Dienstag, 10 Juni 2014 09:06

„I hon fescht Hoamweah kopp“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 1501Adolf Schgör hat in Taufers i. M. seine Kindheit verbracht. Dann wanderte er mit der 19-köpfigen Großfamilie nach Österreich aus. Noch heute verbinden ihn viele Erinnerungen und Freundschaften mit seiner alten Heimat, die er immer wieder gerne besucht.

von Magdalena Dietl Sapelza

In Naturns kam Adolf Schgör 1921 als neutes von 17 Kindern zur Welt. Kurz darauf kaufte sein Vater den „Schmelchhof“ in Rabland.  Doch er verlor den Hof durch eine Bürgschaft, die er für einen Freund übernommen hatte.

Die Familie fand daraufhin einen armseligen Unterschlupf in Kastelbell und zog dann zu Bekannten nach Taufers. Zweimal wechselte die Familie dort die Wohnung bis sie schließlich im Haus neben der alten St. Johannkirche bleiben konnte. Der Ertrag eines Kartoffelackers und das, was der Vater als Mauerer und als Hirte verdiente, reichten  nicht. Das Essen war knapp. Als Hütbub bei einem Bauern in Sta. Maria konnte sich Adolf  im Sommer satt essen. Im Winter besuchte  er die italienische Schule, die den Südtirolern aufgezwungen worden war. Er lernte von „Duce“ und sang die „Giaovionezza“. Eine „Katakombenlehrerin“ unterrichtete ihn heimlich in deutscher Sprache. Nach Italiens Sieg über Athiopien beobachte er, wie ein „Maresciallo“ hoch zu Ross an der Grenze seine Faust bedrohlich in Richtung Schweiz erhob. Die Lage war angespannt und eines Tages gab der Vater bekannt, dass er mit Kind und Kegel auswandern wolle.  Er hatte nicht viel zu verlieren. „Unt inzpockn isch nit viel gweesn“, sagt Adolf. Der Zug brachte die Familie mit den wenigen Habseligkeiten nach Innsbruck. Ihr Quartier war eine Woche lang ein Zimmer in einem Gasthof. Dann ging`s weiter nach Kirchdorf bei St. Johann und von dort nach Katsdorf bei Linz. Dort stand ein verlassener Bauernhof für die Großfamilie bereit. „I hon fescht Hoamweah kopp“, erinnert sich Adolf. Oft ging er zum Bahnhof und träumte davon, nach Taufers zurück zu fahren. Nachdem sein Vater Arbeit in den „Hermann Göring- Werken“ erhalten hatte, zog die Familie in eine Neubausiedlung, die im Auftrag von Hitler für die Arbeiter gebaut worden war. Adolf begann eine Lehre als Schuhverkäufer im Geschäft, das einem Juden enteignet worden war. Dieser hatte die Flucht nach New York geschafft. 1944 wurde Adolf zum Arbeitsdienst mit gleichzeitiger Militärausbildung nach Gmunden gerufen. „Oan Tog Holzorbat, oan Tog Ausbildung“, erklärt er. Am 12. April 1945 stieg er in den Zug, der ihn und viele andere junge Soldaten an die Ostfront bringen sollte. Es  wurde der schlimmste Tag in seinem Leben. Die Erinnerung daran, die furchtbaren Bilder verfolgen ihn bis heute. Mit ohrenbetäubendem Lärm knallten amerikanische Bomben  auf den Zug. Es war in der  Gegend bei Neustadt in Unterfranken. Adolf gelang zusammen mit einem Kollegen der Sprung ins Freie. Sie retteten sich in den nahen Wald. Dort hörten sie die Schreie der Verletzten. Kurz darauf versuchten sie verzweifelt zu helfen. „Es isch schrecklich gwesen, di meischtn sain umkemman“, sagt er mit Tränen in den Augen. Aus Koffern holten sie sich später Zivilkleider, tauschten mit diesen ihre Uniformen und flüchteten. Deutsche Truppen hielten sie an, drohten sie wegen ihrer Zivilkleidung zu erschießen und zwangen sie, die Uniform erneut anzuziehen. Daraufhin gerieten sie in amerikanische Gefangenschaft. Im Lager unter freiem Himmel bei Bad Kreuznach waren die Essensrationen knapp, und es gab keine Decken für die Nacht.  „Mit Löffl hoobm miar inz Erdlöcher groobm um a bissl worm z`hoobm“, sagt er. Er meldete sich zu allen möglichen Arbeiten, formte Briketts half beim Latrinenbau…  und bekam dafür etwas mehr zu essen. „Ma muaß si lai zhelfn wissen“, meint er. Nächste Station war ein amerikanisches Auffanglager bei Reims in Frankreich. Dort hatte er erstmals wieder ein Dach über dem Kopf. „Deis isch dr Himml geweesn“, meint er. Im Dezember 1945 kehrte er nach Linz zurück. Im Heimathaus war alles zerstört, und er erfuhr, dass drei seiner Brüder gefallen waren. Auch das Schuhgeschäft war geplündert. Schon bald erhielt es der aus Amerika heimgekehrte Besitzer zurück und richtet es neu ein. Adolf konnte dort weiterarbeiten. Er war tüchtig und machte als Filialleiter Karriere. Später eröffnete er sein eigenes Geschäft. Sein privates Glück fand er mit der Textilverkäuferin Hermine Gach. Ihre Hochzeitsnacht verbrachte das Paar 1957 in Taufers. Adolf zeigte ihr die Orte seiner Kindheit, stellte ihr seine Bekannten vor. „In Taufers sain miar olm willkommen gweesn“, freut  er sich.
Vom Linz zogen die beiden nach Mayerhofen im Zillertal. Auch dort waren sie als Geschäftsleute erfolgreich. Mittlerweile genießen sie den Ruhestand. Und sie verbringen mehrere Male im Jahr ihren Urlaub in Adolfs einstiger Heimat.


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3324 mal
Mehr in dieser Kategorie: « Wallfahrt Weinfest »

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 25-24

titel Vinschgerwind 24-24

titel vinschgerwind 23-24

 weihnachtsbroschüre 2024

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.