Montag, 23 Mai 2016 00:00

Der Matscher Wildererschmaus

Aus dem Gerichtssaal - Die Matscher stehen vielleicht nicht zu Unrecht im Ruf, in der Vergangenheit passionierte Wilderer gewesen zu sein. An dieser ihrer Leidenschaft scheint sich erst seit dem Zeitpunkt etwas geändert zu haben, da ihr Tal vom Malser Jagdbezirk abgetrennt wurde und sie ihr eigenes Revier bekamen. Es bestätigt sich also die landläufige Meinung, dass die Jäger sich am besten selbst beaufsichtigen!
In der Zeit, als die Matscher ihren Jagdtrieb noch hauptsächlich auf verbotene Weise auslebten, hatten sie zwei geschworene Feinde: den Jagdaufseher Ludwig Blaas, auch Ludi genannt, und den Polizeiwachmeister Gioacchino Crestelli aus Mals. Die Kämpfe zwischen Aufsehern und „Gejagten“ sind Legende. Einer davon gipfelte in einer besonders geistreichen Aktion. Da wurden eines Nachts vor der Polizeistation Mals hektographierte Flugblätter ausgestreut, auf denen folgendes zu lesen stand: Im Gasthof „Glieshof“ im Matschertal findet am 05. Dezember 1985 ein großes Wildereressen statt. Dazu eingeladen sind aktive und pensionierte Wilderer, deren Freunde und Sympathisanten. Speisekarte: Gruß aus der Küche: Wildschwein Rosmarinspießchen, Flamkuchen „Wilde Sau“; Vorspeisen: Rehsulze nach Jungjägerart; Wildleber nach Ludi’s Art; Suppen: Wildsuppe mit Hühneraugen, Fasanbouillon; Hauptspeisen: Hase im Jägerrock, gefüllte Wildenten à la Cristelli, Rehrücken in Wurmentenfett geschmort; Nachspeise: Wachteleier in Schokolademousse.
Von diesen Leckerbissen angelockt fuhr der Wachmann Cristelli zum angegebenen Zeitpunkt am Glieshof vor, auch in der Hoffnung, dort die ganze illustre Matscher Wilderergesellschaft „in flagranti“ zu erwischen. Dass ihm mit dem ausgestreuten Flugblatt ein übler Streich gespielt worden war, merkte er erst, als er an der verschlossenen Tür des „Glieshofes“ das Schild gewahrte: “Wegen Ferien geschlossen.“ Einige Zeit später legte er das Flugblatt dem Bezirksrichter von Schlanders vor mit der Frage, ob nicht Grund zum Einschreiten bestünde, weil damit doch das Ansehen der Ordnungshüter herabgesetzt worden war. Der Richter schaute ihn etwas nachsichtig an und riet ihm:“Lasci perdere, Cristelli!“
Von gut informierter Seite war dann allerdings zu erfahren, dass das Wildereressen wie angekündigt doch stattgefunden hat, allerdings einige Kilometer weiter talauswärts in einem Lokal am Ufer des Saldurbaches!
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt 

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Publiziert in Ausgabe 11/2016

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