Mittwoch, 04 April 2012 00:00

„...nichts alz an löffl fa dr Gfongenschoft"

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Portrait: Anna Januth (Golln Anna) geb. 1924 und Josef Fabi (Fabi Sepp) geb. 1922, Tartsch

s15_5169Wenn im Fernsehen ein Skirennen gezeigt wird, sitzen Anna und Sepp gespannt vor dem Apparat und fiebern mit. „Selm konns  passiern, dass i in Mittog nit drkoch“, lacht Anna. Das Paar lebt allein in ihrem alten Bauernhaus in Tartsch. Sepp sorgt dafür, dass Holz für den Ofen und den Herd bereit steht, und er macht im Winter bereits um sechs Uhr morgens Feuer. „In dein oltn Haus brauchts long bissas worm isch“, erklärt er. Anna führt den Haushalt und passt auf, dass ihr der Drehschwindel keinen Streich spielen kann. Die Hektik hat sich längst aus dem Leben des Paares verabschiedet. Bedächtige sind die Schritte. „Iatz marschiern miar holt boade mitn Steckn“, betont Anna. In ihrer Erinnerung lassen sie oft die Lebensjahre vorüberziehen. Viel zu schnell sind sie vergangen.

Ihre Jugendzeit war geprägt vom Gehorsam gegenüber Eltern und Geistlichkeit und von schwerer Arbeit in der Landwirtschaft. „Do wurn si heint schaugn – di Jungan“, meint Anna. Sie lebt seit jeher in Tartsch. Sepp kam als Vierjähriger mit zwei Geschwistern von Burgeis dorthin, nachdem die Mutter nach dem Tod des Vaters ein zweites Mal geheiratet hatte. Sepp verdiente sich mit 14 Jahren sein erstes Geld auf der Melager Alm und dann in Buffalora am Ofenpass. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war es ihm verboten, in der Schweiz zu arbeiten. Als Optant musste er sich für den Kriegsdienst bei der Wehrmacht bereithalten. Im Juli 1942 erhielt er die Einberufung zu den Gebirgsjägern. Am Weihnachtstag brachten ihn der Zug nach Palermo und ein Schiff nach Afrika. Im Gebirge bei Tunis  marschierte er mit seiner Kompanie abends los, um das Kampfgebiet zu erreichen. Doch sie drehten sich im Kreis. „Zmorgaz sein miar obr pan Ausgongspunkt ounkemman“, erklärt er. Ihre Feinde waren Engländer und Amerikaner und Sepp war einige Male in Gefechte verwickelt, die er zum Glück heil überstand. Am 9. Mai 1943 nahmen ihn amerikanische Soldaten gefangen und steckten ihn in ein Wüstenlager. Die Aufseher hielten das Wasser zurück und der Durst raubte ihm fast die Sinne. Er sah Kameraden umfallen und sterben. Seine Verfrachtung auf ein amerikanisches Kriegsschiff im August bedeutete das Ende dieser Durststrecke. Nun gab es genügend Wasser. Die Reise führte  nach New York. Sepp wurde in ein Lager nach Arkansas gebracht und dortigen Bauern als Knecht zugeteilt. Anstrengend war die Baumwollernte. „In dr Schicht hot jedr gmiaßt 100 Killa bringan, suscht hot er nit aufhearn terft“, erzählt Sepp. Das Erfreuliche war, dass er für 100 kg Baumwolle 100 englische Pfund erhielt. Nach einem Jahr erreichte ihn erstmals Post von daheim und das baute ihn auf. Anfangs 1946 konnte er ein Schiff besteigen das ihn nach Italien zurückbrachte. Er glaubte, es geschafft zu haben, doch er landete im „Campo concentramento Laterina“ bei Belluno, wo man ihn als Wehrmachtssoldat mit anderen politischen Häftlingen auf dem Betonboden schlafen ließ und ihm nur das Nötigste zum Essen gab. Am 30. April endete Sepps Kriegsabenteuer mit einem herzlichen Empfang am Bahnhof Mals. „Im Vergleich zu di Gefongenen in Russlund hoobns miar guat kopp“, betont Sepp. Er machte sich auf dem Hof des Stiefvaters nützlich. Oftmals schaute er im Nachbarstall vorbei, wo Anna arbeitete. „Gach hotts klick toun unt gschechn ischas gwesn“, verrät sie. Im Oktober 1947 läuteten die Hochzeitsglocken. „Kopp hon i pa dr Hoazat nichts als an Löffl fa dr Gfonganschoft“, meint Sepp. Er nahm jede Gelegenheitsarbeit an. 1961 erhielt er eine Stelle im Stollen der „Lasa Marmo“. Anna führte die Landwirtschaft und betreute die Kinder. Das Paar sparte und legte jeden übrigen Knopf auf die hohe Kante. 1965 kauften sie die Hälfte des Hofes, in dem sie heute noch leben. Die zweite Hälfte erwarben sie Jahre später. 1968 wechselte Sepp zur Firma HOPPE, wo er bis zu seiner Pensionierung 1982 tätig war.
Seit 65 Jahren gehen Anna und Sepp nun schon durch dick und dünn, sie haben Freud und Leid miteinander geteilt. „Miar gschoffn olleweil bessr, wail miar afnond oungwiesn sain“, meint Anna. Gelassen fügen sie sich den kleinen Gebrechen des Alters und freuen sich über die regelmäßigen Besuche ihrer sechs Kinder mit Anhang. Das Kartenspiel mit Nachbarn und im Seniorenclub genießen sie mit besonderer Leidenschaft genauso wie die Skirennen im Fernsehen.      

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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