Dienstag, 24 Januar 2017 09:26

Der Windgrat Extremstandort, Frosttrocknis und Schneeschimmel

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

116B3Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Sebastian, 20. Jänner 2017

Der Wind ist im Hochgebirge besonders auch im Winter ein Auslesefaktor. Winde im Gebirge führen nach Neuschneefällen zu Verfrachtungen in Schneetälchen und Mulden und zu wind-aperen Graten. Der Wind ist damit auch Mitgestalter des Mikroklimas im Gebirge.


Der Windgrat ist ein Extremstandort. Pflanzen, die dort siedeln, sind Spezialisten. Sie sind ob ihrer Anpassungen konkurrenzstärker gegenüber anderen Arten. Die Alpenazalee ist ein solcher Nischenspezialist. Das Schneehuhn und die Gämse überleben die nahrungsknappe Winterzeit, in der es gilt, mit den Energiereserven sparsam zu haushalten, auch am Windgrat. In ihrer Verdauung können sie die zellulosereiche, schwer erschließbaren und energiearmen Blätter und Triebe der Alpenazalee erschließen.
Ökologisch sensible und verantwortungsbewusste Wintersportler für die Biodiversität leisten bei ihren Skitouren oder Schneeschuhwanderungen einen Beitrag zur Energiebilanz der Hochgebirgstiere, wenn sie auch diese Extremstandorte meiden, an denen Arten wie das Schneehuhn oder die Gämse ihre karge Winternahrung aufnehmen.

Die Alpenazalee
23CDie Alpenazalee oder Gämsheide, mit wissenschaftlichem Namen Loiseleuria procumbens ist ein Standortspezialist unter den Hochgebirgspflanzen, der sich den Windgrat als einen extremen Nischenstandort erschlossen hat. Als kriechender, niederliegender (procumbens), vielverzweigter und verholzender Spalierstrauch wächst er engstens an den Boden angeschmiegt. Die Blätter als verdunstende Organe sollen dank dieser Wuchsform dem austrocknenden Wind keine Angriffsfläche bieten. Andererseits müssen die Blätter über die Photosynthese Energie als Betriebs- und Baustoffe liefern. Die Alpenazalee hat dazu im Laufe ihrer evolutionären Entwicklung kleinste ellipsenförmige Blättchen entwickelt, die an der Oberseite von einer ledrigen Cuticula als isolierende Außenhaut überzogen sind. Die Spaltöffnungen, durch welche das Kohlendioxid aus der Luft als Grundstoff für die Photosynthese in die Blätter gelangt, sind nur an den Blattunterseiten angeordnet. Zu groß wäre das Risiko eines bedrohlichen Wasserverlustes durch Transpiration über Spaltöffnungen an der Blattoberseite. Um den Verdunstungsschutz noch zu verbessern, sind die Blättchen der Alpenazalee Foto Michele De Lorenzials Rollblättchen ausgebildet. In den kleinen Kammern an der wind- und sonnenabgewendeten Blattunterseite entstehen wasserdampfgesättigte Innenräume, in denen der Gasaustausch für die Photosynthese und Atmung ohne tötliche Wasserverluste möglich ist.
Durch diese morphologischen und anatomischen Anpassungen hat sich die Alpenazalee den Windgrat als Nische und Lebensraum erschlossen, auf dem sie nicht dem Konkurrenzdruck anderer hochalpiner Pflanzenarten unterliegt. Die Blüten der Alpenazalee verraten die Zugehörigkeit der Pflanzenart zur Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae). Die Alpenazalee heißt auch Gämsheide, weil sie im Winter an windaperen Graten zur Überlebensration der Gämse gehört.

Die Frosttrocknis
Die Zirbe und die Lärche sind die höchstaufsteigenden Baumarten in den Alpen und bilden die Wald- und Baumgrenze. Die Lärche ist sommergrün und wirft im Herbst ihre Nadeln ab. Dadurch schützt sich die Baumart vor Frostschäden und Wasserverlusten. Die Zirbe ist hingegen immergrün. Ihre langen, dünnen img209Nadeln sitzen in Fünferbündeln an den Trieben und werden mehrere Jahre alt, bis die Zirbe die alten Nadeljahrgänge ausnadelt. Die Zirbe ist die einzige einheimische fünfnadelige Kiefernart, alle anderen heimischen Kiefern sind zweinadelig. Bis die Zirbe zu einem staatlichen Baum heranwächst, muss sie viele kritische Situationen meistern. Eine lebensbedrohliche Situation ist die Frosttrocknis: Im winterlichen Boden herrscht Frost, das Wasser ist als Eis gebunden. Und Eis ist der Aggregatzustand des Wassers, den die Pflanzenwurzel nicht nutzen kann. Andererseits sind die Triebe und Äste der Jungzirben, welche über die Schneedecke herausragen an Schönwettertagen der intensiven Sonneneinstrahlung des Hochgebirgswinters ausgesetzt. Bekanntlich ist im Hochgebirge der Anteil an ultraviolettem Licht im Lichtspektrum besonders hoch. Hohe Dosen an ultraviolettem Licht sind zellschädigend. Während also aus dem gefrorenen Boden kein Wasser nachgeliefert werden kann, entzieht die intensive Sonnenstrahlung über dem Schnee, der zusätzlich noch von unten reflektiert, den Zweigen das Wasser: Die Verdunstung von Gewebswasser kann für Äste von Jungzirben knapp oberhalb der Schneedecke lebensbedrohlich werden. Die Zirbennadeln sind mit Wachsstreifen überzogen, um diese DSC 2652Wasserverluste durch Transpiration zu vermindern und die Trockenresistenz zu erhöhen. Trotzdem kann nach langen, strahlungsintensiven Schönwetterperioden die Austrocknung bis an die Letalitätsgrenze fortschreiten und die Triebe sterben ab. Ihr Tod ist nicht ein Kältetod, sondern ein Dürretod, der pflanzenphysiologisch als Frosttrocknis benannt wird. Die Frosttrocknis-Schäden der Jungzirben sind an der rostrot-braunen Färbung der abgestorbenen Triebe erkenntlich. Schäden durch den Schneeschimmelpilz (Herpotrichia nigra) nach monatelangem Einschluss in der Schneedecke sind hingegen an den grauen, zerbröselnden Zirbennadeln erkennbar.

{jcomments on}


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 6065 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 25-24

titel Vinschgerwind 24-24

titel vinschgerwind 23-24

 weihnachtsbroschüre 2024

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.