Vinschgau - AUS DEM GERICHTSSAAL
Die Verrechtlichung aller Bereiche des menschlichen Lebens schreitet munter voran. Man kann das begrüßen oder bedauern, die Entwicklung ist jedenfalls nicht aufzuhalten. Sie macht auch vor dem Schulhof und den Klassenzimmern nicht halt. Dazu als Beispiel ein Fall, der kürzlich von einem Gericht in Catania entschieden wurde, der sich aber genauso gut hierzulande zugetragen haben könnte: Während einer Unterrichtspause im Schulhof geraten sich zwei 10-Jährige in die Haare, es kommt zu einer handfesten Prügelei, welche damit endet, dass der eine der Raufbolde mit einem gebrochenen Nasenbein, drei herausgeschlagenen Zähnen und mehreren Platzwunden am Boden liegen bleibt. An diesem eigentlich banalen Fall kann man ablesen, wie sich die Gesellschaft in den letzten fünfzig Jahren gewandelt hat. Während früher diese Rauferei ohne weitere Folgen geblieben wäre, ja wahrscheinlich von den Eltern der Raufbolde noch mit ein paar Ohrfeigen „geahndet“ worden wäre, sind heute solche Vorfälle durchaus „gerichtsreif“. Und Justitia ist dabei nicht zögerlich. Sie hält dabei ihre „schützende Hand“ nicht etwa über die zumeist hilflosen Lehrer, sondern über die Raufbolde. Die rechtliche Begründung mutet zwar etwas weltfremd an, ist jedoch vom formaljuristischen Standpunkt durchaus stimmig: Durch die Einschreibung in eine Schule und dessen „Übergabe“ an der Pforte kommt es zwischen Schulverwaltung bzw. deren Personal und den Eltern zu einem Vertrag, der die Schule dazu verpflichtet, während der Dauer des Unterrichts ihre „Schützlinge“ zu beaufsichtigen und deren Sicherheit und persönliche Unversehrtheit zu gewährleisten. Aber damit nicht genug. Die Lehrpersonen und in deren „Schlepptau“ auch die Direktion haften darüber hinaus auch aus unerlaubter Handlung und unter Umständen auch strafrechtlich. Das Ungute der rechtlichen Konstruktion besteht darin, dass die Beweislast umgekehrt ist. Der Geschädigte bzw. dessen Eltern brauchen nur zu beweisen, dass ihr Sprössling während der Unterrichtszeit was abgekriegt hat. Die Lehrpersonen hingegen müssen den Nachweis erbringen, dass sie „alles getan haben“, um den „Erfolg“ zu verhindern. Fürwahr ein „teuflischer Beweis“!
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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