Donnerstag, 10 März 2011 10:23

Walter Kuenz Sepp Alber

alberundwalter

Walter Kuenz

Er wird im kommenden Sommer in Schluderns, im Vintschger Museum in einer großen Gesamtschau sein umfangreiches Werk zeigen. Kuenz stammt aus Martell, aus der Gand, wo er sich selbst ein Atelierhaus errichtet hat.
Bei der großen Überschwemmung im Jahr 1987 wurde es zwar verschont, die reißenden Fluten haben ihm aber ein Kunstwerk weggetragen, zerrissen, zerstört.  Zurückgekehrt von einer Ausstellung, stand es noch verpackt vor dem Hause und musste unfreiwillig den Weg nach Venedig antreten, über die Plima, über die Etsch. Als die wütenden Fluten die vielen Neubauten in der Gand zu verschlingen drohten, war dem Marteller nicht nach Kunst und Biennale zu Mute.
Der Walter bekam den Auftrag, ein Erinnerungsdenkmal zu errichten. So entstand in Brückennähe eine Bronzestele mit Bezug zur Wasserkatastrophe. Erkennbar im Relief ein Fisch, darüber ein Kopf und als Krönung der Sonnenkreis, ein sehr häufiges Thema seiner Kunst. Natur, Mensch, Transzendenz - gut verständlich, dass der Künstler immer wieder Aufträge für die Gestaltung religiöser Räume, für Altäre und Statuen bekommt.
Der hervorragende Modellierer, Zeichner und Porträtist wurde in Wien an der Kunstakademie ausgebildet, vor allem bei Abramidis und Cironcoli. Sein künstlerisches und technisches Wissen, das er mehr als zwei Jahrzehnte in der Laaser Kunstschule für Steinbildhauer erfolgreich an zahlreiche Schüler und Schülerinnen weitergeben konnte, brachte ihm eine Fülle von Aufträgen, worüber demnächst eine Publikation erscheinen wird. Da er nicht mehr unterrichtet, kann er sich jetzt noch mehr der Entwicklung seiner Kunst widmen.  Werke von Kuenz können an mehreren Orten des Vinschgaus besichtigt werden, so das Denkmal für die Calvenschlacht in Laatsch/Mals, beim Cäsariuskirchlein, der Bronzebrunnen auf dem Gemeindebrunnen von Latsch und ein Marmorbrunnen in der Kapuzinerkirche von Schlanders.
Ich aber bleibe in Martell, gehen zur Kirche, zum Kriegerdenkmal und frage Frauen, die sich dort um den Gräberschmuck kümmern. „Was sagt ihr zu diesem Denkmal?“ Die Antwort erfolgt zögerlich: „Anfangs haben wir es nicht verstanden, jetzt aber wird es geschätzt.“ Ich schaue auf das Lamm in den großen Händen der blauen Gestalt. Jetzt ist Osterzeit. Ich schaue ins Gesicht des gefallenen Soldaten. Es gleicht dem Künstler... ein Selbstbildnis, gewollt oder ungewollt?
walterkuenzEs geht dem Walter nie um Mimesis, um Nachahmung der Natur, es geht um Vergeistigung. Der gefallene Krieger hält ein zartes Lamm in zögernden, aber auch schützenden Händen: Wofür werde ich geopfert, was hat das alles für einen Sinn? Soldaten nicht als Helden, sondern als Ankläger gegen den Krieg. Es ist die Osterbotschaft des Walter Kuenz.
Zurück zur verlorenen Statue in der reißenden Plima: War sie aus Holz, aus Stein, aus Bronze? Wurde sie fein zerrieben und schwebt nun in Richtung Adria? Das Schicksal des Kunstwerkes beschäftigt mich. Aber so genau will ich das gar nicht wissen. Ich denke weiter, selbständig. Eine Haltung, die dem Künstler sicherlich gefallen wird.
Die Einladung zum Weiterdenken, zur Vergeistigung, das sind  Schwerpunkte im Schaffen des Marteller Künstlers. Wir alle schweben irgendwie, schweben wie die Erinnerung an gefallene Krieger, schweben in Richtung einer himmlischen Adria.

Hans Wielander

alber1Sepp Alber

Freunde brachten ihm mächtige Baumstümpfe vom Sonnenberg, Wurzelstöcke von Lärchen und Zirben aus dem Nebelreich der Waldgrenze. Unter seinen Händen wurden sie zum zweiten, eigentlichen Leben erweckt.
Berggeister, drohend und lockend, Frauen wie Königinnen, Totems, also Schutztiere, Botschafter aus einem fernen Jenseits. Er stellte seine Figuren zum Fotografieren auf den Erdboden oder auf den Hackstock: Plötzlich wandelt eine Prozession geheimnisvoller Gestalten im scharfen Licht zwischen engen Mauern.
Geboren wurde der Sepp 1940 auf dem Mühlhöfl im Tanaser Sonnenberg. Er wohnte und arbeitete seit 1982 in Schlanders, in den gewölbten Kellerräumen eines kleinen Hauses im Rosenwirts Gassl. Verstorben ist der Künstler am 18. September 2010 nach schwerer Krankheit in Meran.
Das Filmporträt über das Gesamtwerk, über die Meraner Arbeitsjahre und letzten Monate des Künstlers zeigt ein Video von Karl Prossliner: Gedanken über die Welt und Aufgabe des Künstlers.
Sepp Alber lebte und arbeitete seit 1996 in Meran. Zahlreiche Freunde, vor allem aus dem Vinschgau, haben ihm das Gefühl gegeben, dass er geschätzt wird. Seine Arbeiten stehen in Häusern als Wächter, als heitere Schutzgeister, hängen an den Wänden als farbige Lebenswege.Verschlungen und geheimnisvoll, immer alles hinterfragend mit unerwarteten Lösungen, denen oft komplizierte Mathematik zu Grunde liegt. Computer-Graphiken, gezeichnet mit dünnen Filzstiften, schon lange bevor es die entsprechenden Geräte gab.
Strömungen der zeitgenössischen Kunst spiegeln sich in seinem Werk. Er hat sie aufgesogen wie der durstige Sonnenberg das Wasser.
Gibt es eine Entwicklung zwischen früheren Arbeiten und solchen aus den letzten Schaffenstagen? Sichtbar wird nur das langsame Säen, Wachsen, Reifen und Ernten. Sichtbar geblieben ist noch der Blutkreislauf. Und es riecht immer noch nach Harz.
In Schlanders, im verwinkelten Zentrum des Ortes, lernt er Manuela kennen. Sie heiraten und ziehen nach Meran, haben zwei Töchter, die sich jetzt um den Aufbau der Ausstellung kümmern; sie gestalteten das Plakat mit wichtigen Hinweisen zu seinem künstlerischen Werdegang: Studienaufenthalte, Ausstellungen und Biografie.
Zu seinem Leben gehört auch das Rosenwirts Gassl. In zwei rechten Winkeln kleine Häuser umfließend,  mündet das Gassl wieder in die Hautpstraße, dort, wo es die vielen alten und neuen Gasthäuser auf engstem Raum gibt: Widder-, Post-, Rosen- alber-2und Glöggelewirt (dieses Gasthaus gibt es nur noch in der Erinnerung), etwas entfernter Kreuz-Hasen-Schupfer- und Adlerwirt, um nur die alten Wirtshäuser zu nennen. Von dort aus ist der Sepp gerne und oft mit Freunden von einem Gläschen zum anderen gepilgert. In die Bar Cremona, in die Stainer Bar, alles Orte, in denen sich öffentliches Leben abgespielt hat und es immer noch tut. Der Sepp war bestens integriert und fühlte sich wohl.
Der frühere Bürgermeister Jakob Lechthaler hat ihm vor Jahren eine Holzfigur abgekauft. Sie steht jetzt vor der Hauskapelle des Rathauses, vor der Schwarzen Madonna. Holz und Paragraphen. Gut für Bürokraten, für das sich Sammeln beim sorgenvollen Beraten über die Gemeinschaft. So ist und bleibt der Sepp ein Teil von Schlanders..

Hans Wielander

Publiziert in Ausgabe 7/2011

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