Dienstag, 15 November 2016 12:00

„Es fehlen die Initiativen!“

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s10 7929Vinschgerwind - Interview

Vinschgerwind: Letzte Woche gab es im Landtag eine mehrstündige Debatte über die Berglandwirtschaft. Können Sie definieren, was man unter Berglandwirtschaft versteht?
Josef Noggler: Es ging um die extreme Berglandwirtschaft. Da reden wir über Bauernhöfe, die 70 und mehr Erschwernispunkte haben.

Vinschgerwind:Was versteht man darunter?


Noggler: Darunter versteht man Höfe im Steilen Gelände, nicht in der Talsohle.

Vinschgerwind: Die SVP-Bauernvertreter Noggler, Kuenzer und Wurzer forderten eine solche Grundsatzdebatte bereits vor gut einem Jahr. Warum hat sich das so lange hingezogen?
Noggler: Wir haben eine solche Debatte anlässlich der Haushaltsdebatte im vorigen Jahr eingefordert. Aus unserer Sicht hat die Berglandwirtschaft zu wenig Unterstützung, auch finanzieller Natur. Wir wollten mit der Debatte eine Standortbestimmung im Landtag. Brauchen wir die Berglandwirtschaft? Oder ob die Höfe überflüssig sind, wie es teilweise im Trentino, im Valtellina, in Belluno und auch andernorts festzustellen ist. Wenn nämlich im Landtag eine solche Meinung vorherrscht, dann brauchen wir nicht lange für Geld und Unterstützung zu kämpfen. Eigentlich hätte die Debatte heuer im Juni abgeschlossen werden sollen. Aber viele Dinge waren anscheinend wichtiger. Der Haushalt steht mehr oder weniger.

Vinschgerwind: Bei der Debatte im Landtag hat man den Eindruck gewonnen, die Landtagsabgeordneten sind alle Bergbauern.
Noggler: Das ist halt immer so. Vor Wahlen und auch weil viele Bergbauern als Zuschauer auf der Tribüne waren, will sich keiner eine Blöße geben und alle haben vollstes Verständnis für die Berglandwirtschaft gezeigt. Im Regionalrat legen wir zwei Gesetzesänderungen vor, im Sozialbereich für die extreme Berglandwirtschaft. Da werden wir sehen, welche Unterstützung wir haben werden.

Vinschgerwind: Was sind aus Sicht der Bauernvertreter, wie auch Sie einer sind...
Noggler: ...unter anderem...

Vinschgerwind: ...was sind also die konkreten Forderungen?
Noggler: Das sind mehrere. Unsere Hauptforderungen sind, die Voraussetzungen zu schaffen, dass ein Berglandwirt von seiner Arbeit leben kann. Das betrifft zum einen die Milchsituation...

Vinschgerwind: Auf der anderen Seite ist es so, dass ein Bauer mit weniger als 10 Milchkühen nicht von seiner Baurschaft leben kann..
Noggler: Bleiben wir bei diesen Zahlen. 10 Milchkühe ergeben rund 50.000 Kilo Milch bei einem Umsatz von rund 25.000 Euro. Zieht man die Spesen ab, Versicherungen, Tierarzt, Steuern, Nafta, Kraftfutter, Maschinenkosten usw. kommt am Ende des Jahres ein Minus heraus. Deshalb braucht es Fördermaßnahmen. Auch andere Möglichkeiten eines Zuerwerbs sind zu öffnen, z.B. im Energiebereich mit kleinen E-Werken. Oder mit dem Urlaub auf dem Bauernhof. Oder die Richtung Qualitätsfleisch. Aber da braucht es die Voraussetzungen. Thema Schlachthof. Da treten wir seit Jahren auf der Stelle. Der Kleintierzuchtverband betreut den alten Vives-Schlachthof in Bozen und der ist im Besitz der Stadt Bozen. Das Wasser rinnt da vom Dach in die Kühlzellen, die Kosten sind hoch. Da sind die Voraussetzungen zu schaffen, dass etwa ein Schlachthof im Eigentum des Landes gebaut wird, der vermietet wird. Sonst kann sich im Fleischbereich nichts entwickeln. Ich habe einfach das Gefühl, dass alles schleppend weitergeht. Es fehlen die Initiativen. Auch deshalb diese Diskussion.

Vinschgerwind: Sie kritisieren Ihren Freund, den Landesrat Arnold Schuler?
Noggler: Überhaupt nicht. Schuler hat die Situation des Schlachthofes geerbt. Ich vertrete eine Meinung und zwar, dass viele Dinge anzugehen sind.

Vinschgerwind: Ist Ihre Meinung auch die Meinung des Bauernbundes, aber nicht des Landesrates?
Noggler: Wir können von außen beurteilen, dass die Bauern leiden und viele Dinge schneller gehen müssten. Das ist auch die Meinung des Landesrates, aber so schnell geht es aber nicht. Es sind Finanzierungen zu suchen, es sind Mehrheiten zu suchen usw. Wir akzeptieren das auch. Wir sagen aber auch, dass man die Bauern nicht fünf Jahre warten lassen kann.

Vinschgerwind: Fakt ist, dass die Auszahlungen von Beiträgen in die Länge gezogen wird. Technische Gründe werden da angegeben. Ein untragbarer Zustand?
Noggler: Die Bauern brauchen zeitlich verlässliche Termine bei den Auszahlungen, weil Rückzahlungen bei den Banken zu machen sind. Von 2015 sind noch ca. 900 Beiträge offen. Eine für die Betroffenen sehr problematische Situation. Früher war es so, dass die Landwirtschaft ihren Bereich informatikmäßig verwaltet hat, auch andere Bereiche haben das getan. Mit dem Zusammenfassen der gesamten Informatik in den Händen der Landesrätin Deeg sind nun mehrere Landesämter involviert und nicht mehr der Landesrat Schuler allein. Dieses Problem ist teils gelöst. Aber bei der Informatik allgemein sind wir weit hinten, fast an letzter Stelle in Italien. Da ist mehr zu investieren. Und da ist halt mehr Druck zu machen. Das ist eine der Aufgaben eines Landtagsabgeordneten. Wenn wir Probleme sehen, sollen die auch angesprochen werden.

Vinschgerwind: Interessant ist, dass der Druck aus eher, mit Verlaub, technikfernen bäuerlichen Kreisen kommt.
Noggler: So falsch ist das nicht. Kollege Schuler und meine Wenigkeit haben bereits in der letzten Legislatur in einem Antrag darauf hingewiesen. Am Geldmangel, so ist es uns gesagt worden, ist das dann gescheitert. Wir stellen uns nun vor, dass mit der neuen Landesregierung  mehr Geld zur Verfügung stehen müsste.

Vinschgerwind: Zurück zur Berglandwirtschaft. Soll es eine bessere Differenzierung zwischen Kleinbetrieben und größeren Betrieben geben?
Noggler: Ja. Der Grund ist einfach. In Hanglagen gibt es erschwerte Bedingungen, geringere Flächen. Talbauern haben leichtere Alternativmöglichkeiten im Beerenanbau usw. Ein Zuerwerb ist im Tal leichter.

Vinschgerwind: Es gibt ja schon mit den Erschwernispunkten differenzierte Beitragsauszahlungen.
Noggler: Die Erschwerniszulage ist sehr gering. Die derzeitige Beitragsvergabe differenziert viel zu wenig. Im Gegenteil. Sie kommt eher den Talbauern als den Bergbauern zugute.

Vinschgerwind: Warum denn?
Noggler: In die flächenbezogene Erschwerniszulage sind bisher die Almweidetage miteinberechnet worden. Ein Hof, sagen wir mit 4 Hektar, hat also für rund 8 Hektar, da ist die Almweide miteinberechnet, die Zulage bekommen. Heute wird das anders gehandhabt: Es gibt insgesamt eine kleine Erhöhung der Zulage pro Hektar für alle, die Almweidetage sind aber gestrichen. Das heißt ein Talbauer bekommt mehr und ein extremer Bergbauer bekommt unterm Strich weniger. Eine andere Anregung kam bei der Diskussion, dass es Förderungen für Maschinen, die nur ein Bergbauer braucht, geben sollte. Eine weitere Anregung war, dass man beim Maschinenkauf wieder Verlustbeiträge gewähren sollte. Kritik gab es auch in Richtung Laimburg. Es gab wegen der Kirschessigfliege teilweise einen Totalausfall bei der Ernte von Beeren in höheren Lagen. Das darf nicht passieren. Die Laimburg müsste dieses Problem doch im Griff haben.

Vinschgerwind: Kommt das von Schuler angekündigte Forschungsprogramm Ihren Forderungen entgegen?
Noggler: Die Beratung ist zu intensivieren. Der Bergbauer muss zeitig wissen, wie er seine Ernte retten kann. Bei den Trauben hat es funktioniert, weil man wusste, dass diese Fliege bei Himbeeren und Johannisbeeren bereits große Schäden angerichtet hat.

Vinschgerwind:Die Debatte über die Bergbauern auch als Wahlkampfgetöse? Siegfried Rinner, der Bauernbund-Direktor und gebürtige Latscher, wird in Stellung gebracht?
Noggler: Diese Frage musste ja kommen. Das ist ja noch zwei Jahre weg. Ich glaube dass Rinners wirtschaftliche Situation heute nicht mit einem Landtagsmandat konkurrieren kann. Er würde damit auf Geld und Einfluß verzichten. Und dass er einen Schuler beerben will, glaube ich nicht. Da wird einiges aufgebauscht.

Vinschgerwind: Es soll sich also in der Berglandwirtschaft rasch viel ändern.
Noggler: Weil uns das alles zu langsam geht, deshalb haben wir diskutiert. Die Bauern wollen klare und rasche Antworten. Es gibt im bürokratischen viele Möglichkeiten für Erleichterungen, im sozialen Bereich auch. Immer wieder brandet Kritik gegen die privilegierten Bauern auf. Wo sind die? Wenn jedes Jahr rund 120 Bauern aufgeben, dann sind die Bauern sicher nicht privilegiert. Wenn dem so wäre, hätten wir jährlich 100 Bauern mehr und nicht weniger.
Interview: Erwin Bernhart

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