Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 
Dienstag, 09 August 2011 00:00

Fiat iustitia et pereat mundus

Vinschgau - Aus dem Gerichtssaal

Über unseren Premierminis-ter wird viel gelästert. Eines kann man ihm aber nicht nachsagen, dass er diesen etwas altväterlichen Leitspruch zur Devise seines politischen Handelns gemacht hätte! Der Wahlspruch stammt vielmehr vom deutschen Kaiser Ferdinand. Er bedeutet ungefähr Folgendes: „Es geschehe Gerechtigkeit, möge auch darüber die Welt zugrunde gehen.“
Berlusconi fühlt sich von der Justiz richtiggehend verfolgt. Seine Seitenhiebe auf die Richter sind mittlerweile Legion: Da wimmelt es nur so von roten Robenträgern, verkappten Kommunisten, Putschisten, Exekutionskommandos und ähnlichen Ungeheuern, die es nur darauf angelegt hätten, einen vom Volk gewählten Ministerpräsidenten aus dem Amt zu vertreiben.
Doch die von Premier so geschmähte Justiz kann es auch anders: Das Gericht in Palermo verurteilte einen Gemüsehändler zu zwei Monaten Gefängnis, weil er sein Maultier auf offener Straße zu Tode geprügelt hatte. Der Mann wollte mit seinem „Mulli“ auf den Gemüsemarkt, als das Tier einen störrischen Anfall bekam. In Teramo wurde ein Mann wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angeklagt. Sein Vergehen: Er hatte auf offener Straße gepinkelt! Der Friedensrichter sprach ihn frei, der Oberste Gerichtshof legte jedoch sein Veto ein, mit dem Hinweis, Pinkeln in der Öffentlichkeit sei auch im dritten Jahrtausend strafbar, egal ob beobachtet oder unbeobachtet!
Einen noch skurrileren Fall hat das Kassationsgericht im Juli entschieden. Eine Frau aus Busto Arsizio hatte mit ihrem Auto eine Katze überfahren und das verletzte Tier daraufhin seinem Schicksal überlassen. Die Anklage lautete auf unterlassener Hilfeleistung und Tierquälerei. Auch hier wollte der Richter für die Vorerhebungen das Verfahren einstellen, doch von Rom bekam er dafür kein grünes Licht.
Alle diese Vorfälle machen eines deutlich: Das Bekenntnis zu einer Gerechtigkeit um jeden Preis und des bloßen Buchstabens willen stiftet letztendlich mehr Schaden als Nutzen. Aber vielleicht ist gerade eine Justiz, welche die gewalttätigen Maultiertreiber, nächtlichen Brunziusse und mitleidlosen Katzentöter verfolgt, nach dem Geschmack eines Silvio Berlusconi.

Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

Publiziert in Ausgabe 16/2011

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