Donnerstag, 21 April 2011 09:26

„Ich bin nicht der Mann für die Show“

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„Wind“-Gespräch mit Richard Theiner

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SVP-Obmann Richard Theiner spricht mit dem „Wind“ über Direkte Demokratie, über Wahlen, seinen Politstil, über die Sinnhaftigkeit der Stiftung Vital und über die Umwälzungen im oberen Vinschgau. Theiner stellt sich nicht gern ins Fenster der Öffentlichkeit und bevorzugt, nach eigenen Aussagen, einen nüchternen-sachlichen Stil.
 

Interview: Erwin Bernhart
Fotos: Martin Platzgummer


 


 

Vinschgerwind: Herr SVP-Obmann – hat die Südtiroler Volkspartei Angst vor dem Volk?
Richard Theiner: Nein, es gibt überhaupt keinen Grund dafür. Im Gegenteil.  Wer wie die SVP seit nunmehr 65 Jahren bei allen Wahlgängen mit großer Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen bekommen hat, kann mit Recht sagen: wir sind das Volk. Für diesen jahrzehntelangen Vertrauensbeweis gibt es sicher einen Grund. Wir sind  unserem Kernthema treu geblieben:  Die Vertretung der deutschen und ladinischen   Minderheit  in einem fremden Staate zu sein.

Die Mehrheiten sind im Laufe der Zeit kleiner geworden. Der aktuelle Bezug der Frage ist, dass der SVP-Parteiausschuss vor kurzem eine Gesetzesvorlage gutgeheißen hat, die unter anderem die Sammlung von 38.000 Unterschriften für einen Volksentscheid beinhaltet. Die Initiative für mehr Demokratie und die Opposition sagen, dass dies der Tod der Direkten Demokratie sei. Was antworten Sie darauf?
Zuerst einmal kann ich die Aussage der schwindenden Mehrheit überhaupt nicht gelten lassen. Schaut man sich die Gemeinderatswahlen vom letzten Jahr an, muss ich feststellen, dass wir die Anzahl der SVP- Bürgermeister sogar noch ausbauen konnten. Wir haben einen Erfolg eingefahren, den uns niemand zugetraut hat. Und niemand kann sagen, dass nach 65 Jahren ein solcher Erfolg Zufall ist. Zu Ihrer Frage: Bisher sind wir mit dem Modell der repräsentativen Demokratie sehr gut gefahren. Richtig ist aber auch, dass es einen Wandel in der Bevölkerung gibt. Die Bevölkerung hat deutlich den Wunsch, bei konkreten Vorhaben insbesondere bei‚ Großprojekten mitzureden. Wir als Südtiroler Volkspartei sagen, dass nicht ein System lahmgelegt werden soll, dass über alles und jedes noch so kleine  Vorhaben  es eine Volksabstimmung geben soll...

...Ihr Kollege Elmar Pichler Rolle hat von „Volksobstruktion“ gesprochen...
Ich glaube, wir sollen bei dem bleiben, was uns Südtiroler  erfolgreich gemacht hat. Aber wir sollen die repräsentative Demokratie durchaus mit den Möglichkeiten der Direkten Demokratie ergänzen. Wir haben aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt, dass es ein Blödsinn ist, Abstimmungshürden aufzubauen - um zu schauen, ob diese erreicht werden oder nicht. Wir haben in verschiedenen Gemeinden,  auf Landesebene, aber auch auf Staatsebene gesehen, dass dies nicht funktioniert. Wir sagen, das wollen wir nicht. Wir wollen zuerst eine Hürde einbauen, damit man sieht, dass ein großer Teil der Bevölkerung, und nicht nur zwei Leute, dahintersteht und wenn diese Hürde genommen wird, soll die Abstimmung gültig sein. Null Quorum und damit alle Karten auf den Tisch.

Es hat den Anschein, dass die SVP mit dieser großen Hürde darauf Einfluss nehmen möchte, worüber abgestimmt werden soll. Ist Direkte Demokratie nur dann Direkte Demokratie, wenn sie von der SVP ausgeht?
Überhaupt nicht. Wenn Bürger zum Ausdruck bringen, über etwas abstimmen zu wollen, wird nicht gefragt, von welcher Partei sie kommen. Man hat uns bisher das bayrische Modell, 10 % der Wahlberechtigten müssen mittels Unterschrift einen Volksentscheid beantragen und dafür entfällt die Beteiligungshürde, als Vorbild zelebriert und wenn wir nun darauf zurückgreifen, dann ist es plötzlich falsch. Jene, die uns jetzt vorwerfen, dass unser Vorschlag kein guter sei, haben uns vor zwei Jahren noch das bayrische Modell vorgeschlagen, und jetzt soll es nicht mehr gelten?

Wie fühlen Sie dieses Unbehagen in Teilen des Volkes, dass die Politiker eh tun, was sie wollen?
Bei den großen Leitlinien gibt es breite Zustimmung in der Bevölkerung zur Politik der SVP und der Erfolg gibt uns da auch recht. Als deutsch- und ladinischsprachige Minderheit waren wir noch nie so gefestigt wie zurzeit,  ohne dass wir nennenswerte Spannungen mit der italienischen Sprachgruppe haben.  Volkswirtschaftlich stehen wir sehr gut da, wir haben de facto eine Vollbeschäftigung. Unbehagen gibt es selbstverständlich in Bezug auf konkrete Projekte. Über die soll auch vom Volk direkt abgestimmt werden können. Das nützt auch uns als Südtiroler Volkspartei. Es gibt verschiedene Beispiele, über die abgstimmt werden könnte.

Zum Beipiel?
Ich sage, über alle großen Vorhaben.

Zum Beispiel über den Ausbau des Flughafens?
Seit Jahrzehnten diskutieren wir über den Flughafen. Eine grundsätzlich Abstimmung wäre sinnvoll gewesen.

Woher der Sinneswandel? Vor zwei Jahren hat es eine Volksabstimmung darüber gegeben. Die SVP hat sich damals ausgeklinkt.
Wir müssen ganz offen sagen, dass die Gesellschaft ständig in einem Wandel ist. Wir wären nicht Volkspartei, wenn wir nicht diesen Wandel mitvollziehen würden.

Nächstes Jahr kommen wieder Obmann-Wahlen in der SVP. Werden Sie wiederum kandidieren?
Ich habe 2009 in einer schwierigen Phase der Partei gesagt, ich bin bereit Verantwortung zu übernehmen bis zum Jahr 2012. Was im Jahr 2012 passieren wird, werde ich zu gegebener Zeit entscheiden.

Sie sind auch Landesrat für Gesundheit, Sozialwesen und Familie. Kürzlich hat sich eine Allianz für Familie gebildet, der sich verschiedene Organisationen angeschlossen haben, unter anderem der katholische Familienverband, das Forum Prävention und der Südtiroler Verein kinderreicher Familien. Sind Kinder in Südtirol eine Armutsfalle?
Ich begrüße diese Allianz und habe gute Kontakte zu den Akteuren. Es ist wichtig, dass familienpolitische Themen auf breiter Ebene in den Mittelpunkt gerückt werden. Das ist sehr gut. Mit der Geburtenrate ist Südtirol im EU-Durchschnitt und das ist viel zu wenig.

Sind Kinder in Südtirol eine Armutsfalle?
Nein, das nicht. Kinder haben in unserer Gesellschaft noch nicht den Stellenwert, den sie haben sollten.
2007 hat der „Wind“ mit Ihnen das letzte Interview geführt. Damals haben Sie gesagt, Zitat: „Ich bin zuversichtlich, dass Durnwalder noch lange Landeshauptmann bleibt.“ Wie lange soll der Durnwalder noch bleiben?
Luis Durnwalder hat einen Regierungsauftrag bis 2013. Dann wird man sehen. Ich halte nichts von Personal-Spekulationen in der Mitte der Legislatur.

Ihre zwei Kollegen, den Sepp Noggler und den Arnold Schuler, scheinen Sie zu meiden. Sind Ihnen die Kollegen aus dem Vinschgau zu forsch?
Von meiden kann überhaupt keine Rede sein, wir treffen uns regelmäßig, wir sprechen uns ab. Ein Landtagsabgeordneter hat aber andere Aufgaben  als ein Mitglied der Landesregierung.

Sie melden sich zu Vinschger Themen eher selten öffentlich zu Wort und arbeiten lieber im Hintergrund. Haben Sie generell Angst davor, beim LH oder bei der Ebner Presse in Ungnade zu fallen?
Das ist lächerlich. Ich habe mich noch nie einer Stellungnahme entzogen wenn ich gefragt wurde. Als Landesrat und SVP-Parteiobmann komme ich in den Medien zwangsläufig häufig vor. Von mir aus hab ich nicht ein derartiges Mitteilungsbedürfnis, dass ich ungefragt zu allem Möglichen Stellung nehme.

Zwei Beispiele: Trafoi haben Sie, ohne viel Aufhebens, zum Durchbruch beim Liftbau gebracht. Allerdings haben Sie sich als Landesrat für Gesundheit bei der Problematik der Windräder auf der Malser Haide öffentlich nicht geäußert.
Jeder hat seinen Arbeitsstil. Ich bevorzuge eher einen nüchternen-sachlichen. Ich bin nicht der Mann für die Show. Ich habe gesehen, dass ich mit meinem Stil durchaus Erfolg habe und sehe keinen Anlass diesen zu ändern. Die Liftanlagen sind für das Dorf Trafoi überlebenswichtig. Deshalb habe ich mich  für den Weiterbestand des Skigebietes eingesetzt. Im oberen Vinschgau hat es durchaus Kontakte auch zu den Windradgegnern gegeben. Es wäre allerdings weit hergeholt, wenn man bei den zwei bestehenden Windrädern von einem akuten Gesundheitsrisiko sprechen würde. Mir war klar, dass die Mehrheit der Bevölkerung aufgrund der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes gegen neue Windräder ist.

Bleiben wir bei Ihren pragmatischen Stil. Sie haben sich mit der Stiftung Vital eine eigene Organisation, auch eine im politischen Vorfeld, aufgebaut. Macht es Sinn, neben den ehrenamtlich geführten Sport- und Freizeitvereinen eine zusätzliche Organisation zu stellen?
Es gibt in allen Ländern ähnliche Einrichtungen wie die Stiftung Vital. Wir haben diese nach dem Modell der Styria Vital in der Steiermark gemacht. Hintergrund ist folgender: Die WHO hat eine weltweite Studie gemacht, was Gesundheit bedingt. Das Ergebnis ist, dass Gesundheitseinrichtungen dafür 10 Prozent ausmachen, rund 20 Prozent die Genetik, 20 Prozent die Umwelt. Und rund 50 Prozent macht der Lebensstil. Die Stiftung Vital hat die Aufgabe, auf den Lebensstil einzuwirken. Themen wie Bewegung, nicht in Konkurrenz zu Sportvereinen, sondern unterstützend, genauso auch Ernährung und auch Entspannung - diese drei Themen soll die Stiftung vertreten und propagieren. Ich bin überzeugt, dass diese Themen und auch die Stiftung in Zukunft eine viel größere Bedeutung haben wird. Wenn es uns gelingt, durch mehr Bewegung und durch gesündere Ernährung bestimmte Zivilisationskrankheiten nur um einige Prozent zu senken, ist das volkswirtschaftlich ungemein sinnvoll.

Apropos Ernährung: Im oberen Vinschgau ist eine starke Umstrukturierung zu beobachten. Der Apfelanbau drängt die Milchwirtschaft zurück. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Die Vielfalt ist ein großer Wert, den wir im Vinschgau haben. Ich glaube, dass die Zukunft nicht in der Massenproduktion liegt. Die Zukunft, gerade im Bereich der Ernährung, liegt in der Qualität. Da hat der Vinschgau noch immenses Potenzial, welches erst ansatzweise ausgenutzt wird.

Sie wohnen in Latsch, umgeben von Apfelwiesen. Meinen Sie Qualität auch im Bezug auf die Äpfel?
Wenn man heute den Einsatz von Herbiziden und Pestiziden ansieht, hat es in den letzten Jahrzehnten unvorstellbare Fortschritte gegeben. Die Verschiebung der Intensivkulturen ist ein Konflikt, der sich auf verschiedenen Ebenen abspielt. Viel vom Widerstand rührt daher, dass Bauern vom Unter- bzw. Mittelvinschgau oben Gründe ankaufen. Aber dies wird sich im Laufe der Zeit legen. Zwei Standorte zu bedienen, wird sich langfristig nicht lohnen. Was die Veredelung der Produkte in gar allen Bereichen betrifft, haben wir im Vinschgau noch viel vor uns. In der Veredelung der Äpfel sehe ich noch eine große Aufgabe.

Kritik an die VI.P?
Nein, dies ist nicht Aufgabe der VI.P. Die Produkte, die wir haben, müssen wir veredeln. Das ist nahe liegend.

Ihre Meinung zu den Differenzen zwischen Vinschger Gemeinden und SEL AG?
Die Bewusstseinsbildung war für das Zusammengehörigkeitsgefühl und für die Vergangenheitsbewältigung sehr wichtig. Es ist richtig, dass der Vinschgau die Chance genutzt hat, selbst ins Stromgeschäft einzusteigen, nachdem das Tal von auswärtigen Firmen regelrecht ausgebeutet worden ist. Jetzt sind die Voraussetzungen recht gut, eine Lösung herbeizuführen   von der die  ansässige  Bevölkerung  profitieren wird.


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