Dienstag, 13 November 2012 00:00

Nationalpark Stilfserjoch: Valle Camonica – Steingravuren als Weltkulturerbe der UNESCO

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Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Martin von Tours, 11. November 2012

8Aus mehreren Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern dieser Rubrik weiß ich, dass besonders auch jene Beiträge auf ihr Interesse stoßen, welche die Vorstellung lombardischer Nachbartäler zum Inhalt haben. Auch deswegen möchte ich heute mit der Valle Camonica ein weiteres lombardisches Tal vorstellen, das aus dem Vinschgau in Reichweite eines  sommerlichen Ausfluges von zwei Tagen  ist.

Die Valle Camonica im Kurzporträt
Die Valle Camonica gehört zur Provinz Brescia. Sie beginnt im Osten am Tonale-Pass, im Westen am Aprica-Pass bzw. am Gavia-Pass und endet im Süden am Iseosee. Der Gavia- und der Aprica-Pass bilden die Landesgrenze zwischen den lombardischen Provinzen Sondrio und Brescia. Der Tonale-Pass hingegen ist die Landesgrenze zwischen der Provinz Brescia und dem Trentino. Oglio heißt der Fluss, der die Valle Camonica zum Iseosee Cartinaentwässert. Vom Gavia-Pass fließt der Oglio durch di Valle delle Messi mit seinem Seitenarm Oglio Frigidolfo, der Seitenbach vom Tonale heißt hingegen Oglio Narcanello.
Die Valle Camonica umfasst eine Gesamtfläche von 1.271 km² (zum Vergleich Vinschgau: 1.441 km²). Zum Stichtag 31. Dezember 2010 hatte die Valle Camonica 93.907 Einwohner, die sich auf 41 Gemeinden zwischen Ponte di Legno im Norden und Pian Camuno im Süden aufteilten. Im Oberen Camonica-Tal ist das Bevölkerungssaldo negativ, es sterben mehr Personen als Kinder geboren werden und es wandern mehr Personen ab als ein. Die Gemeinden sind zur Bezirksgemeinschaft „Comunità Montana della Valle Camonica“ zusammengeschlossen. Diese hat ihren Sitz in Breno. Einwohnerstärkste Gemeinde ist Darfo Boario Terme mit 15.750 Einwohnern. Die Thermalbäder von Boario Terme sind überregional bekannt.

5Geschützte Landschaften
Beeindruckend ist auch die Tatsache, dass mehr als die Hälfte (54,8%)der Gesamtfläche der Valle Camonica einer Landschaftsschutzbindung unterzogen wurde. Auch der Nationalpark Stilfserjoch hat Flächenanteile in der Valle Camonica: Die drei nördlichen Seitentäler Val Grande(bei Vezza d´Oglio), Valle di Canè  (Canè, Vione) und Valle di Viso (Pezzo, Ponte di Legno) haben mit insgesamt 10.250 Hektar Anteil an den 131.000 ha Gesamtfläche des Nationalparks. Der Regionalpark Adamello rund um den namensgebenden Gebirgsstock umfasst eine Fläche von 50.935 ha. Die archäologischen Schutzzonen und Landschaftsschutzgebiete mit prähistorischen Felszeichnungen machen die Valle Camonica ebenfalls überregional bekannt.

Felsgravuren
Im Tal des Oglio findet sich eine große Konzentration von Felszeichnungen aus prähistorischer Zeit. Um die Ortschaft Capo di Ponte, ungefähr in der Mitte des Tales gelegen, befindet sich die größte Fundstätte Europas mit prähistorischen Felsgravuren: Auf etwa 1.000 Steinplatten sind mehr als 200.000 Einzelgravuren aus vorgeschichtlicher Zeit erhalten geblieben. Die ältesten Darstellungen werden auf die Zeit von 6.000 vor Christi Geburt datiert. Die Felsgravuren in der Valle Camonica dauern aber über einen langen Zeitraum von der Alt- über die Jungsteinzeit bis in die Bronze- und frühe Eisenzeit an. Die großflächigen Kompositionen stellen hauptsächlich Motive des alltäglichen Lebens dar, also Krieger, Bauern, Jäger, Wild- und Haustiere, Waffen und Ackergeräte. Bemerkenswert ist die Vielfalt der von den Ureinwohnern behandelten Themen. In kultischem Zusammenhang müssen wohl die geometrischen Muster und die abstrakten Formen gesehen werden, die den Raum zwischen den einzelnen Gravuren ausfüllen. Die unbekannten Künstler P1100562gehörten vermutlich einem alpinen Volk an, den Camunern, deren Siedlungsspuren bis weit in das 4. Jahrtausend vor Christus zurückreichen. Camuni heißen die Bewohner der Valle Camonica heute noch in der italienischen Sprache.
Als kulturgeschichtliche Zeugnisse besonderen Wertes sind  die Felszeichnungen der Valle Camonica im Jahre 1979 durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. Im archäologischen „Parco Nazionale delle Incisioni Rupestri di Naquane“, an den Massi di Cemmo, am Lehrpfad von Serodina und Bedolina, alle in der Gemeinde Capo di Ponte gelegen, aber auch im Naturreservat von Ceto, Cimbergo und Paspardo, in Luina und im Park der Corni Freschi in der Gemeinde Darfo Boario Terme, in Sellero und in Sonico kann man Felszeichnungen bewundern.
Aus der Erforschung der Ausrüstungsgegenstände und Werkzeuge, die Ötzi, der Mann vom Hauslabjoch bei sich trug, wissen wir übrigens, dass es schon damals einen Tauschhandel etwa mit  Silex-Steinen zwischen den Ureinwohnern des Vinschgaues und der Valle Camonica gegeben hat.

Die Liste des Welterbes
Die Liste des Welterbes unter dem Schutz der UNESCO-Konvention umfasste im Jahre 2010 890 Monumente in 148 Ländern. 689 davon zählen  zum Kulturerbe, 176 zum Naturerbe, darunter seit dem Jahre 2009 auch die Dolomiten. 25 Stätten gehören sowohl zum Kultur- als auch zum Naturerbe.

Die Brescianer Täler des Nationalparks Stilfserjoch
Wie bereits oben gesagt, gehören drei nördliche Seitentäler in der Alta Val   Camonica an der Südabdachung des Ortler-Cevedale-Massivs zum Nationalpark Stilfserjoch.
3In die Val Grande kommt man von Vezza d´Oglio aus. Das Tal ist wegen der großen Rotwildbestände besonders zur Zeit der Hirschbrunft ein begehrtes Ziel ähnlich der oberengadiner Val Trupchun im Nationalpark Schweiz.
In der Valle di Canè gibt es in der Örtlichkeit Cortebona einen historischen Steinbruch, aus welchem in der Vergangenheit weißer Marmor in kleinen Mengen abgebaut worden ist.
Empfehlenswert ist ein Besuch in der Valle di Viso, welche man von Ponte di Legno über die Fraktion Pezzo erreicht. Die Straße ist bis zur Hüttensiedlung Case di Viso für den motorisierten Verkehr geöffnet. Die saisonal bewohnten Almhütten von Case di Viso zeichnen sich durch eine einheitliche Architektur in Form, Proportion und Baustoffwahl aus: Alle Hütten sind in Natursteinen erbaut. Die Dachhaut bilden einheitlich gespaltene Schieferplatten. Von Case di Viso aus erreicht man über eine gepflasterte Militärstraße aus dem 1. Weltkrieg die Geländemulde von Montozzo mit dem gleichnamigen See an der Schutzhütte Bozzi auf 2.478 Metern Meereshöhe. Steigt man auf dem Höhenweg „Alta Via Camuna“ (Steig Nr. 2) weiter auf, erreicht man die Hochebene von Ercavallo  mit mehreren Gebirgsseen und herrlichen Ausblicken auf die Berge der Adamello Gruppe und der Presanella im Süden und auf den Corno dei Tre Signori (3.360 m) im Norden.

Bildernachweis: Alle Fotos Wolfgang Platter

Nationalpark Stilfserjoch

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