Dienstag, 18 März 2014 00:00

Im finsteren Tal

Aus dem Gerichtssaal - Der Alpenwestern hat Konjunktur. Wenn man an das Genre denkt, kommen einem unweigerlich Bilder von am Galgen baumelnden Viehdieben in den Sinn. Auch in unserem Land gilt der Diebstahl von gewissem Vieh als schweres Delikt: nämlich wenn es um pferdeartige oder rinderartige Tiere geht.
Wenn man weniger als drei Ziegen aus einer Herde stiehlt, dann gilt man unter Verbrechern als kleiner Fisch. Ist ja auch keine Hexerei, sich zwei aus dem Haufen unter den Nagel zu reißen. Auch der Diebstahl von zehn Schafen wäre noch kein erschwertes Verbrechen, solange die zehn Lämmer nur nicht alle in einer Herde grasen.
Nun dürfte es wesentlich schwieriger sein, mehrere Rinder oder Pferde von der Weide verschwinden zu lassen, denn die Viecher sind gemeinhin doch etwas individualistischer veranlagt als ihre paarhufigen Stallgenossen. Also müsste der Unhold jedes Tier einzeln stellen und gefügig machen. Es würde auch eher auffallen, wenn mehrere dieser doch etwas größeren Viecher auf einem Male verschwinden würden.
Der Gesetzgeber von 1930 verstand noch etwas vom Vieh, denn er beschloss, einen Diebstahl von drei oder mehr Pferden als erschwert zu ahnden, auch wenn diese Tiere nicht gemeinsam in einer Herde grasen. Also gilt der Diebstahl von drei oder mehr Rössern immer als erschwert, auch wenn z.B. eines aus dem Stall, ein anderes von der Wiese und das dritte beim Tierarzt gestohlen würden. Gleiches gilt natürlich für drei Ochsen.
Der Einzelrichter beim Landesgericht in Meran hat nun, in einem der letzten Meraner Urteile, einen Mann freigesprochen, der einen Esel gestohlen hatte. Der Dieb war von den Carabinieri angezeigt worden, denn ein Esel ist nun einmal ein pferdeartiges Tier, der Diebstahl somit erschwert, und ein schwerer Diebstahl wird verfolgt, auch wenn kein Strafantrag des Eselhalters vorliegt.
Doch weit gefehlt! Der Richter hat, einem Einwand der Verteidigung stattgebend, das Verfahren auf Grund des Fehlens erschwerender Umstände eingestellt, nachdem die Anzeige des Eseleigners zurückgezogen worden war. Ein Esel allein macht also keinen Schwerverbrecher aus. Ein Urteil, das an vielen Lagerfeuern besungen wird.

Christoph Tappeiner
www.rechtsanwalt-tappeiner.it

Publiziert in Ausgabe 6/2014

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