Buchtipp
Aufdeckung der Geheimdienstaktivitäten rund um Südtirol
Christoph Franceschini (Bild) hat sich als Aufdeckungsjournalist in Südtirol einen Namen gemacht. Davon zeugen nicht nur seine Artikel in den Tagesmedien, sondern auch die Bücher „Bankomat“ und „SELfservice“ über die jüngsten Skandale um die Südtiroler Sparkasse und die SEL. Doch auch als Historiker hat er bereits publiziert und für seinen Film über die Südtiroler Bombenjahre den Claus-Gatterer-Preis erhalten. Nun widmet er sich in „Geheimdienste, Agenten, Spione“ (Edition Raetia) fremden Mächten, die seit den 1920er-Jahren, und vor allem in den 1960er-Jahren in Südtirol aktiv waren – mit Beteiligung von Südtiroler Persönlichkeiten.
Gar einige Südtiroler haben für Geheimdienste gearbeitet, was nicht weiter verwundert. Agenten und Informanten dürfen nicht auffallen. Sie kommunizieren mit ihren Führungsoffizieren über Decknamen und sogenannte tote Briefkästen – und gehen sonst meist einem unauffälligen Beruf nach. So auch Magnagos Übersetzer Carlo Bernardo Zanetti, der als Chefübersetzer des Regionalrates immer am Puls des Geschehens war. Zanetti war einer der bestbezahlten Spitzel des italienischen Innenministeriums. 40 Jahre lang lieferte er Informationen, Dokumente und politische Analysen nach Rom. Vor allem über die SVP.
In Zeiten des Kalten Krieges interessierten sich nicht nur amerikanische Nachrichtendienste für Südtirol, sondern auch jene des Ostblocks. So warb die tschechoslowakische Staatssicherheit StB Anfang der 1950er-Jahre insgesamt elf namentlich bekannte junge Südtiroler an, darunter einen SVP-Mitarbeiter sowie einen Neffen von Kanonikus Michael Gamper. Zwischen Bozen, Rom, Innsbruck und Wien entstand ein Informantennetz, das jahrelang Militärspionage für den Ostblock betrieb. Gleichzeitig gerieten die Beteiligten aber auch ins Visier des italienischen Geheimdienstes. Ein junger Bozner landete am Ende gar für acht Jahre in einem Prager Gefängnis.
Im Zentrum der packenden historischen Aufarbeitung stehen die Geheimdienstaktivitäten rund um die Südtiroler Bombenjahre, in welche eine Vielzahl an italienischen Diensten und Spitzeln involviert waren, ehemalige Nazis rekrutiert wurden, aber auch viele bekannte Akteure wie Fritz Molden oder Wolfgang Pfaundler mitmischten.
„Vom spionagetechnischen Klein-Klein schafft der Autor immer wieder den Sprung auf die weltpolitische Bühne, dort beispielsweise, wo es um die Berichterstattung über die brisante Lage in Südtirol für US-Präsident John F. Kennedy oder die Diskussionen im österreichischen Staatsapparat geht. Besonderen Geheimdienstmitarbeitern widmet Franceschini informative Kästen, die ein weites Spektrum unterschiedlichster Agententypen und ihrer Schicksale widerspiegeln. Da werden auch posthum zu Lebzeiten unentdeckte Südtiroler Spione entlarvt“, schreibt der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom in seinem Vorwort.
Für sein Werk hat Christoph Franceschini Tausende Seiten Akten ausgewertet, meist unveröffentlichte oder gar ungesehene Dokumente aus bisher verschlossenen Archiven – vom Archivio Centrale dello Stato in Rom übers Archiv des Bundesnachrichtendienstes BND in Pullach bis hin zu den National Archives in Washington.