Dienstag, 01 April 2014 00:00

Die heilsame Watsch‘n

Aus dem Gerichtssaal - Anlass für diese Glosse bilden zwei Vorfälle, welche in den letzten Wochen von italienischen Tageszeitungen vermeldet wurden. Da hat ein 9-Jähriger hartnäckig die Schule geschwänzt. Als seine Mutter ihm dahinter kam, verabreichte sie ihrem Sprössling eine schallende Ohrfeige. Dieser hatte wohl vom Fernsehen Filme in Erinnerung, in denen von der Polizei als deinem Freund und Helfer die Rede war. Jedenfalls griff er kurzerhand zum Telefon und rief mit schluchzender Stimme die Carabinieri an: “meine Mutter verprügelt mich!“ Worauf die Ordnungshüter unverzüglich mit Blaulicht vor dem Haus des geschlagenen Bengels vorfuhren. Die Mutter fiel aus allen Wolken, der Bub hatte sich in den hintersten Winkel der Wohnung verkrochen und war für die Carabinieri nicht mehr zu sprechen, wohl aber seine Mutter. Die Carabinieri zogen ab und überließen die Bereinigung der Angelegenheit der Familie.
Ein wirklich ernster Fall hat sich hingegen in Genua zugetragen. Da kam ein Bub aus einer Ausländerfamilie regelmäßig mit blauen Augen, Blutergüssen und anderen Verletzungen in die Schule. Den Lehrern, welche ihn nach dem Grund fragten, gab er ausweichende Antworten. Lediglich seinen Mitschülern gegenüber war er offener. Diesen erzählte er, dass ihn seine Mutter regelmäßig prügelte und dass er richtiggehend Angst vor ihr habe. Die Sache kam schließlich auch dem Direktor zu Ohren, welcher die Carabinieri und das Jugendamt einschaltete. Der Mutter wurde daraufhin das Sorgerecht entzogen. Dagegen kämpft sie mit der Begründung an, die Prügel hätten ihrem Sohn nur gut getan und wären seiner Erziehung förderlich. Schließlich sei sie in ihrer Kindheit auch geschlagen und trotzdem was Ordentliches geworden!
Ob sie mit diesen Argumenten vor dem Jugendgericht durchkommt ist mehr als zweifelhaft. Die beiden Vorfälle zeigen die Grenzen auf zwischen einer gesellschaftlich allgemein akzeptierten „Ohrfeige zum rechten Zeitpunkt“, die „noch nie geschadet hat“, und der Gewalt als unzulässigem Erziehungsmittel. Der Gesetzgeber sieht erst dann einen Grund zum Einschreiten, wenn Grenzen überschritten und Gewalt in Misshandlung ausartet.
Allerdings redet er nicht nur in den Schulen der gewaltfreien Erziehung das Wort, ist doch die Wirksamkeit von Ohrfeigen erwiesenermaßen eher gering ist.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt

Publiziert in Ausgabe 7/2014

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