von Hubert Pohl, Köflgut Kastelbell
Es gibt bei uns bekanntlich ein Gesetz, nach dem große Bäume nur mit Genehmigung der Gemeinde oder der Forstbehörde geschlagen werden dürfen. In unseren Dörfern handelt es sich dabei in erster Linie um Nussbäume, oft auch um Kastanien und, im Oberland, um Palabirnen. Gepflanzt hat man diese Bäume hauptsächlich wegen des Ertrages und ihre Früchte spielten früher eine wichtige Rolle in unserer Bauernküche - aber nicht zuletzt auch wegen des Schattens im Sommer und vielleicht auch aus ästethischen Überlegungen.
Heute schätzen wir diese großen Bäume sehr. Große Bäume verbreiten stets ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit, besonders die alten Nussbäume. Ohne sie würden unsere Dörfer, vor allem im Obstbaugebiet, heute traurig aussehen: Im Sommer immer mehr Hagelnetze und im Winter die Zementlandschaft mit vier Meter hohen Säulen, welche viele Bauern am liebsten bis in den Hof hinein aufstellen würden. (Man muss sich fragen: Warum bekommen diese Säulen nicht von der Fabrik aus eine Farbtönung, damit sie besser in die Landschaft passen?)
Das Problem besteht heute darin, dass die großen Bäume immer mehr unter Krankheiten und vor allem auch Schädlingen zu leiden haben und dass die Besitzer nicht imstande sind, deren Bekämpfung selbst auszuführen. Auch die Obstbauern sind heute weder technisch noch fachlich in der Lage, einen 10 bis 20 Meter hohen Nussbaum richtig zu spritzen. Es fehlt auch jede Beratung. Dabei haben wir gerade hier im mittleren Vinschgau schon seit rund 10 Jahren fast einen totalen Ernteausfall bei Nüssen, verursacht durch die Walnussfruchtfliege, welche Anfang August auftritt. Von ihr werden zwar nur die Außenschalen, die „Bratschen“ befallen, diese faulen aber und die Nuss ist damit unbrauchbar. Sie fällt schwarz und schmierig vom Baum und verschmutzt auch noch die Höfe. Die Marssonische Krankheit, eine Art von Schorf, verursacht im windigen Vinschgau zum Glück weniger Schaden.
Im Leitfaden des Beratungsringes für Obst- und Weinbau kann man lesen, dass man gegen die Fruchtfliege Gelbfallen, eine Art von Fliegenfänger, einsetzen kann. Auch ein Spritzmittel (Laser) wird empfohlen. Es heißt aber, dass man nur mit einer Nebenwirkung rechnen kann. Man kann daher wohl nicht erwarten, dass ein Nussbaumbesitzer mit viel Mühe seinen Baum spritzt und auf diese „Nebenwirkung“ hofft. Da müssen schon andere Mittel her! Noch dazu gibt ihm niemand einen genauen Einsatztermin.
Mein Vorschlag: Die Laimburg und der Beratungsring sollten sich viel mehr als bisher um die Krankheiten und Schädlinge der Nussbäume kümmern. (Die Kastanien haben ja bereits einen Förderverein.) Die Nüsse sind schließlich auch Obst und vor allem tragen die Bäume wesentlich zum Landschaftsbild bei.
Wenn der Besitzer schon per Gesetz zum Erhalt der Bäume verpflichtet ist, dann sollte die öffentliche Hand auch ihren Beitrag zu deren Erhalt und Pflege beitragen. Dies geschieht meines Erachtens am
besten dadurch, dass sie die Krankheits- und Schädlingsbekämpfung übernimmt. Dazu braucht es ein geeignetes Spritzgerät und wahrscheinlich auch einen entsprechenden Leiter. Außerdem braucht es einen Fachberater, der sowohl den Termin wie auch die einzusetzenden Mittel bestimmt. Die Ausführung könnte entweder die Bauernjugend, die Jungfeuerwehr oder die Gemeinde selbst übernehmen.
Die nächste Frage lautet: Wie kann man Bauern und Hausbeitzer dazu bringen, wieder Nussbäume zu pflanzen? Zuerst einmal muss dafür gesorgt werden, dass sie an den alten Bäume wieder Spaß haben, eben dadurch, dass ihenen von der öffentlichen Hand bei deren Pflege geholfen wird. Man könnte auch daran denken, einen „Verein Freunde der Nussbäume“ zu gründen, welcher die Besitzer von Nussbäumen berät und betreut. Damit, dass man ihnen junge, mit guten Sorten veredelte Bäume zur Nachpflanzung besorgt, wäre schon viel geholfen. Die heute stehenden alten Bäume sind ja alles Zufallssämlinge, das heißt, praktisch ist jeder Baum eine andere Sorte. Die Nüsse könnten - soweit man sie nicht selbst verbraucht - an unseren Bäcker geliefert werden, der daraus die Vinschger (oder Kastelbeller) Nusstorte kreiert. Heute müssen wir uns die „Engadiner Nusstorte“ kaufen oder eine „Linzer Torte“ backen!
In unserem Dorf stehen heute noch - zum Glück - mehr als ein Dutzend herrliche alte Nussbäume. In ihrem Schatten könnte man jeden Sommer die Nussfreunde zu einer gemütlichen Marende einladen, mit dem Höhepunkt: Vinschger Nusstorte zu einem guten Nusseler. Zum Abschluss könnte man dann das berühmte Lied „Der Nussbaum“ von Robert Schumann singen und sitzen bleiben, bis einem die (gesunden) „Nussen“ auf den Kopf fallen.
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