Montag, 31 Oktober 2011 00:00

Historischer Boden Lagaun

kultur952Das Lagauntal: Ein seltenes Kleinod der Natur im hinteren Schnalstal, das es zu bewahren gilt. Dieser Meinung sind zumindest wohl ein Großteil der Menschen, die es kennen und lieben gelernt haben. Einheimische und Touristen gleichermaßen. Politisch hat das hochalpine Tal in der letzten Zeit für viel Wirbel gesorgt, aber nun beharrt der Großteil des Gemeinderates auf eine Verankerung des Satzes „keine Straßen im Lagauntal“ im Landschaftsplan. Nun ist die Landesregierung gefordert.
Nicht nur aus der Sicht des Naturschutzes sollten Almen im Schnalstal wie das Lagaun-tal äußerst sensibel behandelt werden, denn es bietet neben seiner unberührten Einzigartigkeit auch verborgene Schätze, die nicht gleich jedermann ins Auge springen. Im Jahr 2011, also 20 Jahre nach dem Fund von „Ötzi, dem Mann aus dem Eis“ am Tisenjoch, wird jetzt auf dem Geobrowser der Provinz seit wenigen Tagen das Gebiet um die Fundstelle erstmals als „archäologische Zone“ ausgewiesen. Weitere sollen mit dem neuen Landschaftsplan folgen. „Im Lagauntal werden diese Zonen wohl mit dem neuen Landschaftsplan eingetragen“, erklärte Hubert Steiner vom Amt für Bodendenkmäler und verantwortlich für den Vinschgau.
kultur107Wir erinnern uns: Der Fund von „Ötzi“ hat der Forschung im alpinen Raum einen gewaltigen Auftrieb gegeben. Bis zum historischen Datum 19.9.1991 ging man nicht davon aus, dass der alpine Raum bereits in der Steinzeit besiedelt war.  In den letzten Jahren wurde bereits einiges erforscht, beispielsweise sehr umfassend das Schlandrauntal. Im Schnalstal verliefen diese Untersuchungen eher schleppend, aufgrund seiner Bedeutung für die Forschung eher unerklärlich. Geld für Archäologie ist leider immer knapp, erst vor kurzem kam etwas Schwung in die Sache.

Archäologie im Lagauntal
Im Rahmen des laufenden Forschungsprojektes „Das neolithische Landwirtschaftssystem in den Inneralpen“ des Instituts für Botanik der Universität Innsbruck unter der Leitung von Klaus Öggl und dem kultur704Amt für Bodendenkmäler Bozen, wurde im Jahre 2010 nach archäologischen Fundstellen im Lagauntal gesucht. Der Archäologe Andreas Putzer betreute die Grabungen:  „Ziel des Projektes ist es festzustellen, wann der Mensch im Alpenraum mit der Weidewirtschaft begonnen hat. Dazu erfolgt eine Erhebung archäologischer Fundstellen, wie  z.B. prähistorischer Rastplätze und eine archäobotanische Untersuchung der Hochmoore. Im Lagauntal wurden in der Nähe des Hochmoores mittels Kernbohrungen Profile erstellt, um in den tiefer liegenden Torfablagerungen, die aus der Jungsteinzeit stammen,  eventuelle Spuren menschlichen Einflusses auf die umliegende Vegetation zu finden. In den Hochmooren lagern sich unter anderem Pollen von Getreide und vor allem von sogenannten „Weidezeigern“ ab, wie z. B. das Labkraut. Diese wachsen nur, wenn die Umgebung vom Vieh gedüngt wurde. Parallel dazu finden Begehungen des Geländes statt, um nach eventuellen archäologischen Fundstellen zu suchen. Im Lagauntal wurde bereits in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine mittelsteinzeitliche Fundstelle entdeckt, die ins 8. Jahrtausend v. Chr. datiert wurde. Im Jahre 2010 wurden drei weitere Fundstellen im Lagauntal entdeckt. Eine findet sich auf den Rossböden auf etwa 2.500 m.ü.M.. Unterhalb eines großen Felsens haben Jäger in der Steinzeit nachweislich Rast gehalten. Der Felsen wurde bis vor kurzem genutzt, davon zeugt ein kürzlich errichtetes Mäuerchen. Die Funde beschränken sich auf wenige Feuersteinsplitter, die ebenfalls ins 8. Jahrtausend v. Chr. datieren. In der Mitte des Talbodens finden sich teilweise obertägig Mauerreste, die an einer Steinplatte angebaut sind. Eine Untersuchung ergab den Fund von Feuerstein und eine Bleikugel. Es scheint ein Unterstand von Jägern gewesen zu sein. Die Bleikugel datiert ins 17./19. Jahrhundert, der Feuerstein wurde ehemals an Vorderladern verwendet, um das Schießpulver zu entzünden. In der Nähe des alten Hirtenunterstandes, dessen Reste heute noch sichtbar sind, konnte ein weiterer prähistorischer Fundort entdeckt werden. kultur956Vorgefunden wurde eine schwarze Kohleschicht, die verbrannte Tierknochen enthielt und einige Feuersteinabschläge. Das Fundmaterial kann leider nicht genauer zeitlich festgemacht werden. Weitere Untersuchungen bzw. eine Radiokarbondatierung der geborgenen Holzkohle sollte die zeitliche Nutzungsphase eingrenzen.“
Höchste Aufmerksamkeit schenkt auch der schwedische Forscher Torstein Sjôvold dem Lagauntal, der sich fast 20 Jahre mit der Mumie beschäftigt. Er vermutet noch immer, dass Ötzi von hier aus zum Tisenjoch aufbrach und über eines der Jöcher vom Vinschgau aus kam. Bei seinem Besuch im September beendete aber der frühe Schneefall leider seine Begehungen.
Neben den interessanten Funden im Tisen- und Finailtal, die jetzt der Öffentlichkeit von Hubert Steiner und Andreas Putzer vorgestellt werden, bietet das Lagauntal sicher noch einiges Material für Forschungen im alpinen Raum von Ötzi.

Elke Wasmund

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

Publiziert in Ausgabe 22/2011

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