Mittwoch, 02 Mai 2012 00:00

Nationalpark Stilfserjoch:Corvus monedula - Die Dohle ist der Vogel des Jahres 2012

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Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Katharina von Siena, 29. April 2012

taccola_130609Aus den Stadtmauern von Glurns ist sie ausgezogen, aber im Agumser Kirchturm brütet sie noch in einer kleinen Kolonie. Die Dohle, mit dem wissenschaftlichen Namen Corvus monedula, italienisch Taccola, ist vom Deutschen Naturschutzbund NABU und von anderen Naturschutzorganisationen zum Vogel des Jahres 2012 ausgerufen worden.
In Südtirol weist die Dohle ein sehr isoliertes und fragmentiertes Verbreitungsgebiet auf und kommt nur im oberen Vinschgau, in Bozen, im Eisacktal und im Pustertal bis auf ca. 1.000 Meter Meereshöhe  vor.  Mein heutiger Beitrag ist diesem Vertreter aus der Familie der Krähenvögel (Corvidae) gewidmet.

Kennzeichen
Die Dohle ist kleiner als die Rabenkrähe und in der Gefiederfarbe überwiegend schwarz gefärbt. Der Nacken und die Ohrdecken sind jedoch grau. Der Schnabel ist kleiner als bei der Krähe. Die graue Augenfarbe ist ein kennzeichnendes Merkmal für die Dohle. Die Rufe sind sehr bezeichnend hell und weithin hörbar: „kja“, auch gedehnter und schnarrend wie „kjarr“ und „kjerr“. Die Dohle lebt fast immer gesellig und ihr Sozialverhalten war schon vor mehr als 50 Jahren unter anderen Forschungen Studienobjekt des Österreichers Konrad Lorenz, einem der Begründer der Verhaltensforschung und Nobelpreisträger im Jahre 1973.

023_01Verbreitung und Vorkommen
Brutvogel von Europa und Nordwestafrika bis Sibirien, fehlt die Dohle in Island und in Fennoskandien, aber auch in einigen Alpentälern.  Sie ist vor allem im Tiefland verbreitet und brütet in Städten auf Türmen, in Mauern von Altbauten, auch in  Burgen, Wallanlagen und Steinbrüchen. Im Winter ist sie oft mit Saatkrähen vergesellschaftet, bei uns im Vinschgau  kann man sie mit den Rabenkrähen, Kolkraben aber auch mit Staren aufgereiht am Außenzaun an der Mülldeponie in Glurns beobachten, wenn man am Radweg daran vorbeifährt. Paul Flora, der große Sohn der Stadt, Zeichner und Karikaturist und ihr Ehrenbürger, hat die Glurnser Raben in seinen Tusche-Federstrichzeichnungen so oft verewigt.

imagesDas faszinierende Sozialverhalten
Wie oben gesagt, hat Konrad Lorenz das Sozialverhalten der Dohlen beleuchtet. Die Studien in Altenburg an der Donau bei Wien sind inzwischen Geschichte der Verhaltensforschung.  Wegweisende Erkenntnisse zur Verhaltensforschung sind auch auf die Dohle zurückzuführen. Die Dohlen und die anderen Vertreter der einheimischen Vogelfamilien der Krähenvögel gelten als besonders intelligent. In Fütterungsversuchen hat man zum Beispiel herausgefunden, dass Dohlen ein Zählvermögen haben. Im Wahlversuch konnten Dohlen Deckel von Futterschälchen entfernen, auf denen unterschiedliche Zahlen in Punkten aufgetragen waren. Auf einer Anweisungstafel war angegeben, welcher Deckel entfernt werden musste, um zum Futter zu gelangen. Ergebnis: Dohlen können bis 7 zählen. Natürlich stehen ihnen keine Zahlenbegriffe zur Verfügung. Daher spricht man vom   „unbenannten“ oder vorsprachlichen Zählen.

Die Paarbindung
Auch die lebenslange Treue in Einehe der Dohlen ist sprichwörtlich. Wenn ein Dohlen-Paar einmal 6 Monate beisammen ist, geht es nur noch selten auseinander. Die Paarbindung hört dann meistens nur mit dem Tod eines Partners auf. Unter den einjährigen Dohlen ist die Auflösung der Paarbindung noch häufiger. Bei Dohlen scheint auch ein Überschuss an ledigen Weibchen zu bestehen. Diese versuchen dann, ein verpaartes Männchen für sich zu gewinnen. Doch meistens leiben solche Versuche erfolglos. Bis jetzt ist den Verhaltensforschern noch nicht ganz klar, welchen Vorteil diese lebenslange Paarbildung hat, die ganz offensichtlich auch vielen Gefahren standhalten muss.

Mo083Die Rangordnung
Auch das interessante Phänomen der sozialen Rangordnung ist an den Dohlen wissenschaftlich untersucht worden. Die Rangordnung regelt die Rechte und Pflichten innerhalb einer sozialen Gruppe. Voraussetzung dafür, dass eine solche Verteilung der „Dominanzverhältnisse“ funktioniert, ist, dass sich alle Mitglieder in der Gruppe individuell erkennen.
Abgeklärte Verhältnisse in der Rangordnung verhindern beispielsweise, dass bei einem begrenzten Zugang zu einer Nahrungsquelle von neuem Streitereien auftreten. Die Rangordnung sorgt aber auch dafür, dass tägliche Streitereien in der Gruppe auf ein sinnvolles Maß an arteigener Aggression reduziert werden. Rangordnungen bringen aber nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. So müssen rangordnungshohe Dohlen auch als Wächter oder Verteidiger auftreten. Rangordnungsverhältnisse sind oft recht kompliziert, weil sie nicht starr sind und nicht für alle Zeit gelten. Bei Dohlen rückt ein Weibchen nach der Verpaarung in den Rang des Männchens in der Rangordnung auf.  Ach wie viele Analogien ließen sich zwischen Dohlen und Menschen ziehen! Oder anders formuliert: Könnte die Spezies Mensch vielleicht doch etwas von der Spezies Dohle lernen oder übernehmen?

Dohle und Alpendohle
Nicht verwechseln: Dohle  (Corvus monedula) und Alpendohle (mit dem wissenschaftlichen Namen Pyrrhocorax  graculus, italienisch Gracchio alpino) sind zwei verschiedene Arten aus der Familie der Krähenvögel. Die Alpendohle, in unserem vinschgauer Dialekt „Docht“ oder „Matscher Henne“, hat fleischrote Füße und Zehen und einen zitronengelben Schnabel. Bei der Dohle sind Füße, Zehen und Schnabel grauschwarz.

Nationalpark Stilfserjoch

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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