Dienstag, 20 August 2019 12:45

„Hoila, im Gegenteil...“

Bozen/Vinschgau - LH Arno Kompatscher spricht im Vinschgerwind-Interview über seine sportliche Betätigung, bestreitet, dass der Vinschgau für ihn ein Stiefkind sei, spricht über die Umfahrung auf der Töll, über die Zugverbindung in die Schweiz und Kompatscher setzt Überraschendes als prioritär für den Vinschgau. Dass er von der Gemeinde Mals noch nicht eingeladen worden ist, wurmt ihn.

Vinschgerwind: Herr Landeshauptmann, wann haben Sie das letzte Mal Fußball gespielt?
Arno Kompatscher: Das war mit den „Special Kickers“ vor rund einem Jahr in Wiesen im Wipptal.

Vinschgerwind: Und Eishockey?
Arno Kompatscher: Das ist vier Jahre her und da habe ich eine nicht besonders gute Figur gemacht, weil ich außer Übung war.

Vinschgerwind: Welchen Sport betreiben Sie regelmäßig?
Arno Kompatscher: An Sonntagen gehe ich meistens in der Früh laufen. In letzter Zeit war das eher selten, weil ich auch sonntags unterwegs war.

Vinschgerwind: Die Fragen deshalb, weil Sie auch für das Ressort Sport zuständig sind.
Arno Kompatscher: Ich war nicht nur Athlet, sondern auch ehrenamtlich im Sportverein Völs tätig. Für einen Sportlandesrat ist es wichtig zu wissen, welche Verantwortung, welche Probleme es in den Sportvereinen gibt.

Vinschgerwind: Gehen wir in den Vinschgau. Herr Landeshauptmann, der Vinschgau ist für Sie ein Stiefkind...
Arno Kompatscher: Hoila, ganz im Gegenteil...

Vinschgerwind: Wir machen Ihnen ein Beispiel. Sie sind auch für die Landesmuseen zuständig. Es gibt 10 Landesmuseen und es heißt „auf das ganze Land verteilt“. Von der Töll aufwärts gibt es kein Landesmuseum. Warum nicht?
Arno Kompatscher: In der Tat, es hat im Vinschgau beim Entstehen der Landesmuseen keine entsprechenden Initiativen gegeben.

Vinschgerwind: Gibt es heute solche Initiativen?
Arno Kompatscher: Es hat die Diskussion gegeben, inwieweit man den Ötzi nach Schnals bringen könne. Da muss man ehrlich sein: Der Ötzi wird in Bozen bleiben. Aber wir werden mit dem neuen Museumskonzept den Fundort und den ArcheoParc aufwerten. Das ist mein Versprechen, weil das auch Sinn macht. Es macht aber keinen Sinn, sich irgendein Museum auszudenken, das zum Subventionsfall wird.

Vinschgerwind: Bleiben wir beim Stiefkind. Welches Thema für den Vinschgau reiht der Landeshauptmann auf einer Prioritätenliste ganz oben?
Arno Kompatscher: Ich war kürzlich bei einer Plattner-Ausstellung in meiner Heimatgemeinde. Wir wissen, für welche Sujets Karl Plattner berühmt ist: die Vinschger Landschaft und vor allem die Architektur der Vinschger Dörfer. Ich glaube, es ist ein Erfolg, dass es gelungen ist, Bausubstanz wiederzugewinnen. Es war meine Idee, dass man bestehende Kubatur für den geförderten Wohnbau wiedergewinnen und dafür Förderungen erhalten kann. Da habe ich damals als Präsident des Gemeindenverbandes lange mit Luis Durnwalder diskutiert, bis das akzeptiert worden ist. Diese Maßnahme hat dem Vinschgau viel gebracht und das sollten wir weiter forcieren. Wenn wir schon sagen, wir gehen nicht auf die grüne Wiese, dann müssen wir die Ortskerne aufwerten. Viel ist im Vinschgau schon passiert, aber es gibt noch viel zu tun. Der Vorteil in der Peripherie sind die niedrigen Preise, und die müssen wir niedrig halten.

Vinschgerwind: Stichwort leistbares Wohnen?
Arno Kompatscher: Leistbares Wohnen mit Wiedergewinnung, so dass die Leute vor Ort bleiben. Das ist eine Form der Politik für den ländlichen Raum.

Vinschgerwind: Sie überraschen uns.
Arno Kompatscher: Wieso denn?

Vinschgerwind: Ihre Priorität in Ehren. Setzen wir andere Prioritäten. Herr Landeshauptmann, wann kommt die Umfahrung Töll-Rabland?
Arno Kompatscher: Das ist eine gute Frage. Wir können das Datum nennen, sobald wir uns über das Projekt einig sind. Es gibt den Vorschlag, eine große Umfahrung von der Forst bis nach Rabland zu machen. Diesem Vorschlag kann ich einiges abgewinnen, denn damit werden das Burggrafenamt und der Vinschgau mehr entlastet. Allerdings liegen die Kosten der Projektidee bei rund 200 Millionen Euro.

Vinschgerwind: Der Landeshauptmann ist jetzt 48. Werden Sie diese Umfahrung noch erleben?
Arno Kompatscher: Genau darum geht es. Wenn, dann müssen wir etwas machen, das wir alle noch erleben. Sonst sind das Luftschlösser. Das Projekt muss so gestaltet werden, dass es finanzierbar wird. Dann geht es darum, die Finanzmittel frei zu machen. Bei 200 Millionen sind wir derzeit, das ist zu viel.

Vinschgerwind: Welche Projektkosten würden Sie als real finanzierbar ansehen?
Arno Kompatscher: Wenn wir auf 130 bis 150 Millionen Euro kommen, lässt sich das Ganze zeitnah realisieren.

Vinschgerwind: Wann kommt die Zugverbindung in die Schweiz?
Arno Kompatscher: Das hängt von den Schweizern ab. Südtirol hat den Schweizern das Angebot gemacht, dass wir dafür Sorge tragen werden, dass 40% der Kosten über die EU finanziert werden, und dass wir uns die verbleibenden 60% der Kosten zwischen Südtirol und der Schweiz teilen. Bisher haben die Schweizer mit einer Beteiligung ihrerseits von 800 Millionen Euro gerechnet und das Projekt entsprechend bewertet. Mit dem neuen Vorschlag sind das 300 Millionen Euro zu Lasten der Schweiz. Das ist ein großer Unterschied. Die Schweiz wird dementsprechend nun eine neue Bewertung vornehmen. Von diesem Ergebnis hängt es ab, ob und wann gebaut wird.

Vinschgerwind: Bleiben wir beim Personentransport. Sie waren Präsident einer Liftgesellschaft. Wie sind die Liftgesellschaften im Vinschgau Ihrer Meinung nach aufgestellt?
Arno Kompatscher: (atmet tief durch) Bis vor kurzem hätte ich gesagt, zum Sterben zu groß und zum Leben zu klein. Es hat sich mit der Fusion von Schöneben-Haideralm einiges verbessert. Damit habe ich eine große Freude. Als ehemaliger Seilbahner kann ich sagen, dass die Zahlen gut sind. Das Projekt, zu dem wir rund 13 Millionen Euro mit Geldmitteln des Landes beigetragen haben, hat viel Zuversicht und Aufbruchstimmung gebracht. Das ist nicht ohne Weiteres replizierbar. Jedes Projekt muss einzeln bewertet werden, welche Effekte sich zwischen den Skigebieten ergeben würden, nach Umweltkriterien, nach Besucherströmen, nach Kosten-Nutzen usw. Wir haben die Frage Langtaufers-Kaunertal, wir haben die Frage Schöneben-Nauders. Ich glaube, dass man sich die Sachen ganz ideologiefrei anschauen und nach Stärken und Schwächen bewerten muss. Ein wichtiges Projekt ist das Turmareal Graun am Stausee. Das wird wunderbar. Ich finde auch das Langlaufprojekt in Langtaufers gut. Ich spüre, dass im Oberland und im Vinschgau Initiativen gestartet werden. Das war nicht immer so. Das nächste Thema ist das Stilfser Joch. Da haben wir die konkrete Möglichkeit, die Mittel aus dem Grenzgemeindefonds auf dem Joch oben einzusetzen. Das ist richtig so. Nicht alles zubetonieren, aber etwas Schönes zu machen.

Vinschgerwind: Ihren Enthusiasmus in Ehren. Glauben Sie wirklich, dass die Lombarden einer ErlebnisCard zum Stilfserjoch zustimmen werden?
Arno Kompatscher: Die Lombarden haben die Erlebniscard so gut wie unterschrieben. Sie sind zwar gegen eine Maut, die Erlebniscard aber ist in dieser Vereinbarung enthalten - die Serviceleistungen in einer Erlebniswelt gegen Bezahlung. Die Lombarden haben in ihrem Regierungsprogramm auch drinnen, dass sie keine neuen Gesellschaften gründen. Mit der Gründung einer Gesellschaft für die Aufwertung des Stilfserjochs machen sie eine Ausnahme. Das ist bemerkenswert.

Vinschgerwind: Bleiben wir in der Gegend. In Sulden gibt es einen Rekurs von Umweltverbänden gegen einen neuen Liftbau, den die Gemeinde, der Park und die Landesregierung genehmigt haben. Was sagen Sie?
Arno Kompatscher: Für mich ist das unverständlich. Ich verstehe, dass Umweltverbände darauf schauen, dass Gebiete naturnahe erhalten bleiben. In diesem Fall handelt es sich um ein Projekt, bei dem im Vorfeld alle Aspekte berücksichtigt worden sind. Die Botschaft war, dieses Projekt verwirklichen wir und danach ist Schluss mit neuen Liftanlagen in diesem Gebiet. Den Sinn hat auch die UVP in diesem Projekt gesehen, ein durchdachtes Gesamtkonzept. Der Rekurs, so mein Eindruck, wurde aus Prinzip gemacht. Wir werden unseren Beschluss natürlich verteidigen.

Vinschgerwind: Wirft dieser Rekurs einen Schatten voraus, was mit der Neuregelung des Nationalparkes passieren könnte?
Arno Kompatscher: Das wär’ ja schrecklich.

Vinschgerwind: Sie sind ja Optimist. Wie zuversichtlich sind Sie, dass man die neue Parkordnung im Umweltministerium zur Zufriedenheit der Parkbewohner durchbringen wird?
Arno Kompatscher: Ich bin aus einem Grund relativ zuversichtlich. Deshalb, weil wir als Land Südtirol im Umweltministerium einen guten Ruf haben und man uns Seriösität und Glaubwürdigkeit in Sachen Umwelt- und Landschaftsschutz zuschreibt. Nachdem man im Umweltministerium weiß, wie unsere Naturparks funktionieren, erhalten wir großen Respekt. Das ist dem Richard Theiner so ergangen und auch mir. Es geht auch um das Prinzip Vertrauen - eine Kommission soll über konkrete Projekte im Park, über eine Hoferweiterung usw., befinden. Es geht nicht, dass wir jeden Millimeter in die Parkordnung hineinschreiben. Ich glaube, das bekommen wir hin. Bisher ist der Park als Belastung empfunden worden. Jetzt haben wir die historische Chance, dass wir auf den Park stolz sein können. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen, aber die Chance ist da.

Vinschgerwind: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt versprochen, alle Gemeinden besuchen zu wollen. Eine Gemeinde meiden Sie wie der Teufel das Weihwasser...
Arno Kompatscher: ...ich war da noch nie eingeladen...

Vinschgerwind: ...wir haben die Gemeinde noch gar nicht genannt...
Arno Kompatscher: Ich weiß. Wir haben allen 116 Gemeinden das Angebot und zwar mehrmals gemacht, dass sich der Landeshauptmann Zeit nehmen würde. Ich war in fast allen Gemeinden. Es gibt eine Gemeinde, die mich bisher noch nicht zu einer Bürgerversammlung eingeladen hat: die Gemeinde Mals.

Vinschgerwind: Hören wir da so etwas wie Enttäuschung heraus?
Arno Kompatscher: Ja, ich wär’ gerne nach Mals gekommen. Man könnte die Malser Themen, insbesondere die große Pestizidthematik, gemeinsam diskutieren.

Interview: Erwin Bernhart

Publiziert in Ausgabe 17/2019

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