Vinschgau - AUS DEM GERICHTSSAAL
Da hat der Erwin Bernhart mit seiner Titelgeschichte „Chemiefreie Gemeinde Mals“ (Wind Nr. 8 vom 19.04.2012) ganz schön in ein Wespennest gestochert! Auch in ein rechtliches. Denn das Vordringen des intensiven Obstbaus bis in den oberen Vinschgau bringt nicht nur die bestehende bäuerliche Wirtschaftsweise durcheinander. Auch aus rechtlicher Sicht sind Konflikte geradezu vorprogrammiert, vertragen sich doch Obstbau und Grünlandwirtschaft ungefähr so wie der Teufel und das Weihwasser. Um das bestätigt zu erhalten, braucht es bei Gott kein Versuchsfeld der Laimburg. Ein Blick aus dem Vinschger Zug genügt. Auch der in der Gegend nicht nur als sanftes Lüftchen auftretende Oberwind sorgt für zusätzliche Komplikationen beim Ausbringen der Spritzmittel. Daneben ist das Thema auch noch emotional aufgeladen: Die reichen Bauern aus dem Untervinschgau, die das Oberland aufkaufen usw. usw. ….!
Doch sind unsere westlicheren Nachbarn wirklich so machtlos gegenüber dem angeblich unaufhaltsamen Vordringen des Obstbaus? Ganz und gar nicht! Hilfe bietet ausgerechnet das Europarecht, mit dem man gemeinhin nur Begriffe wie Freiheit des Personen- und Warenverkehrs, Freizügigkeit bei Unternehmensgründungen und der wirtschaftlichen Betätigung in Verbindung bringt. Daneben gibt es nämlich auch noch ein europäisches Umweltrecht. Und dieses enthält ohne weiteres rechtlichen Spielraum für die Gemeinden als örtliche Gesundheitsbehörden, nach dem Vorsorgeprinzip Maßnahmen zu ergreifen, welche auf eine Vermeidung von gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung abzielen. Dafür bedarf es keiner konkreten Gefahr, es genügt vielmehr „die Besorgnis einer möglichen Umweltbeeinträchtigung“, um ein Einschreiten der Gemeinde begründen zu können. Und die Malser bräuchten nicht einmal das Rad neu zu erfinden, denn in unserer Nachbarschaft gibt es bereits ein Beispiel für ein gesundheits- und umweltbewußtes Einschreiten: Die Gemeinde Malosco am Nonsberg hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die Gemeinde Mals. Der dortige Gemeinderat hat Vorschriften erlassen, wonach beim Spritzen von Obstbäumen ein Abstand von 50 Metern nicht nur von Gebäuden, Gärten, öffentlichen Straßen, Radwegen sowie Sport- und Parkanlagen einzuhalten ist. Der gleiche Abstand gilt dort auch gegenüber Nachbargrundstücken, die als Wiesen, Äcker, Gemüsefelder oder für den Anbau von Kräutern oder Beeren genutzt werden. Dieser Beschluss der Gemeinde Malosco hat auch einer Anfechtung vor dem Verwaltungsgericht Trient standgehalten.
Aber neben den rechtlichen Handhaben, welche die Gemeinde als örtliche Gesundheitsbehörde hätte, sollten die betroffenen Bauern versuchen, zur Selbsthilfe zu greifen und sich überlegen, ob es nicht auch privatrechtliche Möglichkeiten gäbe, um dem lauthals beklagten „Ausverkauf der Heimat“ vorzubeugen. Jede Absicht einer Einmischung in ihre „inneren Angelegenheiten“ liegt mir natürlich fern! Aber über eine Art Auffanggenossenschaft könnten sie aktiv in das Marktgeschehen eingreifen und zum Verkauf anstehende Gründe erwerben, um diese dann an ihre Mitglieder weiterzugeben, welche wiederum sich zu einer traditionellen oder biologischen Anbauweise verpflichten müssten. Damit könnte die vom Malser BM Ulrich Veith bisher nur angeträumte „Bioregion Obervinschgau“ tatsächlich Realität werden.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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