Montag, 13 Mai 2013 09:06

Zuhause im Bergfried

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s35 12 638neuDer Name der Burg Latsch fällt immer dann, wenn von vorbildlicher Sanierung im Vinschgau die Rede ist. Mehrere Jahre dauerte die intensive Planungs- und Bauphase der einzigen Wasserburg im Vinschgau, die über 900 Jahre auf ihrem Buckel trägt. Das Ergebnis darf stolz machen: Respekt vor alter Bausubstanz, Konsequenz im Einsatz natürlicher Baumaterialien und Wissen um die Einzigartigkeit der Burg begleiteten die Bauherren Irmi und Klaus Oberhofer und den Architekten Simon Wellenzohn.

 

von Angelika Ploner

 


Über die Burg Latsch erzählt man sich Folgendes: Die einstigen Besitzer der Burg, das waren die von Breitenberg, ein Adelsgeschlecht aus Bozen. Einer dieser von Breitenberg soll eine geheime Liebschaft gehabt haben und zwar mit einer Dame, die auf Schloss Juval residierte. Um sich heimlich zu verabreden sandte man sich – damals vor über 100 Jahren - Leuchtsignale zu. Und steht man ganz oben auf dem Dach der Burg Latsch und blickt durch die Zinnen talauswärts, dann kann man die Umrisse von Schloss Juval erspähen, dort am Bergrücken des Juvaler Hügels, nach dessen Bewohnerin man einst schmachtete. Das nur am Rande erwähnt.


s35 12 600Heute bewohnen die Burg Latsch, deren Ursprünge im 11. Jahrhundert vermutet werden, drei Generationen: Irmi und Klaus Oberhofer mit ihren vier Kindern und die Eltern Frieda und Leo Oberhofer. Ganze drei Jahre lang – von 2004 bis 2007 – sanierte man die Burg Latsch grundlegend, seitdem zieht sie die Aufmerksamkeit auf sich und ist lohnendes Beispiel einer äußerst gelungenen Sanierung.
Verwinkelt tritt sie auf, die Burg mit Bergfried, Nebengebäude, Verbindungsteil, die das Ensemble bilden und sich in sieben Ebenen gliedern. Die Treppen – in all ihren Variationen - sind das zentrale Thema im Inneren, sind jenes Element, das Architekt Simon Wellenzohn zelebriert hat. „Die Stiege sollte nicht nur als Weg nach oben oder unten dienen, sondern das Gebäude erlebbar machen“, erklärt Wellenzohn, „wie ein Erlebnisweg.“ Das geht soweit, dass die letzte Treppe, jene, die bis auf die Dachterrasse – auf das zinnengekrönte Haupt des Bergfrieds - führt, wie eine Leiter mit höhenversetzten Stufen ausgeführt ist, „um das Hinaufklettern auf einen besonderen Ort zu s35 12 556s35 12 549unterstreichen.“ Mit der Treppe hat Wellenzohn die Räume in der Burg Latsch aufgefädelt, „wie eine alte Perlenkette, wo die Perlen verstreut daliegen und wieder zu einer schönen Kette aufgefädelt werden wollen.“ Fast alle Treppen sind mit einer Zusatzfunktion ausgestattet: als Schuhschrank, als Küchenschrank, dann wieder als Wohnzimmerschrank.
Bei einer Sanierung, ist Simon Wellenzohn überzeugt, hat der Architekt die primäre Aufgabe Situationen zu schaffen, wo der Bau erzählen darf. Von seiner Vergangenheit, die damit Zukunft wird. Die Burg Latsch darf erzählen: Der Bergfried trägt in seinem Inneren die jahrhundertealten Steinmauern auf Sicht. Ein Brandfleck in der Küche, Überbleibsel vom Dorfbrand in Latsch 1770, zieht in einer Nische besondere Aufmerksamkeit auf sich. Das einstige Plumpsklo im Freien, der Aborterker, wo man die Schwerkraft direkt nutzte, ist heute Balkon. Dort, wo es möglich war, geht man auf den alten Böden, die abgetragen, nummeriert, restauriert und wieder zusammengefügt wurden. Abgelaugte, jahrhundertealte Türen öffnen Räume, die nur erahnen lassen, wie man damals vor hunderten von Jahren gelebt haben dürfte.  Das Treppengeländer - herübergerettet in die heutige Zeit – gibt Halt beim Erkunden und Entdecken. Und ausschließlich natürliche Materialien – wie sie bei der Sanierung zum Vorschein kamen - Schilfmatten, Kalkanstriche, Lehmputze und Estrich wie er in alten Kirchen und Schlössern zu finden ist, sind verantwortlich für das wohnliche, angenehme, gesunde Klima im Inneren. Im Winter sorgen Wand-, Sockelleisten- und Bodenheizungen, die von einer autonomen Hackschnitzelanlage gespeist werden, für wohlige Wärme. Ein Ofen aus dem Jahr 1880 ist im Heizungskonzept integriert. Doch bis in den Dezember hinein geben die Steinmauern, die bis zu 1,20 Meter dick sind, jene Wärme an die Räume ab, die sie über den ganzen Sommer hindurch gespeichert haben. Dieses Steinmauerwerk halten Eisenschleudern zusammen und geben statische Sicherheit. Fünf Decken hat man im Bergfried, Turm nennen ihn Irmi und Klaus Oberhofer, neu eingezogen, ausgeführt in einer Holz-Beton-Verbunddecke. Holzbalken mit sieben  Metern Spannweite sind verbunden mit einer Betonplatte. Die Holzbalken nehmen dabei die Zugkräfte auf, während der Beton als Druckplatte wirkt. Und ganz nebenbei erwähnt: Die Burg hat kein Fundament.
s35 12 621Viel Eigenleistung steckt hinter der Sanierung. Man sei mit der Bauaufgabe gewachsen, betonen Irmi und Klaus Oberhofer. Trotz komplexer Bauaufgabe, statischer Herausforderung, intensiver Planung, Bauleitung und den vielen Auflagen des Denkmalamts: Das Ergebnis macht stolz.
Eine intensive Zusammenarbeit zwischen Denkmalamt, Bauherren und Architekt war die Voraussetzung für dieses Ergebnis. Und der Anspruch, das beste Resultat herauszuholen. Damit schließt sich der Kreis zur biologischen Landwirtschaft, die das Paar betreibt und ihren Bioprodukten: dem EVA-Apfelsaft und EVA-Apfel-Johannisbeersaft. Auch hier ist der Anspruch, das Beste herauszuholen, ständiger Begleiter.
Die neuen Elemente in der Burg Latsch tragen Stahl und Glas. „Glas haben wir vor allem verwendet, um viel Licht hereinzuholen“, erklärt Wellenzohn. Daneben sorgen ganze 48 Fenster für Helligkeit in den Räumen. Alle 48 haben eine andere Größe und tragen außen die für die Burg Latsch typische Farbe Rot. Daneben prangt auf der dorfzugewandten Seite das Wappen der Annenberger: drei rote Rosen auf einem Ast. Die Annenberger waren im 14. und 15. Jahrhundert die Besitzer der Burg Latsch. Und die Sage erzählt, dass einst ein Burgherr mit den Kreuzfahrern ins Heilige Land zog und eines Tages, früher als erwartet, in sein Schloss zurückkehrte. Anna, seine Frau, hieß ihn willkommen. Sie führte ihn glückstrahlend ins Schlafgemach zu einer Wiege, in der ein herziger Knabe lag, den sie ihm als Erstgeborenen vorstellte. Der Ritter wurde aber sofort argwöhnisch und schenkte den Worten der erschrockenen Gattin keinen Glauben. Von Eifersucht gepackt, warf er einen dürren Ast, den er zufällig in der Hand hielt, zornig auf den Boden und rief : „Wenn dieser Ast Rosen trägt, werde ich dir glauben, sonst nicht“ und stürmte zur Tür hinaus. Die junge Frau vertraute in ihrer Unschuld auf Gott und betete voll Inbrunst um ein Zeichen vom Himmel, das ihren Mann überzeugen könnte. Und siehe da, tags darauf  blühten aus dem dürren Ast drei schöne, rote Rosen. Als dies der Ritter sah, bat er beschämt seine Gattin um Vergebung. Das Wappen der Annenberger wurde zu jenem der Gemeinde Latsch.

 

s35 12 575Die Burg Latsch kurzer geschichtlicher Abriss
-    Vermutung: Turm aus dem 10. Jahrhundert
-    1175-1327 die Herrn von Laz, erste schriftliche Erwähnung 1208 Chuno von Laz
-    1327 – 1695 Herrn von Annaberg
-    1695 – 1826 Grafen von Hendl
-    1770: Der große  Dorfbrand zerstörte alle Gebäude vom Roten Schloss bis zur Burg Latsch und die Pfarrkirche völlig.
-    1843 – 1948 Familien von Martin bzw. von Breitenberg
-    seit 1948 ist die Burg Latsch im Besitz der Familie Oberhofer

 


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