Dienstag, 15 Mai 2018 12:00

Heu und Stroh

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P1020311Erschienen ist diese ARUNDA Publikation bereits im Jahr 1990 und zwar in deutscher und italienischer Sprache. Beachtung hat dieses Buch bei uns nur wenig gefunden, obwohl das Thema höchst aktuell ist: Das Festhalten in Wort, Bild und Schrift einer uralten Kultur kurz vor ihrem Verschwinden.

Sotriffer geht in seiner Untersuchung weit über den Südtiroler Horizont hinaus ... das ist auch der Grund dafür, dass diese schöne Arbeit bei uns kaum beachtet wurde, weil hier meist nur Lokales geschätzt wird.
Um Christian Sotriffers Anregungen und Warnungen zu verstehen, müssen oft Jahre vergehen. Lange Zeit war er der kompetente Kritiker in der Wiener Presse; er überwachte das kulturelle Geschehen von einer höheren Warte aus, mit Blick in die verschiedensten Richtungen.
Der 1932 in Bozen geborene Kulturpublizist hat 1982 die Kulturgeschichte „Das größere Österreich - Geistiges und soziale Leben von 1880 bis zur Gegenwart“ herausgegeben. Ein Werk, in dem den Österreichern - und natürlich auch Südtirolern - fast vorwurfsvoll vorgerechnet wird, wie reich an Ideen und Anregungen die ehemaligen Kronländer in Wien und in Österreich nachwirken. Und wie ängstlich damit umgegangen wird.
P1000820„Das größere Tirol“, der Titel ließe sich als Programm aktuell auf ganz Tirol anwenden, wobei Sotriffer durch seine Publikationen zu europäischen Kulturlandschaften wie Istrien, Slowenien, das Friaul und Südtirol den Südosten des Habsburgerreiches forschend und fotografierend bereits dargestellt hat. Das ARUNDA Buch „Südtirol-eine Elegie“ hat eine bemerkenswert unübliche Entstehungsgeschichte. Die sehr erfolgreiche Publikation (die schon schnell vergriffen war) sollte eigentlich bei einem oberösterreichischen Verlag erscheinen. Aber im letzten Moment wurde dies verhindert, wahrscheinlich wegen der zu kritischen Darstellungen: Gewisse heilige Kühe wurden geschlachtet. Der Grödner Künstler Markus Vallazza, ein Freund Sotriffers, der zu den Gründern der ARUNDA gehört, machte die Redaktion auf diese Arbeit aufmerksam. Die ARUNDA hat sofort zugegriffen. Allerdings musste das Format geändert werden, zumal der Satz und die teuren Lithos bereits druckfertig vorlagen. Wir musste also das Format ändern, was die ARUNDA ursprünglich nie beabsichtigte. Es sollte sich aber als „befreiend“ erweisen. Seitdem erscheinen die Publikationen je nach Inhalt verschieden angepasst im Format. Sotriffer hat dann mit der ARUNDA weitere Bücher verfasst und zwar „Geformte Natur“(auch schnell vergriffen) und „Heu und Stroh“
Also Kristian Sotriffer und die Tiroler. Er kannte natürlich viele Persönlichkeiten, vor allem Schreiber und bildende Künstler, aber er lebte und arbeitete vor allem in Wien. Wenn ich dort zu tun hatte (unter anderem wegen der Finanzierung der ARUNDA durch das Bundesministerium für Unterricht und Kunst), agrikultur 1agrikultur2war ich oft auch bei der Familie zum Abendessen eingeladen. Dabei musste ich ihm über das kulturelle Geschehen in Südtirol berichten. Dass seine kritischen Bemerkungen vor nichts Halt gemacht haben, auch nicht vor mir, brauche ich gar nicht erst zu erwähnen. Das war immer sehr anregend. Wichtig für mich war dabei auch die Begegnung mit seiner, auch in Geschichte sehr bewanderten, Frau Grete. Als ich einmal eine abfällige Bemerkung über die auffällig wehrhaften und wenig „christlichen“ Geist vermittelnden Riesenklöster machte, wurde mir heftig widersprochen mit dem Hinweis, dass ich keine Ahnung hätte, in welcher existentiellen Bedrohung sich Wien und ganz Österreich in der Zeit der Türkenkriege wiederholt befunden hätte; wenig fehlte und wir wären jetzt türkisch! Die Türkenkriege mit der Belagerung Wiens im Jahr 1529 und der Entscheidungsschlacht am Kahlenberg 1683 reichten bis ins Jahr 1791; sie endeten ergebnislos und werden jetzt mit anderen Mittel fortgesetzt. Dabei folgte die Bemerkung: Was Mustafa nicht mit Gewalt gelungen ist, das gelingt jetzt den türkischen Familien mit ihrem Kinderreichtum. Die Sotriffers bekennen sich bewusst zu einem offenen aber entschieden christlichen Weltbild, eine Haltung, die unter Österreichs Intellektuellen eher selten ist.
Das umfangreiche Werk des Kulturhistorikers Kristian Sotriffer (1932-2002) wird demnächst in einer Gesamtdarstellung als Buch erscheinen, mit zahlreichen Beiträgen auch aus dem Umkreis seiner Mitarbeiter. Herausgeber des Buches sind die Kulturabteilungen des „größeren“ Tirols. Von den vielen Werken Sotriffers sei hier nochmals auf seine Arbeit über Heu und Stroh verwiesen, dem auch die Abbildung mit dem Kornacker, sowie die „Landschaft mit siebenundvierzig Hügeln“ des Künstlers Othmar Zechyr entnommen sind. Er war alt genug, um noch die ganze Fülle der Strohformen gesehen und erlebt zu haben.
Um mit Paul Cézanne zu reden:“Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will“. Diese mehr als 150 Jahre alte Betrachtung wird immer aktueller, die Dokumentation der Spur des Verschwundenen immer wichtiger. Ein berühmtes Bild von Hieronymus Bosch (1450-1516) ist der Heuwagen im Museo del Prado in Madrid. Der mit Heu beladene Wagen ist Symbol für die Güter der Welt. Alle sozialen Schichten von Kaiser und Papst bis zu Bauern und Bettler beteiligen sich an diesem Zug. Ein holländisches Sprichwort lautet: „Die Welt gleicht einem Wagen von Heu; jeder hascht davon soviel er kann“. Um unseren Vinschger Dichter Luis Stefan Stecher zu zitieren: „Unti Wält ischa Haischtokk, wer rupft, deer Hot mäa.“

Hans Wielander

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