Könnte eine Schutzhütte Geschichten erzählen, die AVS Oberetteshütte hätte deren unzählige.
Seit gut einem Viertel Jahrhundert steht sie nun am Rande des verwaisten Oberettesferner und trotzt Schnee, Gewitter, Hagel und manchmal musste sie sicherlich auch so manchen Gästen und Bewohnern die Stirn bieten. Die Hütte in der  widerspenstigen Steinbauweise ist voller Geheimnisse.
Wer weiß denn schon, dass die heute sorgfältig gemauerten Umfassungen der Hütte schon 1883 ersten Gästen Schutz bot? Sicherlich damals war es eine einfache Schutzhütte, hauptsächlich gebaut um den Touristen die Möglichkeit zu verschaffen, aus dem Ötztal und dem Schnalstal auf kürzestem Wege zur Ortlergruppe zu gelangen.
Was werden die „Hearischen“, wie man die Touristen damals genannt hat, besprochen haben, was hat sie auf die damalige Karlsbader Hütte geführt? Abenteuerlust, Neugierde?
Das damalige Proviantdepot gab jedenfalls genug her für lange und trinkfeste Nächte: „Tee, gebrannten Kaffee, Rum, Cognac, Malaga, Sherry, Zucker, Cacao, Zwieback, Fleischextrakt, Erbsensuppeextrakt und Karlsbader Magenlikör.“
Mehr und mehr mussten sich die Gemäuer an steigende Besucherzahlen gewöhnen, immer mehr wollten in die unberührte Gegend an den „Oberen Etten“, was so viel heißt wie öd. Mehr Gäste, steigende Ansprüche. Stolz verkündete man in den Schriften des AV über „vortreffliche Lagerstätten, Apotheke, Bibliothek, meteorologische Instrumente, Gletscherseile und Eispickel“ der Karlsbader Hütte.
Bald musste ausgebaut, vergrößert werden. Ein Mullistall musste her und von da an wurde die Hütte auch saisonal bewirtschaftet. Nun trug die Hütte jeden Tag Leben in sich. Abenteuerliche Geschichten sollen sich zugetragen haben, von versuchten Überfällen auf die Wirtin wird heute noch erzählt. Der Steig, von Franz Höller finanziert, trägt heute noch den Namen „Hearasteig“.
1902 beschließt die Sektion Prag die Karlsbader Hütte in Höllerhütte umzubenennen, um den großen Förderer Franz Höller zu würdigen. Und wieder wurde es turbulent um und im Schutzhaus: Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte 1919 die Enteignung  und militärische Besetzung der Hütte. Der CAI betrieb die Hütte bis zum Brand 1945.
Könnte sie erzählen, die Hütte, man würde mehr erfahren über diese Zeit und die trostlosen Jahre, in der sie als Ruine Jahrzehnte dahinvegetierte.
Doch bald sollte die Geschichte der Hütte weiter geschrieben werden: aus den Steinen, den Gemäuern der Ruinen entstand ein neues Schutzhaus: groß, hell und modern. Die trotzige Steinbauweise blieb. 1982 beschloss der AVS den Bau und den Abriss der traurig wirkenden Ruine.
Nun erlebten die Steinmauern abermals Neues: Bagger, Beton, Barackenteile und sogar Hubschrauber. Hubschrauber der italienischen Armee, die Gratisflüge im Gegenwert von 16 Millionen tätigten und dem Bau einen gewaltigen Aufschub gaben. Endlich gab es wieder Leben am Fuße des Oberettesgletschers.
Engagierte Freiwillige und ein tatkräftiger Ortsstellenleiter in der Person von Wilhelm Gunsch hauchten den verwaisten Gemäuern neue Lebendigkeit ein.
Sommer um Sommer, Sonntage um Sonntage, bei Regen, Schnee und Sonnenschein: die Matscher und viele Handwerker des Vinschgaus hämmerten, mauerten, betonierten und zimmerten. Viele unglaubliche und für die heutige Zeit unmögliche Geschichten fallen in diese Zeit des Umbruchs, des Neubeginns. 1984 ging die Materialseilbahn in Betrieb, ein wiederum neues Geräusch in der sonst so ruhigen Gegend.
Einige Hüttenwirte- und Hüttenwirtsfamilien hat das Haus in diesem Viertel Jahrhundert erlebt, unzähligen Gästen gewährte sie Einblick in den Hüttenalltag auf 2670m Höhe. Sie sah Kinder aufwachsen und unbeschwerte Sommer genießen, genauso wie sie Gegenstand von Streitereien, schweren Entscheidungen, Arbeit und Abschied war.
Immer wieder muss sie sich, will sie den eitlen Anforderungen der Zeit entsprechen, anpassen und erneuern. In den letzten Jahren wurde ein neuer Steig zur Hütte errichtet und die Küche vollständig neu eingerichtet. Auch auf die Wasserversorgung durch einen hydraulischen Widder und eine umweltfreundliche Kläranlage wurde Wert gelegt. Die Oberetteshütte unterliegt einem nie endenden Wandel, wie die Menschen, die sie besuchen.
Ihre zirmgetäfelte Meraner Stube, die holzverkleideten, hellen Zimmer und die geräumigen Lager rufen bei den Gästen immer wieder Begeisterung hervor. Und trotzdem ist die Oberetteshütte eine Schutzhütte geblieben, die vielen Weißkugelgehern, mittlerweile aber auch Wanderern und Familien Unterkunft gewährt.
Es hängt immer noch einiges Abenteuerliche und etwas Neugierde zwischen den Mauern der Oberetteshütte. Heute noch.
Karin Thöni-Heinisch

Publiziert in Ausgabe 18/2013

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