Mittwoch, 09 Januar 2013 00:00

„… christlich leben und lei olle zwoatn Tog a Schweinsbratele…“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

Portrait - Josef Raffeiner, Latsch

s15_649Auf die Frage, was man tun muss, um im hohen Alter rüstig zu bleiben, antwortet Josef Raffeiner, ehemals Gemeindesekretär der Gemeinde Latsch und stolze 92 Jahre alt, mit einem Schmunzeln: „Jo holt christlich leben und lei olle zwoatn Tog a Schweinsbratele essen“.
Josef Raffeiner, geboren im April 1920 in Latsch, besuchte nach der Grundschule in Latsch das Johanneum in Dorf Tirol. Er maturierte dort und machte später die Ausbildung zum Gemeindesekretär und war damit einer der wenigen deutschsprachigen Gemeindesekretäre jener Zeit. Vorerst verschlug es Josef jedoch in die Schule.

Als junger Lehrer wurde er auch nach Göflan versetzt, um dort mit allerhöchster Anweisung vom Schulamt „einmal ordentlich aufzuraumen“. In Göflan besuchten nämlich besonders aufmüpfige Kinder die Volksschule, die zuvor bereits eine Lehrerin vergrault hatten. Ein Schuljahr verbrachte Josef in Göflan und erntete Anerkennung auch von den Müttern, die ihn zum Dank mit Kuchen beschenkten. Nach ihm sollte nämlich wieder eine Frau in der Schule landen können, hieß es. Seine Lehrerkarriere beendete Josef 1943, als die Einberufung nicht mehr aufgeschoben werden konnte. Er wurde zur Dolmetscherkompanie nach Graz berufen, wo er die Militärausbildung zum Dolmetscher für Deutsch und Italienisch machte. Daraufhin folgten verschiedene Einsätze, unter anderem im sogenannten „Wehrmachtsarchiv“, das der Deckname für den Deutschen Geheimdienst in Triest war. Dort musste er bei Verhören mit italienischen Partisanen dabei sein. Die Frage seiner Vorgesetzten, ob er Blut sehen könne, musste Josef verneinen, und somit wurde er glücklicherweise alsbald von den Verhören der Partisanen abgezogen. Eine seiner Hauptaufgaben war, geheime Berichte von sogenannten V-Männern (Vertrauensmänner/Spione) ins Deutsche zu übersetzen. Oft wurde er deshalb mitten in der Nacht aufgeweckt, da die Informationen meistens besonders aktuell und brisant waren. Häufig konnten dadurch Überfälle abgewehrt werden. Es folgten Einsätze bei der Abteilung für Wasser und Gas und bei der Abteilung Schiffsbau. Bei letzterer erlitt Josef regelrecht „Schiffsbruch“, wie er heute die damalige Situation beschreibt. Als Dolmetscher sollte er Namen der Schiffsteile ins Italienische übersetzen und bei Unternehmen bestellen, deren Wortlaut er nicht einmal im Deutschen kannte, folglich auch den italienischen Begriff nicht wusste. Häufig wurde er von seinem Vorgesetzten in ein „richtiges Partisanennest“ geschickt, um mit den Unternehmen, welche die Schiffsteile herstellten, zu verhandeln. Eigentlich hätte er nie ohne Personenschutz dorthin gehen dürfen, da es zu gefährlich war. Er fuhr aber absichtlich alleine und unbewaffnet und suchte im Zug das Gespräch mit den Einheimischen, so dass diese ihn sofort als ungefährlichen und sympathischen jungen Mann einstuften. Mit diesem geschickten kleinen Trick kam Josef jedes Mal unbeschadet wieder zurück.
Das Ende des Krieges 1945 erlebte der damals 25-Jährige in München, das aufs Schlimmste bombardiert  wurde. Zu Fuß ging er schließlich bis nach Innsbruck, wo er auf eine Mitfahrgelegenheit nach Südtirol hoffte. Inzwischen war auch das Geld knapp geworden. Um sich einige Mahlzeiten zu verdienen, fütterte er für einige Zeit Schweine in der Nähe des Innsbrucker Flughafens. Dort war auch das Durchgangslager, wo Josef immer wieder beobachtete, wie die italienischen Lagerinsassen mit LKWs nach Hause transportiert wurden. Er hoffte auf eine Mitfahrgelegenheit, doch die wurde ihm versagt, also schlich er sich in einem unbeobachteten Moment auf das Lastauto und fuhr als Schwarzfahrer bis nach Bozen mit, wo er auf abenteuerliche Weise vom fahrenden Auto sprang. Zwar wurde beim Durchzählen der Passagiere bemerkt, dass einer zu viel auf dem Lastauto saß, glücklicherweise war es den Kontrolleuren aber zu mühsam herauszufinden, warum.  Ende Juni kam Josef schließlich in Latsch an, wo ihn seine Eltern in die Arme schließen konnten. Nun hieß es, eine neue Lebensaufgabe zu finden. Das Unterrichten war nie sein Berufswunsch gewesen und deutsche Gemeindesekretäre wurden nur sehr wenige gebraucht. Auch in Latsch war zu jener Zeit ein italienischer Gemeindesekretär angestellt. Ende des Jahres 1945 wurde allerdings ein deutscher Bürgermeister ernannt. Aufgrund seiner Italienischkenntnisse wurde Josef deshalb bald in der Gemeindeverwaltung benötigt, um die italienische Post zu lesen und zu übersetzen. Bald wurde er zu diesem Zweck fest angestellt. Heute erinnert er sich daran, wie der italienische Gemeindesekretär eines Tages eine Zugfahrt antreten musste und dabei vorher noch die Toilette in der Bahnhofsbar bei der Mitzi benützte. Dort fand er fast seinen gesamten Briefverkehr als Toilettenpapier vor. Daraufhin schickte er Josef ins Archiv, um zu kontrollieren, was mit seinen Briefen geschehen sei. Im Archiv war allerdings nichts mehr zu finden. Bald war klar, dass die damalige Schuldienerin – das Archiv befand sich im Schulhaus- dem Alkohol nicht abgeneigt war und die Briefe in der Bahnhofsbar gegen Wein getauscht hatte.
Erst im Jahr 1959 wurde Josef Raffeiner schließlich Gemeindesekretär in Latsch. Zuvor nahm er das Angebot der Gemeinde Dorf Tirol an und arbeitete dort. Heute genießt der Vater von fünf Kindern und etlichen Enkelkindern den Ruhestand. Diesen verbringt er großteils mit der Lektüre verschiedener Zeitungen und Zeitschriften. Auch im Internet liest er regelmäßig die Neuigkeiten des Tages nach.
Und der tägliche Spaziergang darf natürlich auch nicht zu kurz kommen, denn christlich leben und genügsam essen allein machen eben auch kein langes Leben. 

Monika Feierabend

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3304 mal
Mehr in dieser Kategorie: « Seitenwind Mit Vorsicht ins neue Jahr »

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 25-24

titel Vinschgerwind 24-24

titel vinschgerwind 23-24

 weihnachtsbroschüre 2024

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.