Dienstag, 28 Mai 2013 09:06

Zwischen Vorstellung und Wirklichkeit

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s30 panoram 

von Erwin Bernhart

 

Zwei Räume, 88 großformatige Panoramen auf zwei Dimensionen: Im Alpinarium in Galtür, welches sich zum Ziel gesetzt hat, die Themen Mensch und Berg, den Lebens- und Kulturraum hochalpiner Regionen darzustellen, ist derzeit eine eigenartige Fotoausstellung zu sehen. Die Panoramen, das sind auf 360 Grad zusammengefügte Fotografien, kann ich im Kopf nicht rekonstruieren.

Ein Computer in den Räumen macht es dann leichter. Da kann man die 360 Grad drehen. Trotzdem stellen die gezeigten Bilder die eigenen Bilder Tirols, die persönlichen Bilder oder die Vorstellung, die man sich bisher vom Land gebildet hat, in Frage. Bei der Ausstellungseröffnung am 15. Mai 2013 hat es jedenfalls sofort kontroverse Diskussionen gegeben. Die Vorstellung vom Lande und die Wirklichkeit, die in den Panoramen dargestellt ist, sind weit auseinandergeklafft.
Was ist da enstanden, was sind das für Bilder? Jedenfalls würde sich die Tirol-Werbung oder die SMG, die Südtiroler Marketinggesellschaft, wohl kaum für derartige Bilder begeistern. Die Bilder vom Land Tirol, die gewöhnlich nach innen und nach außen kommuniziert werden, folgen anderen Maßstäben, bedienen Klischees, sollen Begehrlichkeiten wecken. Die Bilder, die im Alpinarium gezeigt werden, sind hingegen weitgehend im Niemandsland entstanden, im Nordtiroler, im Osttiroler und im Südtiroler Niemandsland.
In Nordtirol gibt es eine Fotodokumentationsstelle. Betreut wird diese vom Tiroler Bildungsinstitut Medienzentrum gemeinsam mit dem FotoForum in Innsbruck. Jedes Jahr wird ein Projekt entworfen. Das Projekt „Zwischen Vorstellung und Wirklichkeit“ ist in den Jahren 2011 und 2012 entstanden. Diese 88 Panoramen.
10 freiwilligen Fotografen - die Fotodokumentationsstelle arbeitet mit Fotografen, die unentgeltlich unterwegs sind - wurden Punkte in den Landesteilen von Tirol zugewiesen. Sie konnten sich ihre Motive also nicht freiwillig aussuchen. Allerdings mussten sie diese Punkte suchen, und zwar mittels GPS, mit der Unterstützung von Satelliten.
Über Nord-, Süd- und Osttirol wurde, so die Projektidee, ein Raster gelegt. Breitengrade und Längengrade und zwar in einem Abstand von 10 Minuten. Ein Beispiel: Das Panorama, welches oben abgebildet ist, hat die Koordinaten 46 Grad und 30 Minuten nördlicher Breite und 10 Grad und 30 Minuten östlicher Länge. s30 4060Das Bild oben hat der passionierte Hobbyfotograf und Mitarbeiter des Vinschgerwind  Andreas Waldner aufgenommen. Zu diesem kommen 17 weitere Panoramen hinzu. Andreas Waldner hat in den drei Landesteilen möglicherweise Orte betreten, an denen vorher noch keinMensch war. Waldner hat demnach einen erheblichen Beitrag an diesem Projekt geleistet.
Das oben beschriebene Niemandsland wird dann deutlich, wenn sich von den Aufnahmen Waldners nur ein einziges in besiedeltem Land wiederfindet: im Park des 5-Sterne-Hotels Mignon in Meran.
Die Eigenartigkeit der Bilder fasziniert dennoch. Aus Hängen sind beim Zusammenfügen der Bilder Hügel geworden. Die Mitte jedes Bildes ist Norden - links und rechts am Rande ist Süden.
Für die Fotografen, so auch für Andreas Waldner, war es eine Herausforderung. Denn das Betreten eines vorerst unbekannten Zieles, eines Zieles, welches nur aus Koordinaten bestand und von dem man sich kein Bild machen konnte, weckte höchste Neugier. Letztlich hatten sich die Fotografen den Projektvorgaben zu unterwerfen. An manchen Punkten wären „bessere“ Fotos enstanden, wenn man sich etwas nach links oder etwas nach rechts bewegt hätte, erzählt Waldner.
Die Fotografen Claudia Fritz, Heinz Jörgen Hafele, Markus Jenewein, Anton Kiefer, Martin Konrad, Werner Neururer, Gerhard Payr, Josef Sieß, Michael Tobisch und Andreas Waldner haben zu den einzelnen Aufnahmen kurze Tagebucheinträge geführt. Ein Eintrag sei hier stellvertretend zitiert, allein, weil das Aufsuchen der Rasterpunkte teilweise abenteuerlich gewesen ist.
Andreas Waldner sucht den Punkt N46°50‘ E10°40‘ - Seehöhe 1973 m - sonniges Wetter, Windstille, 17°C
„Ich fahre 10 Minuten mit dem Auto von St. Valentin auf der Haide nach Melag in Langtaufers. Zu Fuß weiter in Richtung Melager Alm. Auf der Höhe vom Klettergarten orografisch rechts den Steilhang 300 m hoch.  Den Standpunkt 53 habe ich punktgenau gefunden, aber den Nodal-Adapter verloren. Also nix mit fotografieren.
Nun begann  um 10 Uhr die verzweifelte Suche. Der neue Adapter hatte immerhin  170 €  gekostet. Ich konnte den genauen Aufstieg nicht mehr finden, weil ich beim Aufsteigen die ganze Konzentration aufs GPS-Gerät richtete. Um 12 Uhr muss ich in Mals sein. Also schnell, aber trotzdem suchend zurück ins Tal. An der Karlinbachbrücke fand ich meine Spur im Schnee. Also konnte ich wenigsten die Strecke von der Melager Alm nach Melag genau absuchen. Ergebnislos. So fuhr ich nach Mals, anschließend zum Mittagessen nach St. Valentin. Den Adapter muss ich finden!!!
So starte ich um 1.30 Uhr erneut nach Langtaufers. Von der besagten Brücke stieg ich in sehr langen Serpentinen, alles absuchend, zum Standpunkt 53. Ich finde Ohrmarken, Knochen, Luftballonreste, aber keinen Adapter. Vom Standpunkt wieder ins Tal, in noch größeren und engeren Serpentinen.
Ergebnislos komme ich wieder an der Karlinbrücke an. Hoffnungslos schaute ich von der Brück zurück, den Spuren von heute Morgen folgend. Sie enden in einer aperen Sandbank. Da liegt etwas. Ich gehe hin. Und siehe da, es ist der Adapter. Ich steige zum dritten Mal zum Standpunkt 53, um die Fotos zu machen.“

 

INFO
Die Ausstellung im Alpinarium von Galtür ist bis zum 10. Juli 2013 zu sehen.
Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 18 Uhr
Montag Ruhetag
Das Alpinarium Galtür ist ein multifunktionelles Gebäude, das in Folge des Lawinenunglückes entstanden ist. In die Lawinenschutzmauer wurde ein Informations- und Dokumentationszentrum integriert.
Unter landesfotodoku.tsn.at sind alle Projekte online zu sehen

 


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