Die Gemeinde Schlanders ist eine ambitionierte. Zu den realisierten Großprojekten gesellt sich mit dem fertig gestellten Kindergarten nun ein weiteres. Als Holzbau kommt der neue Kindergarten daher und stellt sich zweifelsohne in die Reihe ästhetisch anspruchsvoller öffentlicher Bauten in Südtirol.

Text: Angelika Ploner  |  Fotos: Renè Riller

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Dort, wo Trockensteinmauern den Vinschger Sonnenberg formen und uralte Kastanienbäume seit Jahrhunderten ihren Platz behaupten, steht der neue deutschsprachige Kindergarten - idyllisch - ganz am Fuße. Knapp 500 Tage lang glich das Fleckchen Erde einem Ameisenhaufen. Dutzende von Handwerkern arbeiteten im Hochdruck  bis am gestrigen 5. September, als sich die Türen des Kindergartens für das neue Kindergartenjahr öffneten. Die Freude darüber stand ganz auf Seiten der 72 Kinder, die heuer den Kindergarten besuchen, auf Seiten der Eltern und des Kindergarten-Teams, Lob und Anerkennung auf jener von Bauleiter Christian Kapeller.

Ein Blick zurück. Über 100 Jahre hatte der alte Kindergarten, benannt nach dem Landesgerichtsarzt Dr. Heinrich Vögele (1806 – 1862)  auf dem Buckel. 1908 zum Kaiserjubiläum errichtete man ein neues Gebäude, das aus Gemeindeprotokollen als „Kinderbewahranstalt“ hervorgeht. Bis zum Abriss im vorigen Jahr hat das im Jugendstil errichtete Kindergartengebäude seine Gestalt und Funktion behalten. Adaptierungsarbeiten wurden im Laufe der Jahre mehrmals notwendig, aber nur einmal – im Jahr 1978 – wurde der Kindergarten gründlich saniert und erweitert.

EU-weite Auslobung. Vorausgegangen war dem Neubau ein von der Gemeinde Schlanders zweistufiger, EU-weit ausgelobter Architekturwettbewerb. Bis am neunten Juli 2009 flatterten über 200 Teilnahmeanträge von Architekten in der Gemeinde Schlanders ein. Übrig blieben nach der ersten Stufe noch zehn, die in die zweite Runde kamen, darunter Kapeller. Innovative Ideen, architektonische Qualität, das Raumkonzept, die Qualität der Innen- und Außenräume und die Wahl der Materialien hatten die Jurymitglieder zu überzeugen. Das Projekt von Architekt Christian Kapeller, der nun auch den Architekten Stefan Marx mit ins Boot holte,  überzeugte schlussendlich vollends und holte Platz eins des internationalen Wettbewerbs.

s35_kiga2Die Natur als Spiegel. Die Architekten wählten Holz als Material, als konstruktives und dekoratives Element. „Ökologische, thermische und architektonische Gründe waren dafür ausschlaggebend“, sagt Kapeller, „ökologisch, um den Kindern Nachhaltigkeit näher zu bringen, thermisch, weil Holz Wärme speichert und einen hohen Wärmedämmwert erreicht und architektonisch, weil sich die naturbelassenen Holzfassaden in die einmalige Kulturlandschaft am Vinschger Sonnenberg einfügen.“ Zwei versetzte Holzkuben bilden deshalb den neuen Kindergarten, Holzkuben,  die sich „Richtung Sonnenpromenade entwickeln und Stelen und Kastanienbäume aufnehmen“. Architektur kann eben auch im Dialog mit der Natur entstehen, vor allem dann, wenn es gilt diese Natur zu entdecken, wie es hier im Kindergarten in Schlanders ganz im Sinne der Montessori-Pädagogik pädagogisches Ziel ist. Ein harmonisches, naturnahes Konzept hat Kapeller einer Selbstinszenierung vorgezogen und damit Respekt vor der Kulturlandschaft bewiesen. Nach oben hin schließt das Gebäude ein Flachdach – begrünt – ab. Hinter der Fassade aus senkrecht angebrachten Eichenholz-Leisten, die mit ihren verschiedenen Breiten eine vielseitige Struktur bilden,  verbirgt sich ein Dämmpaket, das den neuen Kindergarten auf  Klimahaus-Standard A bringt. Bündig eingeschnittene, groß dimensionierte Panoramafenster, die sich übers Eck ziehen, erlauben großzügige Blicke in die umgebende Natur, scheinen diese ins Innere zu holen. Gleichzeitig fällt viel Licht ein und durchflutet die Räume.

s37_kiga4Architektonische Maßarbeit. Der große freundliche Eingangsbereich lädt zum Eintreten und zeigt auf Anhieb: Der neue Kindergarten ist Maßarbeit. In doppeltem Sinne. Einmal, was die Raummaße anbelangt, zum anderen ist er auf die Bedürfnisse von Kindergartenkindern und Kindergarten-Team zugeschnitten. Das kommt nicht von ungefähr. Denn das Kindergarten-Team und die Direktorin Marianne Bauer haben die Einrichtung mitgeplant, in Teamarbeit hat das Innenleben Form und Gestalt bekommen, geplant nach den Regeln der Funktionalität. Alle Räume verfügen über beste akustische Eigenschaften. Absorber an Böden, Decken und Wänden dämpfen Lärm und Hall, sorgen für eine gute Raumakustik und tragen damit wesentlich zum Wohlbefinden, zur Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei. Neben dem großzügigen Eingangsbereich nimmt das Erdgeschoss ein Büro, zwei Gruppenräume mit Zusatzräumen, Küche, Kinderküche, einen Montessori-Raum, einen Lagerraum und ein Archiv auf. „Zu jedem Gruppenraum gehören jeweils ein Abstellraum, eine Garderobe und ein Waschraum mit Toiletten“, sagt Elke Kofler, die Leiterin des Kindergartens begeistert vom großzügigen Raumangebot und dem Interieur. Denn jeder Gruppenraum hat eine zweite Ebene und eine „Höhle“ als Rückzugsraum, „wenn die Kinder die Tante einmal nicht mehr sehen wollen“, lacht Kofler. Fenster auf verschiedenen Höhen gewähren Durchblicke und Einblicke, stellen Blickbeziehungen her und sind von Eiche umrahmt. Eiche hat ihren Auftritt überhaupt im gesamten Interieur und wechselt sich mit weißen MDF-Platten ab. Die Architektursprache von Christian Kapeller ist spätestens hier ablesbar, seine Detailverliebtheit in zwei Geländern aus Holzscheiben, die vom einzigen abgeholzten Kastanienbaum stammen, offenkundig. Das erste Obergeschoss beherbergt hingegen zwei weitere Gruppenräume mit Zusatzräumen, einen Personalraum, einen riesigen Bewegungsraum und einen Ausweichraum. Aufgrund der Hanglage gelangt man von beiden Geschossen ins Freie.

s35_kiga6Die Außengestaltung. Die Freiflächen warten noch auf ihre endgültige Gestaltung. Innerhalb dieses Jahres wird auch diese fertig gestellt sein und der Neubau des Kindergartens mit Gesamtkosten von drei Millionen Euro sich endgültig in die Reihe realisierter Großprojekte der Gemeinde Schlanders stellen. Stolz nicht nur auf den Kindergarten, sondern auch auf die Zusammenarbeit, ist die Referentin Monika Holzner-Wunderer: „Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde, Architekt, Baufirmen, Kindergartenteam und Direktorin Marianne Bauer war ausgezeichnet. Der Architekt Christian Kapeller hat den Bau verantwortungsbewusst gebaut.“ Und: „Die hohen Qualitätsansprüche sind gerechtfertigt.“

Publiziert in Ausgabe 18/2012

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