Dienstag, 06 Januar 2015 00:00

„Friar isch ma lai Hausfrau gweesn“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 4411Seit einem Sturz Ende November 2014 lebt die 90-jährige Elisabeth Lechner vorübergehend im Altenheim von Laas. „Zun Glück isch nichts brochen“, meint sie. Mit ihrer Gehhilfe zieht sie fleißig
ihre Runden durch die Gänge. Sie erholt sich gut und wünscht sich, bald wieder heim zu kommen.

von Magdalena Dietl Sapelza

Es war für Frau Liesl eine besondere Freude, dass sie die Weihnachtsfeiertage im Kreise ihrer Lieben in ihrem Haus verbringen konnte.

„Weihnachten isch für miar s`scheanste Fescht, selm hon i olm olz feschtlich hergrichtet“, erklärt sie. Heuer hat Ihre Tochter alles für sie vorbereitet. Am Stephanstag kehrte Liesl wieder ins Altersheim zurück. Gerne erzählt sie aus ihrem Leben. Zusammen mit zwei Brüdern wuchs sie in Laas auf. Ihr Vater war Besitzer eines Marmorbruches. Von der italienischen Schule in Laas wechselte sie in die Klosterschule nach Pfaffenhofen in Bayern. Nonnen unterrichteten sie. Besondere Freude machte ihr das Klavier spielen. Die Nationalsozialisten schlossen die Klosterschule. Daraufhin besuchte sie eine Privatschule in Dürnfeld in Kärnten bis auch diese geschlossen wurde.
Liesl war inzwischen 15 Jahre alt und kehrte nach Hause zurück. Oft saß sie am Klavier. Als dieses durch einen Kaminbrand zerstört wurde, war sie sehr bedrückt. Gelegentlich hielt sie sich in Wörgl auf, wo ihre Familie ein Haus besaß. Hie und da machte sie einen Stadtbummel in Innsbruck. 1938 erlebte sie dort den Besuch Hitlers, der durch die mit  Hakenkreuzfahnen geschmückte Maria Theresia-Straße zog. „Deis isch a Jubl unt a mort Komede gweesn“, erinnert sie sich. In Laas verunsicherte sie die Propaganda rund ums Auswandern oder Dableiben. „Miar sein in Loos bliebm“, erklärt sie. Weil sie die deutsche Sprache gut beherrschte, erhielt sie nach dem Einmarsch der Deutschen 1942 eine Stelle in der Gemeinde Schlanders. Die deutschen Besatzer hatten die italienischen abgelöst. Sie war verantwortlich für die Rationierungen und rechnete aus, wie viel die Bauern an Lebensmitteln zu stellen hatten und was den einzelnen Familien zustand. „Es isch a morts Wirbl gweesn“, sagt sie. Kurz vor Kriegsende sollte Liesl zusammen mit anderen jungen Frauen als Funkerin für die Alpenfront ausgebildet werden. Doch daraus wurde nichts mehr. Die Spannungen zwischen italienischen und deutschen Soldaten heizten sich auf.
Anfang Mai 1945 sah Liesl auf dem Laaser Hauptplatz zusammengepferchte italienische Soldaten auf einem Transporter, die von bewaffneten SS-Männern in Schach gehalten wurden. Die jungen Männer sollten an Ort und Stelle exekutiert werden. Der Pfarrer wehrte ab. Menschen schrien durcheinander. Schließlich zog der Gefangenentross weiter. Als sich Liesl kurz darauf mit ihrem Fahrrad in Richtung Schlanders fuhr, stockte ihr am Ortsausgang der Atem. Auf der Straßenböschung nahe der St. Nikolauskirche lagen blutüberströmte Leichen. Die Gefangenen waren kaltblütig erschossen worden. „Dies isch a trauriger Ounblick gweesn unt a Skandal“, sagt sie. Die Bilder hat Liesl heute noch im Kopf. Ein einziger habe das Massaker überlebt, weil er sich tot gestellt hatte, erklärt sie. Dieser sei dann verstört in die Berge geflüchtet. In der Gemeindestube Schlanders wechselten Mitte 1945 erneut die Verwalter. Liesl half noch einige Zeit aus bis sich der italienische Sekretär eingelebt hatte. Dann verbrachte sie ein Jahr bei einer Familie in Rom, wo sie Italienisch lernte. Auf einem Heimkehrerball in Laas traf sie ihren späteren Mann Oskar Tappeiner. Dieser hatte lange Zeit in Bregenz gelebt und dort eine Lehrerausbildung abgeschlossen. 1951 feierte das Paar ihre Hochzeit. Während Oskar unterrichtete, führte Liesl den Haushalt und umsorgte die drei Kinder. „I bin lai Hausfrau gweesn …. Friar isch ma lai Hausfrau gweesn“, erklärt sie. Nach und nach zogen die Kinder aus. Ihr Mann starb im Alter von 70 Jahren, und sie blieb allein im Haus zurück. Der schönste Zeitvertreib war das Lesen. „Miar hoobm drhoam a gonze Bibliothek“, sagt sie. Der Sturz im November veränderte ihren Alltag. „Do im Heim isch olz bestens. Obr drhoam isch drhoam“, meint sie.  


{jcomments on}


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 2807 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 3-25

titel Vinschgerwind 2-25

titel vinschgerwind 1-25

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion