Donnerstag, 10 März 2011 10:23

„Singen isch mai Freid!“

Margaretha Angerer

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Hon ollm an Spicker und a Ballele in Sock kett,  dassi spielen hon kennt!“ so erzählt Frau Gretl Warger Angerer, von der ganzen Familie liebevoll „Mutti“ genannt mit leuchtenden Augen aus ihren Kindertagen. Aufgewachsen ist die am 01. Juli 1931 geborene, in „Arlund“ bei Graun. Als fünftes von dreizehn Kindern ging sie ihrer Mutter Rosa schon in Kindertagen zur Hand. Mit drei Jahren besuchte sie den italienischen Kindergarten. „Viva il Duce e viva il Mussolini“ sagt sie kopfschüttelnd.  Verstanden hat sie die italienischsprachige „Signora“ anfangs nicht „A gonz a liabe, feine Frau isch die Tante gwees´n!“. Heute noch kennt sie lange italienische Gedichte und Lieder auswendig. Auf dem Schulweg von „Arlund“ nach Graun hat sie mit dem jüngeren Bruder Paul immer ein Wettrennen gemacht. Die schneereichen Winternachmittage verbrachte sie mit ihren Geschwistern beim Schlittenfahren. Die Chorprobe, einmal in der Woche, und die musikalische Begleitung der Messe waren schon zu Kinderzeiten ihr liebstes Hobby. „Singen isch mai Freid!“ Nach dem Besuch der Pflichtschule blieb sie am elterlichen Hof, ging ihrer Mutter zur Hand, wo immer Hilfe gebraucht wurde. Besonders gern besuchte sie ihren „Vetter Sepp“ in Mals. „ In Russlond tuat´s heint nou hoamalen!“ Dem alleinstehenden Onkel machte sie den Haushalt, kochte, putzte und waschte für ihn. Da er Schneider war, machte er sie mit dem Umgang von Nadel und Faden vertraut. Die Leidenschaft zur Handarbeit wurde geweckt. Bei der Seestauung im Frühjahr 1950 viel der „Arlund-Hof“ den Wasserfluten zum Opfer. Die Familie Warger wanderte nach Schlinig aus. „Liaber zehnmol af Matsch inni, lai nit noch Schlinig!“ wer laut ruft…. Margaretha arbeitete zu dieser Zeit als Dirn beim Garber in Mals, freie Tage gab es keine. Das Vieh und die Kinder, der Haushalt nahmen ihre Zeit in Anspruch. So nutzte sie im Juni den Almauftrieb der Schweine auf die Höferalm, um dem neuen Zuhause im Bergdorf einen Besuch abzustatten. Durch den Wald ging sie in Richtung Schlinig. Bereits von oben erkannte sie den Leiterwagen der Familie. „Freid hobmer olle koane kett, dahoam seimer et gwees´n!“ Beim Sonntagsspaziergang lernte sie ihren Mann Johann Angerer kennen. Am 28. Oktober 1953 gaben sie sich in der St. Anna und Antoniuskirche in Schlinig das Ja-Wort. Die Hochzeit feierten sie in der Stube am „Jonnenhof“ gemeinsam mit Eltern und Geschwistern, bei einem einfachen Mahl. Die Hochzeitsreise führte das junge Paar per Ross und Zug an einem Tag zum Wallfahrtsort „Maria Trens“ im Eisacktal. Spätabends kamen sie zurück, der erste Schnee erwartete sie bereits auf dem Heimweg. Zuhause angekommen, musste sie den Dachboden von den schweren Lasten des Schnees befreien „Siebem Schafflen Schnee hon i fa dr Dill oartrogn!“ Die ärmliche Behausung, der Regen tropfte bis auf das Bett, kein Klo, kein fließendes Wasser, die Küche ohne Tageslicht, in der Stube keine Sonne machte „Mutti“ zu schaffen. Gretl schenkte ihrem Hans die Kinder Lina, Monika, Emma, Klara, Kreszenz, Veit und Annemarie. Fünf weitere Babys hat der „Herrgott“ aus der Wiege geholt. Die viermonatige Erika ist an Lungenentzündung gestorben „sell isch so a liabs Poppele gwees´n!“ Der Besuch der Hl. Messe, das Singen und Vorbeten gaben ihr immer wieder Kraft, auch die Geschicke am Hof zu leiten. Auf den strengen, steilen Bergwiesen packte Gretl an wie ein Mann, keine Arbeit war ihr zu viel. Die Familie lebte als Selbstversorger im Bergdorf. Auf den Äckern wurde Getreide angebaut, eine kleine Mühle gehörte zum „Jonnenhof“. Alle zwei Monate wurde frisches Brot gebacken. Die Milch der Kühe verarbeitete sie  zu Butter, Joghurt und Käse. Am 01. Februar 1977 durfte sie das erste Mal „Milchschütten“, die Milch verkaufen.  Endlich kam ein bisschen Geld in die leere Haushaltskasse „und´s Kibltreibm hon i mr a drsport!“ 1980 konnte die Familie die Kühe in den neuen Stall bringen, in das neue Wohnhaus mit mehreren Ferienwohnungen zogen sie 1988. Im Winter war in Schlinig der Langlaufsport immer schon präsent, so liefen alle Kinder mit den Langlaufski´s. Unzählige Medaillen und Pokale zieren die Stube „Af dia bin i stolz, di leuchtende Kinderaugen, wenn si mit an Plalli hoamkemmen sein, sein wunderbar gwees´n!“ Begleiten konnte sie die Kinder nicht zu den Langlaufrennen, galt es doch die Tiere zu versorgen. So widmete sie sich an den einsamen Sonntagen einer Handarbeit. Wahre Schmuckstücke an gehäckelten Vorhängen, bestickten Polstern und Decken sind so entstanden. Der Familienzusammenhalt war „Mutti“ immer wichtig, die Kinder, 14 Enkel und 5 Urenkel kommen gern af an Ratscher vorbei, große Festtage wie Weihnachten und Ostern werden zusammengefeiert. Als Vorbeterin und Vorsängerin hat sie immer einen wichtigen Beitrag zum Gottesdienst geleistet, so schenkte ihr Pater Peter vom Kloster Marienberg als Anerkennung eine Holzstatue der Hl. Cäcilia, welche sie hoch in Ehren hat. Stricken ist eine große Leidenschaft der Seniorin, so versorgt sie vor allem die Enkelkinder mit Selbstgestricktem. Mit traurigen Augen erzählt sie von den „Grauner Banklhuckern“, diese Art der Nachbarschaftspflege gibt es in Schlinig nicht. „Irgendwia geat do jeder sein Weg-schod!“ 

Brigitte Thoma

Publiziert in Ausgabe 4/2011

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