Freitag, 07 Oktober 2011 00:00

Erich Stecher

stecherSehr geehrte Damen und Herren!
Bei uns zu Hause hängt ein Bild von Erich Stecher, ein Ölbild, an nicht vorteilhafter Stelle, an der Wand im Stiegenabgang in den Keller. Meist gehe ich alleine in den Keller und alleine wieder herauf, aber manchmal nehme ich auch jemand mit und der muss dann notgedrungen das Bild von Erich Stecher anschauen, denn daran kommt er nicht vorbei. Bei mir zu Hause kann man nicht KEINE Notiz von Erich Stecher nehmen. Das Bild zeigt ein Porträt, und die Frömmeren unter meinen Kellergängern sagen „A schau, Jesus Christus!“ und ich antworte „Jaaaa“, die etwas Weltgewandteren, die sich im Vinschgau auskennen, stellen fest, „Na schau, da hängt der Albrecht Ebensperger!“ und ich antworte wiederum „Jaaaa, beim Versuch den Vinschgern das Whiskytrinken beizubringen“ und jene, die sich überhaupt auskennen, die Weltbürger mit Urlaub auf Mallorca, behaupten „Eindeutig Brad Pitt mit Bart“ und ich bestätige „jaja“ und bemerke dazu „oder Bert Brecht“, den kennen sie dann nicht. Ich sage dann ERICH STECHER, und die Leute zucken mit den Schultern und geben den Rat: „Das Bild würde es verdienen, an einem besseren Ort aufgehängt zu werden“. Dabei bleibt es.
Am Ende dieser kellertiefen Kunstauseinandersetzungen bleibt mir immer etwas zu denken. Ich denke mir, ja, so ist es mit Erich Stecher und seiner Kunst. Er hängt (noch) nicht in den großen Wandelhallen der Landhäuser, nicht in den Empfangsräumen der geldschweren Banken, nicht in den Sitzungssälen der Obstgenossenschaften und noch nicht in den neuen dorfentlegenen Steinbauten der großen Architekten und Kunstbürger. Er hängt aber im Versammlungssaal von Schlinig.
Aber wer Erich Stecher sieht, bleibt stehen, beim Künstler und seiner Kunst. Erich ist nämlich der letzte Faun; ein Halbgott der freien Natur und des unbeschwerten Lebens. Seine Kunst ist aber nicht so unbeschwert, auch wenn alles mit links gemacht ist. Seine Kunst ist seriös, das Produkt seines Ateliers, in dem er sich beim Malen gedanklich verlieren kann oder das Ergebnis seines Naturerlebens, bei dem er sich in Ausschnitten und Details festgebissen hat. Seine Kunst mag zwar programmlos sein, sie ist aber nicht konzeptlos, sie ist öfters zufällig, aber nicht planlos, sie ist manchmal skizzenhaft, aber nicht oberflächlich.

Erich Stecher, Jg. 1960, aus Mals, heute wohnhaft in Bozen, malt seit er Stift und Pinsel halten kann. Er besuchte die Kunstschule in Gröden und dann die Kunstakademie in Florenz. Seit 25 Jahren ist er Kunsterzieher an verschiedenen Mittelschulen.

Stechers letzte größere Ausstellung liegt 7 Jahre zurück. Diese Feststellung braucht es nicht, um hinweisen zu können, dass er die Säle dieses Schlosses nicht einmal, sondern leicht zweimal füllen könnte, mit dem, was in seinem Atelier steht. Das ist auch kein Loblied auf des Künstlers Fleiß, aber ein Hinweis auf seine kurvenreiche Beharrlichkeit. Er schafft, wenn ihm der künstlerische Prozess zum Drang wird, in kurzer Zeit eine Unzahl von Werken, manche erscheinen „non finito“ oder „mai finito“, andere bessert er experimentell auf oder übermalt sie öfters. Ganz unbelastet und mit Leichtigkeit geht er an unterschiedliche Techniken heran, kleinere Tuschezeichnungen und Lavierungen, Aquarelle, Temperamalerei und Acryl, großes Öl und variantenreiche Druckgraphik. Stecher ist dann auch immer ein Experimentierer mit einem Hang zum Expressiven. Und seine Frau Ute malt mit; nicht dass sie den Pinsel führen würde oder im Atelier stünde, aber sie organisiert und orientiert, regt an und belebt die Kreativität.

RZ_5404Die großen Themen von Erich Stecher sind die großen Themen unserer irdischen Existenz: die Natur, die Farben, der Mensch.
Die Natur erfährt bei Stecher einen facettenreichen Ausdruck, nicht selten die Obervinschgauer Landschaft als Paradigma oder emotionalen Modellfall betrachtend. Stecher ertrinkt in dieser Landschaft, er vergisst sich in bleichen Farbstudien, oder seine Malerei empört sich in wuchtigen Bergen oder in dramatischen Landschaftsfenstern.
Erich Stecher hat keine Scheu vor kräftigen Farben, er geht großzügig mit ihnen um. Der Grünphase scheint er nun entstiegen zu sein, die ihn jahrelang begleitet hat. Jetzt mutet er den Betrachtern feine Weißschattierungen und kräftig helle Farben zu; es sind Gemütsstimmungen der Natur, die von sanfter Ruhe bis stürmischen Bewegungen reichen, und es sind Extremklänge der menschlichen Entwicklungen.
Die Figuren reduzieren sich bei den Aktzeichnungen auf wenige Linien oder Pinselstriche oder führen in den großen Formaten in eine Farbenpracht, die in das Grelle und Farbschreiende münden. Zwischen die Porträts setzt Erich Stecher einen Truthahn, der in seiner allesfressenden
Flugunfähigkeit gut in die existenzielle Nähe der gierigen Menschen passt. Das ist der schalkhafte, hintergründige Faun, der über alles eine heitere und unbeschwerte Ernsthaftigkeit legt, die in die mahnenden und drohenden Blicke seines Selbstporträts mündet.
Das muss nach der Eröffnung angeschaut und überprüft werden, denn nicht alles, was aus der widersprüchlichen Natur- und Kunstform Erich Stecher herausbricht und was sich darüber sagen lässt, ist auch wahr.
Wahr hingegen bleibt, dass es längst Zeit ist, dass Erich Stecher in das Ausstellungsprogramm von Schloss
Kastelbell aufgenommen worden ist. Denn Erich Stecher ist ein Großer, der sich noch nie vorgedrängt hat. Beides freut uns! Vielen Dank, dass Sie Erich Stecher und seinem Werk Aufmerksamkeit schenken!

Herbert Raffeiner

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

Publiziert in Ausgabe 20/2011

Ausgaben zum Blättern

titel 21 24

titel Vinschgerwind 20-24

titel vinschgerwind 19-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.