzw. Geburtsort.

Toxisches Blei
Es scheint, dass die Vergiftung durch Blei eine der größten Gefahren für die Bartgeier darstellt. Verstärkte Anstrengungen zum Ersetzen der Bleimunition in der Jagd durch bleifreie Munition sind daher notwendig. Versuche, die Bleimunition bei der Jagd zu ersetzen laufen in der Schweiz, in Österreich und in der Provinz Sondrio in einer Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Jagd und dem Nationalpark Stilfserjoch.
Dem Bartgeier gefährlich werden können auch Windräder zur energetischen Nutzung der Windkraft, welche in höhergelegenen Gebieten über der Waldgrenze im Streifgebiet des Bartgeiers errichtet werden.

Aufzuchten im Gehege
Das Netz der Aufzuchtstationen umfasst 5 Zuchtzentren und 35 Zoos. In diesen Strukturen werden insgesamt 161 Tiere betreut, darunter sind 35 Brutpaare.  In diesen Stationen sind in den letzten 30 Jahren insgesamt 422 Bartgeier flügge geworden. 225  (gleich 53%) davon konnten in die Natur entlassen werden.

Der Blick nach Europa und weltweit
Besonders kritisch steht es um die Bartgeier auf der Insel Korsika. Dort ist 2013 nur ein Jungvogel geboren worden und seit 2008 sind nur mehr 8 Brutpaare präsent. In Fachkreisen wird daher eine künstliche Aufstockung der korsischen Bartgeier-Population erwogen.
Unsere Kenntnisse über die Bartgeier-Populationen in den Alpen, Pyrenäen, Andalusien, Kreta und Korsika sind gut. Hingegen wissen wir über die Bartgeier in Äthiopien, in der Türkei, im Kaukasus, und in Zentralasien wenig bis gar nichts. Ein Aktionsplan für das weltweite Monitoring der Bartgeier ist daher in Vorbereitung.

 

5 Sonderbriefmarken zu Vogelarten der Alpen

briefm145Die italienische Post hat eine Sonderserie von Briefmarken zu 5 Vogelarten der Alpen herausgebracht. Die auf den Marken im Geldwert von je 70 Cent abgebildeten Vögel sind der Grünspecht, der Raufußkauz, der Auerhahn, das Schneehuhn und der Bartgeier. Am Mittwoch, 4. Dezember d.J. ist an 5 verschiedenen Orten in National- oder Naturparken der Alpen die Vorstellung je einer dieser Sondermarken erfolgt und der Ersttagsstempel angebracht worden. Am Zentralsitz des Nationalparks Stilfserjoch ist die Briefmarke zum Grauspecht abgestempelt worden. Der Grauspecht ist eine östliche Vogelart, welche sich nach Westen ausbreitet. Im Moment hat der Grauspecht ist seiner Ausbreitung nach Westeuropa die Linie Zernez - Livigno erreicht. Die LIPU (Lega Italiana Protezione Uccelli) schätzt den derzeitigen Bestand  von Grauspechten in Italien auf 700-1.500 Brutpaare.


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