Dienstag, 16 Oktober 2012 00:00

Senner und Bauer mit Leib und Seele

Landwirtschaft: s32_9221

Hofkäserei „aft mult“, Ulten/Mals  – Vor einigen Wochen ist Ernst Patscheider mit seinen 20 Kühen, dem Alpkäse und den Schweinen von der „Brugger Alm“ auf den „Gruber Hof“ im Weiler Ulten heimgekehrt. Pause als Senner gibt es für ihn jedoch keine. In seiner Hofkäserei „aft mult“ verarbeitet er derzeit jeden zweiten Tag an die 300 Liter Milch zu Käse. Rund vier Stunden dauert der Prozess bis aus der Milch durch Beigabe von Säurewecker und Lab und durch mehrmaliges Schneiden und Rühren der „Käsebruch“ entsteht, der dann in die Formen gepresst wird.

Text und Fotos: Magdalena Dietl Sapelza

An die 850 Liter Milch wird Patscheider in einigen Monaten verarbeiten, wenn die Milchkühe nach dem Abkalben wieder ihre volle Leistung bringen. Das bedeutet, dass er fast rund um die Uhr beschäftigt ist, ob beim Füttern der Tiere, beim Melken, in seiner kleinen Käserei oder im „Kaskeller“ bei der Pflege der Käselaibe. Mehrere Male in der Woche putzt er diese mit einer Bürste, taucht die Laibe ins Salzbad und legt sie umgedreht auf die Stellagen. Für diese Arbeitsvorgänge braucht er jedesmal mehrere Stunden. Patscheider verarbeitet ausschließlich die silofreie Milch seiner eigenen Kühe. Über eine Rohrleitung gelangt die Milch von der Melkkammer direkt in den Verarbeitungsraum der Hofkäserei im Parterre des Wohngebäudes. Das „Kaswasser“ läuft dann wieder über eine Leitung in den Stall zurück, wo damit die Schweine gefüttert werden. Neben der Käseproduktion ist  die Speckherstellung, ausschließlich aus eigener Zucht, sein zweites Standbein.

s32_9209Viel Zeit nehmen die Reinigungsarbeiten in Anspruch. Denn Hygiene ist das A und O für gute Qualität. Und Qualität bedeutet guten Absatz. Patscheider hat sich einen Kundenstock aufgebaut, auf den er kontiuierlich zählen kann. Mit seinem Markennamen „aft mult“, in Anlehnung an den gebräuchlichen Flurnamen der Gegend um seinen Heimathof, hat sich Patscheider als Direktvermarkter einen Namen gemacht. Er verkauft seine Produkte ab Hof, auf den größeren Jahrmärkten im Vinschgau, und er beliefert mehrere Geschäfte, die regionale Produkte in ihrem Angebot führen.

Es sind vor allem die kleinen, schmackhaften Käselaibe, die typisch für die Hofkäserei „Aft mult“ sind. Neben dem Käse mit traditioneller Rezeptur treffen vor allem jene Sorten den Geschmack der Kunden, denen Patscheider Gewürze, Kräuter oder Früchte beimischt. Er experimentiert gerne. Seine neueste Käsekreation ist der „Marillenkäse“. Die begemengten getrockneten Marillenstücke geben dem Käse eine besondere Geschmacksnote. Patscheider liebt seine Arbeit. Er legt die nötige Ausdauer an den Tag und überzeugt mit seinem Käse und auch mit den Speck- und Wurstwaren.  „Man muss von der Sache überzeugt sein und Mut haben, dann lässt sich auf einem Hof vieles machen“, sagt Patscheider. Mut hatte er bereits bewiesen, als er dem Vinschgau einst den Rücken s32_9215kehrte und als Weltenbummler umherzog. Zwölf Jahre lang  war in fast allen Ländern Europas unterwegs. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit den unterschiedlichsten Arbeiten. Doch schließlich fand er - um viele Erfahrungen reicher- wieder zu seinen Vinschger Wurzeln zurück. Er absolvierte die Senner-Ausbildung und gab 1997  sein Debüt in der Käseherstellung auf der Planeiler Alm. Den Almen ist er bis heute treu geblieben. Und mit seinem Almkäse erobert er regelmäßig Auszeichnungen.
2006 pachtete er seinen Heimathof von seinem Bruder, richtete die Hofkäserei ein und wurde Direktvermarkter. Mittlerweile ist er Besitzer des Hofes geworden. Er ist Bauer und Senner mit Leib und Seele. Auf dem Hof und auf der Alm unterstützt ihn seinePartnerin Sonja Gerstgrasser. Seine zwei Buben Luis (3) und Franz (2) schauen ihm oft über die Schultern und lassen sich „Tatas Käse“ schmecken. Von Ende September bis anfangs Juni läuft die Produktion in der Hofkäserei „aft mult“. Dann zieht die Familie samt Kühe und Schweine wieder auf die „Brugger Alm“ im Zerzertal. Patscheider hat diese für sechs Jahre von den Burgeiser Bauern gepachtet, mit der Auflage, auch deren 30 Kühe aufzunehmen und auch deren Milch zu verarbeiten. 

Publiziert in Ausgabe 21/2012

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