„Ich bin dann mal weg...“

geschrieben von Ausgabe 3-19

s17 134343Der gebürtige Berliner Andreas Zeidler ist als Koch in Sulden gelandet. Mittlerweile ist er
Liftmann und wohnt im Oberland. „Wat-nu“ ist sein Spitzname. Zeidler engagiert sich beim Weißen Kreuz Sulden und bei der Feuerwehr in Graun.

von Cornelia Knoll

Es ist der 29. Mai 2004 als Andreas Zeidler das erste Mal nach Sulden fährt um zu seiner neuen Arbeitsstelle zu gelangen. Bitterkalt ist es, es schneit kräftig und es stürmt vom Ortler herunter.

So gar nicht nach Frühling fühlt es sich an, während der junge Brandenburger verfroren zum Hotel stapft, in welchem er nun als 2. Koch sein Brot verdienen soll. Und doch, Andreas der junge 19-jährige Berliner hat nun sein lang ersehntes Ziel erreicht, endlich außerhalb Deutschland arbeiten zu dürfen.
Damals, nach seiner Kochlehre in Ostberlin, sagte man ihm, er solle doch ins Ausland gehen um neue Arten des Kochens zu erlenen. Nach Italien, nach Südtirol solle er gehen. Dort verdiene man gut, bräuchte dringend Köche und dort würde man auch die deutsche Sprache sprechen.
Das mit der deutschen Sprache scheint nun aber doch nicht ganz so einfach zu sein, findet der neue Koch an seinem 1. Arbeitstag. Denn so richtig Deutsch sprechen seine neuen Küchenmitarbeiter und die Einheimischen gar nicht, bemerkt Andreas überrascht. Erst langsam in den nächsten Jahren wird auch er ihren Vinschger Dialekt langsam verstehen und sprechen lernen. Genauso ergeht es jedoch auch seinem Gegenüber. Der breite und ganz eigene Berliner Dialekt des neuen Koches sorgt oft für so manch lustiges Missverständnis und bringt ihm eines schönen Tages seinen allgemein bekannten Spitznamen „WAT-NU“ ein.
Denn immer wenn Andreas wieder eines dieser unverständlichen „Vinschger-Kauderdeutsch-Worte“ nicht versteht, antwortet er einfach fröhlich mit einem locker flockigen Berliner-“WAT-NU?“ Was soviel bedeutet wie „UND NUN?“
Die Jahre vergehen. Andreas Zeidler hat längst Vinschgerisch gelernt, wird trotzdem noch WAT-NU gerufen und arbeitet saisonsbedingt in verschiedenen Gasthäusern in Sulden, im Obervinschgau und in Schlanders. Die italienische Sprache lässt er sich von neugewonnenen Suldner Freunden am Feierabend beibringen.
Dem Rettungsdienst“ Weißes Kreuz Sulden“ tritt er 2005 als freiwilliger Helfer bei. Dort findet er neue Kollegen die ihm bald seine besten Freunde und Stütze werden. Jede freie Minute, jeden freien Tag verbringt er dort in der Rettungsstelle, absolviert alle erforderlichen Kurse und ist schon bald als fleißiger Rettungshelfer nicht mehr wegzudenken.
„Das soziale Helfen liegt wohl in der Familie“, sagt Andreas. “Meine Mutter ist Altenpflegerin und von ihr werd I wohl das Gen des Helfens geerbt haben. “Seine Eltern sind stolz auf ihren weitgereisten, fleißigen Sohn.
Fleißig ist Andreas auch als Feuerwehrmann bei der freiwilligen Feuerwehr Graun, welcher er 2011 beigetreten ist, sowie als Rettungshelfer und Ausschussmitglied des Weißen Kreuzes Oberland.
„Jo, langweilig weards mir wirklich nicht“, ploudert er im gemischten Vinschgerisch-Berliner Dialekt und zeigt mir seinen übervollen Terminkalender. Darin sind haufenweise, freiwillige Tag und Nachtdienste der Vereine in Sulden und dem Vinschger Oberland eingetragen.
Im Oberland, in St . Valentin hat Andreas nun auch seine Bleibe in einer schönen Mietwohnung gefunden. Von dort fährt er seit 7 Jahren täglich und in aller Früh nach Sulden um als Liftwart beim Cevedalelift zu arbeiten. Es ist ein kleiner beliebter Übungshang, neben der Seilbahn Sulden wo viel interessante Arbeit auf den ehemaligen 2. Koch wartet.
Das 220 m lange Förderband auf dem die Kinder und Skianfänger auf den Berg gefahren werden, muss von ihm überwacht werden. Skikarten werden verkauft und kontrolliert, sowie die Betriebscomputeranlage mit großem Wissen bedient.
Eine tolle Arbeit erzählt Andreas. Ihm gefalle diese komplexe und vielseitige Arbeit als Liftwart, sowie der tägliche Kontakt mit vielen Skisportlern in der Wintersaison.
In den Sommermonaten hingegen verdient der talentierte Ostberliner sein Geld als Hirte auf verschiedenen Almen. In Gröden und im Vinschgau melkt und hütet er Kühe, bewirtschaftet die Almen und bedient durstige und hungrige Wanderer. Nach einer Ausbildung in der Fürstenburg ist er seit 2018 sogar als neugebackener Senn auf der UPI Alm im Matschertal tätig.
Ob er denn nie Heimweh nach Zuhause, nach Ostberlin hätte?, frage ich ihn…“Neee, gor nicht, behauptet Andreas …I bin iatz do Zuhause, honn Freunde und Orbeit und fühl mich echt wohl“. Seine Eltern, denen er vor 15 Jahren gesagt hatte: „Ich bin dann mal weg“, seien inzwischen einverstanden mit der Wahl ihres Sohnes und kommen ihn alle 2 Jahre in seiner neuen Heimat besuchen.
„A bissl schwer verstehen tun sie mich iatz“, grinst der Neo-Vinschger schelmisch.“Sie sagen ich solle doch wieder richtig Deitsch lernen…“
Wenn er gefragt wird, als was er sich denn fühle?...als Oberländer, als Suldner, oder als „Deitscher“?, dann antwortet „Wat-NU“ meist so: „I fühle mich ofteramal als Inventar für die jeweilige Gemeinschaft. Wenn sie mich irgendwo brauchen nehmen sie mich aus dem Schrank und dann bin i da für Sie. So wie sie eben a für mich da sind.“

 

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