Die blaue Europafahne mit den Goldsternen, die rotweißen Adlerfahnen des Bundeslandes Tirol und Südtirols, die blau-weiß-gelb-schwarze Fahne Engadins mit Steinbock - diese vier Fahnen brachten politische Farbe in die Eröffnungsfeier: Zwei streitbare Symbole, Adler und Steinbock, jetzt arbeiten sie friedlich zusammen. Die Bürgermeister, Gemeindepräsidenten, die Landespolitiker und vor allen die Geschichts- und Kunstfreunde aus den umliegenden Gebieten.
Dazu zählen das Obere Gericht, der Vinschgau, das Engadin. Hier, in dieser oft umkämpften Grenzfeste, konnte am 14. August 2010 das neue Besucherzentrum Altfinstermünz, gemeinsam mit den ehemals vorsichtig zurückhaltenden Nachbarn, in freundlicher Stimmung eröffnet werden.
Jahrhunderte lang musste der gesamte Waren- und Personenverkehr über den Vinschgau und den Reschenpass durch die engen Tore der Grenzfeste Finstermünz. Erst 1854 verlor diese Mautstelle durch den Bau der modernen Hangstraße mit den vielen Kurven und Tunnels an Bedeutung.
Zwischen Nauders und Pfunds entstand eine leistungs-fähige Raststätte und das Hotel Hochfinstermünz, das allerdings nicht mehr in Betrieb ist. Hier gibt es aber genügend Parkplatz; von hier aus kann unser Ziel im Talgrund durch einen Fußsteig erreicht werden. Oder durch eine Forststraße; sie beginnt etwa 100 m in Richtung Nauders und wird „Bierweg“ genannt, zumal einst in der alten Zollfestung eine Bierbrauerei betrieben wurde.
Etwa auf gleicher Höhe wie Hochfinstermünz liegt auf der Engadinerstraße die Anlaufstelle Vinadi mit Parkplatz und Fußweg zur Grenzfeste; diese Straße in Richtung Schweiz beginnt bei der Kajetansbrücke. Nach einigen hundert Metern biegt links zum Inn hin eine kleine Straße, die zum ehemaligen Grenzposten Schalklhof führt mit dem hier geplanten Radweg; er folgt dem noch teilweise erkennbaren alten Römerweg, der Via Claudia Augusta. Diese alpenüberquerende Straße über den Reschenpass ist die antike römische Straße, die von den Ebenen des Po und der Adria bis zur Donau führte. Auf der anderen Talseite ist die alte Straßenführung noch gut zu erkennen und, was das Überraschende ist, sie führte ohne Kehren hinauf zur Festung Nauders, dem antiken Inutrium.
Damit sind wir beim nächsten Namensproblem, bei der Frage nach der Bedeutung des Wortes „Finstermünz“. Zu den verschiedensten Theorien zählt auch die Ableitung vom althochdeutschen Wort „minzi“ für steil emporragenden Fels und „mons“ für Berg. Eine sehr alte Bezeichnung lautet VENUSTAE MUNITIO, also die Vinschgauer Klause. Wahrscheinlich sind damit die Venosten, also die Vinschgauer gemeint. Es sei daran erinnert, dass die Grafschaft Vinschgau bis hierher reichte und hier befand sich auch die Grenze zum Engadin.
Aber nun zum neu errichteten Besucherzentrum mit den ausgeklügelten Informationen über die verschiedenen Aufgaben der umfangreichen Festungsanlage. Die Erlebnisburg ist seit dem vorigen Sommer ein beliebtes Ausflugsziel auch für Familien.
Der Verein Altfinstermünz organisiert immer wieder Kulturwanderungen. Die Erlebnisburg ist täglich - ausgenommen Samstag - von 13 bis 16.30 Uhr geöffnet. Auf Anfrage können auch Sonderführungen vereinbart werden Verein Altfinstermünz in A-6542 PFUNDS, Stuben 45,Tel. +43(0)5474/20042, Mobil:+43(0)664/3959471.
Mündlich oder durch mehrsprachige Audioguides wird lebendig erzählt. Greifbar wird dadurch die mittelalterliche Verkehrsgeschichte mit dem Alltag der landesfürstlichen Zollbeamten. Man hört sie lachen, die gelangweilten Zöllner, wenn sie einen schwer beladenen Wagen sich der Mautstelle nähern sahen. Schadenfrohes Lachen, weil sich zusätzlicher Verdienst anbahnen dürfte: Die zu hoch geladenen Wägen schlüpften nämlich nicht durch die niedrigen Toröffnungen.
Deshalb mussten die hohen Räder abgenommen und durch kleinere ersetzt werden; sie wurden anschließend, nach Entrichtung der Mehrkosten, wieder ausgewechselt.
In Finstermünz berührten sich alte Gerichtsorte, die tiefe Schlucht war Grenzbereich von drei Grafschaften. Zwischen Meran und Landeck gab es früher einmal drei Zollstationen: Töll, Nauders und Finstermünz. Das waren freilich keine Staatsgrenzen, sondern Mautstätten. Die eingehobenen Gebühren verteuerten die Waren ganz erheblich, sodaß viele Güter auf Saumpfaden quer über den Alpenhauptkamm geschleppt wurden. Die alten Schmugglerwege haben diese Tradition bis in die Gegenwart fortgesetzt. Die Schmuggler waren gewissermaßen die frühesten Europäer, auch wenn es ihnen weniger um Europa als um das Geschäft ging. Heute freilich, durch die weitgehende Anpassung der Warenpreise, hat der Schmuggel fast aufgehört. Das Schmuggeln ist aber auch eine Ideologie, eine Weltanschauung. Der Schmuggler übertrat ganz bewusst die oft willkürlich gezogenen Grenzen. Der Schmuggler hat diese das alpine Gebiet widernatürlich zerstückelnden Grenzen nie anerkannt.
Hans Wielander
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