Dienstag, 15 Mai 2018 12:00

„Jeder sollte über seinen Blutdruck Bescheid wissen“

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s10 5072Krankenhaus Schlanders/Vinschgau

Vinschgerwind: Herr Dr. Pieramico, Herr Dr. Weiss, Herr Dr. Barolo - leiden Sie an Bluthochdruck?
Oreste Pieramico: Ja. Ich habe Beschwerden, die sich vor 6 Jahren bemerkbar gemacht haben. Die Blutdruckmessung hat ergeben, dass ich zu hohen Blutdruck habe.
Stefano Barolo: Nein, ich habe normalen Blutdruck.
Helmuth Weiss: Ich habe einen eher zu niedrigen Blutdruck.

Vinschgerwind: Man sagt, Hypertonie bzw. Bluthochdruck ist die Zivilisationskrankheit Nummer 1. Kaum jemand bemerkt, dass er oder sie einen zu hohen Blutdruck hat. Die Zivilisationskrankheit Nummer 1 bleibt also unbemerkt?
Barolo: Das ist richtig. Bluthochdruck ist die erste Ursache für Erkrankungen am Herzen und an den Blutgefäßen. Bluthochdruck bleibt unbemerkt, weil sich zunächst keine Symptome bemerkbar machen. Ein Titelbild des „Time“-Magazins stellte kürzlich eine Pistole an der Schläfe einer Person dar mit der Überschrift „Bluthochdruck - der leise Killer“. Ganz selten macht sich Bluthochdruck bemerkbar, bei chronisch Kranken etwa.
Vinschgerwind: Man spürt also selbst keine Symptome...
Barolo: Sehr selten...
Vinschgerwind: Erkennen Sie als Ärzte auf Anhieb Bluthochdruck bei Personen?
Pieramico: Nein, Bluthochdruck kann man von außen nicht erkennen. Das können wir höchstens von anderen Indikationen, Schwindelgefühl oder Kopfschmerzen etwa,  erahnen. Blutdruck muss man messen. Hoher Blutdruck kann auch keine Symptome zeigen. Deshalb ist es wichtig, dass die Leute regelmäßig ihren Blutdruck kontrollieren, sei es beim Hausarzt, in der Apotheke oder selber messen.

Vinschgerwind: Herr Dr. Weiss, man schätzt, dass ein gutes Drittel der Bevölkerung an hohem Blutdruck leidet.
Weiss: Die Hälfte davon weiß es, die andere Hälfte weiß es nicht. Und die Hälfte von denen, die es wissen, sind in Behandlung, und die Hälfte von den Behandelten sind schlecht behandelt. Dies kann man aus großen nationalen Studien ableiten.

Vinschgerwind: Wenn wir lokal bleiben, gibt es im Vinschgau mehr als 10.000 Leute mit Bluthochdruck.
Weiss: In der laufenden Chris-Studie ist rund die Hälfte der Bevölkerung erfasst und Bluthochdruck ist einer der Parameter. Da ist in etwa das herausgekommen, dass es die Hälfte der Betroffenen weiß und die andere nicht. Das heißt, der Vinschgau unterscheidet sich nicht von anderen Ländern. Dazu ist zu sagen, der Bluthochdruck ist nicht nur eine Zivilisationskrankheit, sondern eine polygenetisch fixierte Krankheit, die auch unter Umwelteinflüssen zum Vorschein kommt. Zum Bluthochdruck kommen andere Zivilastionskrankheiten hinzu, Diabetes, Cholesterin, das Übergewicht, der Fettstoffwechsel, die Fettleber - da sind wir schon bei Symptomen, die man bei den meisten Patienten sieht. Man sieht eine Konstellation von Zivilisationskrankheiten, zu denen eben auch der Bluthochdruck zählt. Man weiß also von Krankheiten in der Familie...
Pieramico: Zu dem, was Dr. Weiss gesagt hat, passt dieses „Der leise Killer“ genau. Die Leute, die über ihren Bluthochdruck Bescheid wissen, sind die Spitze des  Eisberges.

Vinschgerwind: Herr Dr. Barolo, was raten Sie den Leuten im Allgemeinen?
Barolo: Wir raten allen, den Blutdruck messen zu lassen oder selber zu messen. Und auch, dass diese Messung richtig gemacht wird.
Vinschgerwind: Sollen die Leute einen Arzt aufsuchen?
Barolo: Vielleicht ein erstes Mal zum Hausarzt oder in den Gesundheitssprengeln. Der Arzt wird sich dann eine viertel Stunde Zeit nehmen, um auch zu erklären, wie man den Blutdruck richtig misst. Die richtige Messung ist grundlegend: In einer Ruheposition sollten mindestens zwei, am besten drei Messungen in einem gewissen Zeitabstand gemacht werden. Wer selbst den Blutdruck misst, sollte sich zu Hause eine Zeit von 10 Minuten dafür nehmen. Sollte der Blutdruck bei der dritten Messung 135/85  oder 140/90 ergeben, ist erhöhter Blutdruck gegeben. Sollte dieser Wert gegeben sein zum Beispiel bei einem 40-Jährigen, der nicht raucht, der keinen erhöhten Cholesterinspiegel hat, der keinen Diabetes hat, dann sage ich diesem Patienten, dass er sich mehr bewegen soll, täglich 30 Minuten 5 Tage lang. Ich würde raten, etwas abzunehmen, weniger Salz beim Kochen zu verwenden. Diese Ratschläge sollten im Laufe von 6 Monaten befolgt werden, und dann würde ich diesen Patienten wiederum auf Bluthochdruck untersuchen. Wenn aber Personen Bluthochdruck und zudem den einen oder anderen genannten Risikofaktor aufweisen, dann gibt es präzise Anwendungen von Medikamenten.
Vinschgerwind: Muss man Angst haben, sich den Blutdruck messen zu lassen?
Pieramico: Nein, bestimmt nicht...
Weiss: Im Gegenteil...
Pieramico: Es ist weit schlimmer, wenn man um seinen Blutdruck nicht Bescheid weiß.

Vinschgerwind: Ist das Wissen um seinen Blutdruck eine Art Vorbeugung?
Pieramico: Ja, es ist eine Vorbeugung, eine Prävention. Wir raten allen, sich zumindest einmal im Monat den Blutdruck messen zu lassen oder selbst zu messen.

Vinschgerwind: Der 17. Mai ist der Welt-Hypertonie-Tag. Also der Tag des Bluthochdrucks. Angesichts der Tatsache, dass Bluthochdruck mit zu den Zivilisationskrankheiten zählt, würden Sie, Herr Dr. Weiss, vorschlagen, dass die Aufmerksamkeit auf diese Problematik länger dauern sollte? Eine Woche?
Weiss: Das kann man nicht sagen. Ich denke, es reicht ein Tag, um eine Sensibilisierung zu machen. Es muss sich nicht die ganze Familie den Blutdruck messen lassen oder Informationen einholen. Es genügt, wenn einer aus einer Familie, aus einem Betrieb kommt. Die Informationen verteilen sich dann. Bei Studien, ich zitiere nochmals unsere Chris-Studie, hat allein die Teilnahme daran und das dabei weitergegebene Wissen einen Lerneffekt hervorgebracht. So eine Sensibilisierung sollen solche Tage, wie es der Bluthochdrucktag am 17. Mai einer ist, bringen.

Vinschgerwind: Sie wollen am 17. Mai mit einer Aktion in Schlanders auf den Tag des Bluthochdrucks hinweisen. Dr. Barolo hat die Initiative vorgeschlagen und die Aktion ist erstmalig im Vinschgau. Was erwartet die Leute da?
Barolo: Wir werden den Blutdruck der Leute messen. Natürlich können wir bei einer solchen Veranstaltung nicht dreimal den Blutdruck messen. Aber wir werden zeigen, wie man den Blutdruck misst. Wir werden Informationsfolder verteilen und die Leute darüber aufklären, wann man wie den Blutdruck messen kann und sollte, wann man einen Arzt aufsuchen sollte. Wir werden natürlich auch die Fragen der Leute beantworten.

Vinschgerwind: Über diesen 17. Mai hinausgedacht, welchen Ratschlag geben Sie den VinschgerInnen und Vinschgern?
Pieramico: Wir möchten die Leute für dieses Thema sensibilisieren. Wichtig ist die Prävention. Denn bereits spürbare Symptome sind bereits die Komplikationen, die sich aus einer längeren Phase des Bluthochdruckes ergeben. Ein über mehrere Jahre manifestierter Bluthochdruck kann das Herz, die Blutgefäße, die Nieren schädigen.  Auch ergeben immer mehr Studien, dass Bluthochdruck unmittelbar mit dem Risiko an Demenz zu erkranken einhergeht.

Vinschgerwind: Eine letzte Frage an den jungen Doktor Barolo. Sie sind seit Februar an der internen Medizin in Schlanders tätig, sind mit großer Motivation am Werk. Müsste mehr Präventionsarbeit vom Krankenhaus Schlanders ausgehen.?
Barolo: Ich kann nur feststellen, dass es in Südtirol kein Zentrum für Bluthochdruck gibt. Ich komme aus dem Piemont, aus der kleinen Stadt Alba und dort gibt es ein solches spezialisiertes Zentrum. Das wäre auch für Südtirol eine gute Sache. Bluthochdruck bzw. die Folgeerscheinungen sind nämlich multidisziplinär.
Pieramico: Wichtig ist, dass die Bevölkerung von den Basisärzten, von den Medizinern am Krankenhaus sensibilisiert wird.
Weiss: Die erste Anlaufstelle, auch in Sachen Bluthochdruck, ist in jedem Fall der Hausarzt.
Moderation: Erwin Bernhart

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