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Donnerstag, 02 Mai 2013 09:06

„Energie von daheim“

s39 7447Prad am Stilfserjoch - In ihrem neuesten Bericht über die Nutzung erneuerbarer Energien hat die italienische Umweltorganisation Legambiente die Arbeit des genossenschaftlich geführten E- Werks in Prad  EWP als vorbildlich gewürdigt. Der konsequente Innovationskurs der Betreiber unter dem Motto „Energie von daheim“ hat Prad zu einer Gemeinde mit Vorbild-Charakter für Italien gemacht. Die Auszeichnung nahm der Obmann Georg Wunderer kürzlich in Rom entgegen.

Von Magdalena Dietl Sapelza

Als es im Sommer 2005 das italienweite Blackout gab, merkten die Prader und auch Stilfser nichts davon. Der Grund dafür ist die eigene Stromversorgung. Die beiden Energieunternehmen der Orte haben vor gut 14 Jahren beim Bau des Wasserkraftwerkes in Gomagoi ihre lokalen Stromnetze mit einem eigenen Mittelspannungskabel verbunden und ein gemeinsames Leitsystem installiert, das bei Engpässen wie ein Inselbetrieb laufen kann.
Prad zählt zu jenen Gemeinden, in denen elektrische und thermische Energie zu „100 Prozent“ mit erneuerbaren Energieträgern gedeckt wird. Das E- Werk Prad setzt dabei eine Vielfalt an Technologien und einen Mix an Energiequellen ein (siehe Infokasten). Das EWP wird genossenschaftlich geführt. Im Sinne des Leitbildes, dass die Energiewirtschaft dem Menschen und nicht dem Kapital und der Spekulation zu dienen hat, bemühen sich die E-Werk-Betreiber möglichst alle Bürger zu beteiligen und mit umweltfreundlicher Energie zu fairen Preisen zu versorgen. Das EWP stellt seinen Mitgliedern den Strom um rund 30% günstiger zur Verfügung. Das bedeutet für die Prader Mitglieder jährlich eine Ersparnis von insgesamt rund 600.000 €.
Die Wärme liefert das EWP zu einem Preis, der nur halb so hoch ist wie jener der Wärme, die mit Heizöl hergestellt wird. Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen in Prad ist eng mit dem Namen Georg Wunderer verbunden, der das EWP seit 1983 als Obmann führt. Die lokale Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien in all ihren Formen hat er zu seiner Lebensaufgabe gemacht, auch als Vermächtnis seiner Vorfahren.
Sein Großvater Alois Wunderer zählte zu jenen fünf Männern (Alois Karner, Alois Primisser, Johann Prugger, Anton Wallnöfer, Johann Wallnöfer),  die 1923  Planung und Bau des ersten Wasserkraftwerk am Tschrinbach in Angriff genommen haben. Vorbild war die elektrische Beleuchtung der Nobelhotels in Sulden und Trafoi. „Das Wasserkraftwerk in Prad hat samt den Freileitungen  damals so viel gekostet wie 300 Kühe“, weiß Wunderer. Das bedeutete rund 375.000 Lire. Die Betreiber kamen schon bald in Nöten und gründeten 1926 eine Genossenschaft, an der sich  vierzig Familien beteiligten. Dennoch tat sich das kleine Unternehmen insbesondere in den Kriegs- und Nachkriegsjahren weiterhin schwer. Im Jahr 1962 wurde der nationale, monopolistische ENEL-Konzern gegründet, der überall die E-Werke übernahm. Das ENEL ließ sich in Prad aber erstaunlicherweise nie blicken, und so war man gezwungen, die Stromversorgung mit dem eigenen E-Werk fortzusetzen.
In den 70er Jahren setzte in Prad eine spürbare Aufwärtsentwicklung ein und der Strombedarf stieg.  Viele Prader sahen für das kleine E-Werk keine Zukunft mehr. Für das Weitermachen setzten sich damals Matthias Prugger, Johann Gander, Simon Mall, Karl Theiner und  Georgs Vater Hermann Wunderer ein. Letzterer trat im Jahr 1980 als Obmann zurück. Die damalige Vollversammlung wurde zu einem  Wendepunkt für das E-Werk Prad. Matthias Prugger übernahm die Obmannschaft  und Georg Wunderer, der damals   gerade sein Studium abgeschlossen hatte, wurde Vize-Obmann. Dass dieser die genannte Funktion im E-Werk Prad übernahm, geschah mit Einwirkung seines Vaters. Dieser sagte damals bei der Vollversammlung: „I bin iatz 67 Johr olt, es isch Zeit, dass is loss. I honn mein Bua studiern glott, iatz soll der mithelfn, dass es mitn E- Werk Prad weitergeaht.“   
Tatsächlich betrieb nun der neue Verwaltungsrat mit Entschlossenheit den Neuaufbau voran.  Es wurden neue Energiekonzepte erstellt und der Bevölkerung vorgestellt. Eine breite Zustimmung war gegeben. 1982/83 wurde das Tschrinbachwerk  neu aufgebaut, 1987 das Mühlbachwerk 1 und 1990 das Mühlbachwerk 2. 1998 entstand mit dem E-Werk Stilfs das Trafoibachwerk. Mit den vier Wasserkraftwerken konnte der Strombedarf von Prad nahezu über das ganze Jahr hinweg gedeckt werden. Lediglich im Winter gab es Probleme. Deshalb  kam es 1999 zum Bau  der ersten Fernwärmezentrale, um neben Wärme auch Strom zu gewinnen. 2002 ging die Fernwärmezentrale 2 in Betrieb. Das E-Werk Prad war damit Pionier in Sachen Fernwärmenutzung im Vinschgau. Pate stand das E-Werk Prad auch bei der Errichtung der ersten Gemeinschaftsbiogasanlage in Südtirol.
Maßgeblich beteiligt war E-Werk- Obmann Georg Wunderer auch beim Aufbau den zwei Windanlagen auf der Malser Haide. Diese mussten 2012  abgebaut werden, weil das Land auf Druck von Windkraftgegnern keine weitere Verlängerung für den Testbetrieb mehr gewährte. „Ein rückwärtsgewandter Schritt“, meint Wunderer.
Die jüngste Energiequelle, die das EWP nutzt, ist die Sonnenenergie. Diese ist noch ausbaufähig. Auch die Vorkehrungen für die Breitbandversorgung auf Glasfaserbasis laufen in Prad über das E-Werk.
Wunderer ist ein überzeugter Befürworter der Genossenschaften. Diese sind ideale Träger für die Energieversorgung und zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Wunderer hat sich für die Zusammenarbeit der Energiebetriebe und für den Aufbau eines südtirolweiten Energieverbandes eingesetzt. Er gründete vor rund 10 Jahren zusammen mit den Vertretern des EW-Stilfs, der EGO von Graun und weiteren lokalen Energieversorgungsunternehmen die Genossenschaft ÖKOVOLT, die  in den Raiffeisen Energieverband überging und 2011 schließlich in den Südtiroler Energieverband. Heute sind an dieser Kooperations-Plattform fast sämtliche lokale Energieversorgungsunternehmen beteiligt, die im Strom- und Wärmebereich im Land Südtirol tätig sind.
Über 300 Unternehmen, wie Genossenschaften, Gemeindewerke, auch private Betriebe gehören dem Verband an.
Von der Prader E-Werk-Genossenschaft geht also große Strahlkraft aus. Die Umwelt profitiert genauso wie die Bevölkerung. Ein nationales Black Out brauchen Prader und Stilfser auch weiterhin nicht zu fürchten.

 

Daten: Energie Werk Prad Genossenschaft EWP
1.148 Mitglieder am 31.12.2013
Stromproduktion: rund 20 Mio. kWh, davon liefern 93,6% die 4 Wasserkraftwerke, 4,5% die 4 kWK- Anlagen, 1,3% die Windkraft (2012) und 0,6% die Fotovoltaik
Stromkonsum der Mitglieder und Kunden im Netz des EWP: ca. 12 Mio. kWh, 25 Trafostationen und zur Gänze verkabeltes MS-  und NS-Netz
 Wärmeproduktion in den 2 Fernwärmezentralen: ca. 14  Mio. kWh
In den 2 Wärmezentralen  werden als Energiequellen eingesetzt: 2 % Strom, 9 % Biomassepresslinge, 73% Hackgut, 12 % Biogas und 4% mineralische Treib- und Bernnstoffe
Fernwärmenetz: Länge ca. 22 km, 587 Wärmeabnehmer

Publiziert in Ausgabe 9/2013

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