Genie und Wahnsinn

geschrieben von Ausgabe 4-19

P1020583Der italienische Arzt und Psychiater Cesare Lombroso (1836-1909) schreibt ein Buch mit dem Titel „Genie und Wahnsinn“, in dem er die These vertritt, dass zwischen Genie und Irrsinn ein Zusammenhang besteht.


Gabriele Gabriele d‘Annunzio ist so ein Genie, in dem der Wahnsinn sichtbar wird, nicht zwar in pathologischer Form, wohl aber in der maßlosen Übersteigerung des Selbstbewusstseins. Wer seine Villa am Gardasee besichtigt und erlebt, kann daran nicht mehr zweifeln.
Er war ein „Genius des Krieges“, ein Kriegsheld, Dichter, Liebhaber ... selbstherrlicher Parvenü, also ein Emporkömmling, der vom Faschismus, von Mussolini und anderen Verehren bis zur Peinlichkeit hochgelobt wurde, von Frauen verehrt, die sich ihm kriechend nähern mussten. Er wurde sogar vom italienischen König geadelt und bekam den Titel Principe di Montenevoso.
Nach Kriegsende führte er im September 1919 eine Gruppe Freischärler, die so genannten Arditi, sowie Teile der regulären italienischen Armee bei der Besetzung der Adria-Stadt Fiume an.
Nachdem Gabriele d‘Annunzio sich nach dieser militärischen Intervention durch die italienische Regierung im Dezember 1920 gezwungen sah, die Stadt zu verlassen, nahm er die beschlagnahmte Villa eines deutschen Musikhistorikers bei Gardone Riviera am Gardasee in Besitz und begann zu bauen. Alles auf Kosten des Staates, vergrößerte immer wieder und so entstand ein Labyrinth mit Gartenpalast und Freilichttheater, eine Kultstätte, die heute als italienisches Nationalheiligtum gilt: Il Vittoriale IMG 0479degli Italiani „das Sieges-Denkmal der Italiener“.
Eigentlich ist es ein Grabmal. Nicht nur wegen der viele Anlehnungen an alte ägyptische Grabkammern. Ein architektonisches Element erinnert an das „purgatorio“ in Dantes Divina Commedia.
Gabriele d‘Annunzio (1863-1938) fühlte sich als Renaissancemensch ohne moralische Schranken, als Übermensch auch auf dem Gebiet der Literatur. Bald stehen wir erschöpft vor dem Eingang des Geniegrabes, nachdem wir vorher durch die geheiligten Räume des Vittoriale geführt wurden. Fotografieren verboten. Wir bekamen aber freundliche Aufklärung. Übervolle Räume, gedämpftes Licht durch teure Muranoglasscheiben. Dann erweckt ein besonderer Raum die Aufmerksamkeit der Besucher. Es ist die Küche, der einzige Raum, den der Principe Gableriele Gabriele d‘Annunzio selbst niemals betreten hat.
Berühmt ist sein Flug kurz vor dem Ende des 1. Weltkrieges: Zehn einsitzige und ein zweisitziger Doppeldecker mit Gabriele d‘Annunzio als Beifahrer überfliegen am 9. August 1918 Wien und werfen über die feindliche Hauptstadt nicht Bomben ab, sondern Flugzettel mit der Aufforderung zum Frieden.
Als Dichter und Dramaturg war er seinen Zeitgenossen ein Halbgott, genannt „Il Vate“ oder il „Poeta“. Sein Stil ist elegisch, pathetisch, symbolisierend, dekadent ästhetisch. Um schon früh mit einem veröffentlichten Gedichtband berühmt zu werden, ließ er sich nach einem angeblichen Sturz vom Pferd für tot melden.
Wir sind ganz erschöpft nach dem Besuch des Heiligtums am Gardasee. Bestattet ist er auf der Anhöhe des eigenen Anwesens, in einem Mausoleum, das jenes des Cesare Battisti über Trient in den Schatten stellt.
Im Gespräch wird nach ähnlichen Vorbildern in unserem Land gefragt. Aber mir fällt nur das Gegenteil ein: Ein Seher, ein Wissender, ein Prophet, eine Gestalt, mit Verständnis für all die menschlichen Eitelkeiten ... es ist der von Peppi Tischler erfundene „Schnauzer“. In der kürzlich erschienen Sammlung (25 Jahre-Der Schnauzer ISBN 979-12-200-3843-0) mit Zeichnungen und Aphorismen lesen wir. „Am lautesten singen immer die, die falsch singen.“
Peppi Tischler NorggenZu diesem Vergleich angeregt hat mich die Mitteilung von einem geplanten Porträt für eine „verdienstvolle“ Persönlichkeit unseres Landes. Gottfried Bonell, angesehener Landschaftsmaler und Porträtist, verewigt Bildnisse von Äbten, Politikern, Größen der Wirtschaft und Kultur. Und so sollte er sich wieder einmal der mühevollen Studienarbeit eines wichtigen Kopfes widmen. Dabei werden allerlei Gespräche geführt; der wichtige Herr will auch etwas beitragen. „Ich habe vorgearbeitet“, sagte er zum Maler, „Ich habe bereits den Rahmen für das Bild anfertigen lassen, einen großen Barockrahmen in Gold... er kostete mehr als 40.000€ „. Aus der Porträtstudie wurde nichts. Der Maler fühlte sich eingeengt und verkannt.
Es gibt Grenzen des guten Geschmackes und wer den verletzt, den strafen die Dämonen der Kunst. Es ist so wie in der Sagenwelt, in der es allerhand Geister gibt, gute und hilfreiche, aber auch böse und tückische. Es sind die Nörggelen oder Norggen, die sich überall einmischen und die es besonders im Dolomitenraum und im Vinschgau gibt.
Peppi Tischler bekam 1995 von der ARUNDA den Auftrag, die Sagen aus dem Vinschgau neu zu illustrieren. Das war keine leichte Aufgabe. Aber er erinnerte sich an die Erzählungen seiner Kortscher Mutter und seines Münstertaler Vaters. Im Darstellen der tückischen Zwerge, die einen Fuhrmann an der Arbeit hinderten, entwickelte Tischler eine Frühform des Schnauzers. Die Norggen sind die Urtiroler, sie sind zuständig für alle Lebensbereiche und dürfen nicht beleidigt werden. Vor allem nicht durch Maßlosigkeit. Dann kommt die Rache, der Niedergang. Gute Geister verwandeln sich in böse Norggen.
Aber der Peppi Tischler widmet sich allen Lebenslagen, lässt sich auch von den Teilnehmern der Meraner „Stehweingesellschaft“ beraten. Man trinkt also ein gutes Gläschen, versucht den wichtigen Tagesthemen beizukommen. In Peppis Gehirn bilden sich sofort zeichnerische Gestalten, formelhaft und dann hat er es, die Lösung, als Zeichnung oder als Aphorismus: „Im Gegensatz zum Gehirn meldet sich der Magen, wenn er leer ist.“
Peppi Tischler BritenAlso der Schnauzer, ein gutmütiges Männchen, eine Symbolgestalt aus alpiner Spiritualität, geistreich, verständnisvoll: „Wer seinen eigenen Wert kennt, nimmt auch den Wert anderer wahr“. Dazu die Zeichnung, auf der zwei Schnauzer gezeigt werden, der übliche Tiroler in Tracht und daneben ein Carabinieri mit Federhut, ebenfalls in Tracht mit der Widmung „Hommage“ an General Massimo Mennitti, der aus dem Vinschgau stammt.
Hans Wielander

{jcomments on}

Gelesen 8184 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 25-24

titel Vinschgerwind 24-24

titel vinschgerwind 23-24

 weihnachtsbroschüre 2024

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.