Dienstag, 25 August 2015 12:00

Berge ohne Gefahr sind keine Berge

Aus dem Gerichtssaal - Auf das Thema dieses Beitrages gestoßen bin ich durch eine Aussendung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom Juni dieses Jahres. Da hatte ein Tiroler Arzt an einer freiwilligen Übung des Österreichischen Bundesheeres für einen Felslehrgang im Wilden Kaiser teilgenommen. Der Arzt war von herabfallenden Steinen, ausgelöst durch den Vorkletterer, getroffen und schwer verletzt worden.
Er verklagte den Seilgefährten auf Schadenersatz. Die Klage wurde sowohl von Erstgericht als auch von der Berufungsinstanz abgewiesen, denn… „auch bei sorgfältiger und vorsichtiger Bewegung im ungesicherten Hochgebirge ist es nicht zu vermeiden, dass durch Personen einzelne Steine gelöst werden können beziehungsweise ein Steinschlag verursacht wird“.
Schon allein die Klageführung mag verwundern. Allerdings entspricht sie einer mittlerweile weitverbreiteten Vollkaskomentalität und einem Anspruchsdenken, wonach es für jedes Unglück einen Schuldigen geben muss. Eigenverantwortung ist jedenfalls ein Fremdwort. Dabei sollte es gerade im Bergsport zum alltäglichen Vokabular gehören. Denn spätestens seit er zum Breitensport geworden ist, hat der Berg seine rechtliche Unschuld verloren und sind Wände und Gipfel kein rechtsfreier Raum mehr.  Doch muss dies noch kein Grund zum Verzweifeln sein! Juristen sind nämlich nicht notwendigerweise berg-und wirklichkeitsferne Personen. Sie können vielmehr  Rechtsgrundsätze entwickeln, welche bei der Lösung  von straf- und zivilrechtlichen Problemen bei Bergunfällen hilfreich sind. Als Beispiel mögen die tödlichen Unfälle beim Extremberglauf auf die Zugspitze (2962m) im Juli 2008 dienen. Dabei starben zwei Bergläufer  an Unterkühlung und Erschöpfung, da sie sich in kurzen Hosen und Leibchen dem Schneetreiben und den eisigen Winden ausgesetzt hatten. Die Staatsanwaltschaft München erhob Anklage gegen den Veranstalter,  das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen sprach ihn jedoch frei: Die Verstorbenen hätten sich eigenverantwortlich selbst gefährdet!  Und damit wären wir schon beim Grundsatz der Eigenverantwortung: Wer sich am Berg gefährdet, kann nicht die strafrechtliche Verantwortung eines weiteren Beteiligten einfordern. Klassisches Beispiel ein tödlicher Lawinenabgang: Zwei Skitourengeher befahren einzeln einen Gipfelhang, der erste wartet an einem ihm sicher erscheinenden Standort. Der Zweite löst ein Schneebrett aus, das den unterhalb wartenden Skibergsteiger tödlich in die Tiefe reißt. Antwort des Juristen: So wie in den anderen gefährlichen Sportarten (Boxen, Radrennfahren, Rugby, Eishockey usw.) ist auch beim Bergsport das Risiko ständiger Begleiter und nicht immer beherrschbar. Und es macht auch rechtlich keinen Sinn, immer nach einem Schuldigen zu suchen, denn Berge sind nun einmal ohne Gefahren nicht zu haben!
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt

P.S.: Verwendete Literatur:
Klaus Burger, Risiko, warum nicht? In „bergundsteigen“ 2/11

{jcomments on}

Publiziert in Ausgabe 17/2015

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.