Dienstag, 27 November 2012 00:00

Von Höhe und Weite

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

Portrait - Claudia May

s15sp34_977Claudia May lebt seit 10 Jahren in Südtirol, wie sie sagt, ihrer Wahlheimat. Auch nach längeren Aufenthalten und Besuchen zu Hause an der Ostsee, kehrte Claudia immer wieder gerne zurück auf den 1450 m hoch gelegenen Bergbauernhof auf Trumsberg, den sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten und ihrem fünfjährigen Sohn, nach intensiven Umbau- und Renovierungsarbeiten, vieles in Eigenleistung und mit Hilfe von Bekannten und Freunden, seit 3 ½ Jahren bewirtschaftet.

Neben der täglich anfallenden Arbeit am Hof mit den 40 Ziegen, den Hühnern, dem Haushalt und der Heuernte im Sommer, fährt Claudia auch ins Tal, um Geld zu verdienen. Jedes Jahr im April geht Claudia zum Spargelstechen nach Kastelbell, im Herbst arbeitet sie bei der Apfelernte mit und zur Weihnachtszeit hilft Claudia in der Bäckerei beim Keksebacken. Nur im Februar und März, wenn sich die „Kitzzeit“ und die „Melkzeit“ einstellte, konnte Claudia den Hof nicht verlassen. Oft war sie dann rund um die Uhr bei ihren Ziegen, sogar einen Kaiserschnitt musste sie schon durchführen. Zu dieser Zeit, wo sie nicht ins Tal fuhr, begann für Claudia auch immer das Filzen, also das Herstellen von „Hauspotschen“, Hüten, Taschen, bis hin zu Kleidungsstücken und allen erdenklichen Arten von Dekorationsgegenständen, aus roher, eingefärbter Schafwolle. Das Filzen ist Claudias große Leidenschaft. „Ziel ist es“, sagt sie, „beim Filzen immer zu wissen, was hinterher dabei rauskommt“. Claudia war mit ihren Filzprodukten auf verschiedenen Christkindlmärkten und erteilt sogar Filzkurse, wenn es die Zeit zulässt. Aufgewachsen ist Claudia zusammen mit ihren drei Geschwistern an der Ostsee, „direkt am Meer“, wie sie sagt. Spielen am Strand und am Wasser waren für sie Alltag. Sie erklärt, dass es für Kinder dort wichtig sei, möglichst früh das Schwimmen zu erlernen. Claudia erzählt von einer unbeschwerten und schönen Kindheit. Im Jugendalter ging es manchmal nach Hamburg zum Feiern auf die Reeperbahn. Für einige Zeit lebte sie auch in Hamburg, wo sie als gelernte Tierarzthelferin in einer großen, bekannten Tierklinik arbeitete. Aber bereits ab ihrem 21. Lebensjahr kehrte sie ihrer Heimat den Rücken. „Mein Traum war es immer, in Skandinavien zu leben“, sagt Claudia. Sie verbrachte dann drei Jahre auf Island bei einem landwirtschaftlichen Betrieb. Auch hier bestanden ihre Aufgaben darin, bei der Heuernte und im Haushalt mitzuhelfen, Kühe und Tiere zu versorgen und Islandpferde zu trainieren.
Eigentlich wollte Claudia für immer bleiben, aber es kam doch noch einmal anders. Sie machte Reisen nach Nepal und Indien und verbrachte einen Sommer in Irland, wo sie auf einem Demeter-Hof mit Gemüseanbau arbeitete. Ihre erste Station in Südtirol war ein Bergbauernhof mit Almwirtschaft oberhalb von Salurn. In dieser Zeit absolvierte Claudia auch einen Sennkurs und durfte sich von nun an als Sennerin bezeichnen. Von Salurn ging es dann auf die Mitter Alm in Taufers und für Claudia folgte eine große Entscheidung. Die Stelle in einer Hofkäserei, die ihr in Deutschland angeboten wurde, anzunehmen, oder in Südtirol zu bleiben. Und nachdem sie schon die halbe Strecke mit dem Auto zurückgelegt hatte, kehrte Claudia noch einmal um. Zuerst wohnte sie in Vetzan und arbeitete in der Obstgenossenschaft, bevor es auf den Hof nach Trumsberg ging. Auf die Frage, warum es Claudia in den Vinschgau verschlagen  hat, folgte ein recht philosophischer Vortrag über Höhe und Weite. Es sei eben die Höhe der Berge, die die Weite der Ostsee überragen lässt. In den Bergen gewinnt Claudia sozusagen an Weitblick. Außerdem sei es die Herausforderung, die ihr fehlt, wenn sie wieder einige Zeit zu Hause, am „Flachland“ verbracht hat. Claudia findet auch, dass die Arbeit und Tätigkeit im landwirtschaftlichen Bereich in Südtirol mehr Anerkennung finde als in Deutschland und auch mehr geschätzt und höher belohnt werde. Natürlich sind es auch Familie und Freunde, die den Vinschgau für Claudia zu einem neuen Zuhause werden ließ.

Sylvia Ilmer Wieser

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3143 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.