s40 1539Interview mit Peter Erlacher - Energieexperte & Baubiologe, Naturns

Interview: Angelika Ploner

Vinschgerwind: Herr Erlacher, wohnen Sie energieautark?
Peter Erlacher: Was die Heizung betrifft, wohne nicht ganz energieautark. Als wir dieses Haus 1984 gebaut haben, hat man gemeint, man könnte Häuser bauen, die mit der Sonne geheizt werden. Heute weiß man, dass das in unseren Breitengraden schwer möglich ist, weil die Sonne im Winter zu schwach und zu unregelmäßig ist. Ein Heizungsherd ist die einzige Energiequelle, die es in unserem Haus gibt. Ich brauche sehr wenig Holz, aber ich wohne nicht energieautark.

Wo steht Südtirol auf seinem Weg zur Energieautarkie?
Südtirol hat sich sehr früh Gedanken über die Zukunft der Energie gemacht, hat allerdings einen Weg eingeschlagen, der sich nun nicht unbedingt als der richtige darstellt. Südtirol hat nämlich fast das ganze Geld in die  erneuerbare Energieproduktion gesteckt, soweit, dass wir nun zwar sehr viele Produktionsstätten haben, allerdings  von der Energieautarkie  noch weit entfernt sind. Denn Südtirol muss heute noch seinen Energiebedarf zu über 60 Prozent  mit Erdöl und Erdgas decken. Dies obwohl wir rund 90.000 Holzfeuerstätten haben, weiters rund 18.000 Solaranlagen, knapp 7.000 Photovoltaikanlagen, über 900 Wasserkraftwerke, rund 300 Geothermieanlagen, 70 Fernheizwerke und 50 Biogasanlagen. Die Erkenntnis, dass wir mit Mehrproduktion an Energie nicht energieautark werden können, die hätte es in Südtirol schon früher geben können. Denn die uns in Südtirol zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energiequellen  werden nie imstande sein unseren Energiehunger zu stillen wenn wir nicht dafür sorgen dass weniger Energie verbraucht wird bzw. Energie effizienter eingesetzt wird.

Klimahaus Südtirol: Vorzeigemodell oder Farce?
Klimahaus ist in jedem Fall ein Vorzeigemodell, weil es die Bevölkerung überzeugt hat, beim Bauen Energie zu sparen. Was Klimahaus  allerdings lange Zeit versäumt hat, ist die Energieeinsparung auch bei der Altbausanierung einzufordern. Es ist so, dass der Altbaubestand den Großteil der Energie verbraucht und nicht der Neubau. Ein Neubau macht jährlich nur rund einen Prozent vom Baubestand aus. Das heißt, wenn ich den Altbau nicht energetisch saniere und nur den Neubau energetisch effizient mache, dann müssten wir mathematisch gesehen, 100 Jahre warten, bis wir ans Ziel kommen. Die Richtlinie, welche das Land Südtirol dazu im März dieses Jahres herausgegeben hat, ist übrigens schlecht gelungen und in einer Art Nacht- und Nebelaktion entstanden, ohne Abstimmung mit den wichtigsten Einrichtungen. Klimahaus zum Beispiel hat sich hier nicht durchsetzen können, das Amt für Energieeinsparung wurde zu wenig und die Bevölkerung noch weniger eingebunden.

Was ist der größte Kritikpunkt dieser wie Sie sagen Nacht- und Nebelaktion?
Man hat zum Beispiel den Fehler gemacht, beim Altbau eine derart hohe Mindestdämmung vorzuschreiben, die oft gar nicht möglich ist auszuführen. Das geht nicht. Man kann nicht sagen, unabhängig davon wie groß das Haus ist und unabhängig ob das jetzt ein Stein- oder ein Ziegelbau ist, es muss so und soviel gedämmt werden. Ich bin sicher, dass das Ganze zur Farce wird, wenn nicht schnellstens nachgebessert wird.

In der  Ökobilanz eines KlimaHauses fehlen bislang wichtige Punkte: zum Beispiel der Energieaufwand für die Herstellung der Baustoffe.
Der Mehraufwand an Energie für den Bau eines Klimahaus ist irrelevant. Es gibt keinen Dämmstoff, der mehr Energie bei seiner Herstellung braucht, als er später bei seinem Einsatz einspart. Das Problem ist aus welchem Material beispielsweise Dämmstoffe bestehen. Und da ist es leider so, dass immer mehr Dämmstoffe verwendet werden, die für Mensch und Umwelt belastend sind. Zum Beispiel sind Schaumkunststoffe wie Polystyrol in der Herstellung, im Brandfall, und in der Entsorgung problematisch. Aber auch Glas- und Steinwolle enthalten noch immer das krebserregende Formaldehyd, obwohl man darauf verzichten könnte. Das schädliche Formaldehyd finden wir übrigens nicht nur in einigen Dämmstoffen, sondern auch in einigen Baustoffen. Da gibt es ja ein trauriges Beispiel von der Pascoli-Schule in Bozen. Diese hat man voriges Jahr mit neuen Möbeln eingerichtet, die dann größtenteils wieder ausgebaut werden mussten, weil der Formaldehyd-Gehalt in der Luft viel zu hoch war, und das nur, weil man formaldehydhaltige Spanplatten verwendet hat.

Spätestens in 20 Jahren steht Südtirol vor einem völlig neuen Problem: Die in den Klimahäusern eingesetzten Materialien müssen entsorgt werden.   
Man weiß heute effektiv nicht wie man viele der heute verwendeten Baustoffe morgen entsorgen wird. Und da ist das Problem vor allem bei Kunststoffen und Baustoffen welche Schadstoffe enthalten. Es  ist kaum denkbar  diese wieder für denselben Zweck einzusetzen. Also werden sie wahrscheinlich verbrannt oder?  Eigentlich sollte man nur Baustoffe zulassen, wo geklärt ist was morgen damit geschieht.   

Sie sind ein Gegner von Photovoltaikanlagen. Warum?
Die Photovoltaik ist für mich jenes Beispiel, wo man das Geld am Schlechtesten ausgegeben hat. Wir wissen heute, dass eine Kilowattstunde bei einem Altbau einzusparen zwischen 5 und 8 Cent kostet. Eine Kilowattstunde mit Photovoltaik herzustellen kostet heute noch zwischen 40 und 50 Cent. Das heißt Energie sparen kostet ungefähr zehn Mal weniger, als Energie mit Photovoltaik zu produzieren. Dazu kommt die Landschaftsverschandelung, wenn man es so nennen will. Wir haben in Südtirol jetzt knapp 7.000 Photovoltaikanlagen, die nicht einmal einen Prozent des Energieverbrauchs von Südtirol ausmachen, aber 7.000 Dächer bestimmt nicht schöner machen, und  das in einer Region, wo man die Landschaft sehr hoch einschätzt. Ich persönlich würde die Photovoltaik bezuschussen, wenn sie den gesamten Energiebedarf eines Hauses abdeckt.

Die Windräder auf der Malser Haide sind abmontiert worden. Rückschritt oder Fortschritt?
Die Windräder wurden abmontiert, weil man nicht imstande war, das der Bevölkerung ordentlich zu kommunizieren. Aber es ist auch per sè ein Unsinn, dass man in Südtirol Windräder zur Stromproduktion aufstellt, wenn man weiß, dass zweimal soviel Strom produziert wie  verbraucht wird. Und dann noch damit in der Tallage die Landschaft zu verbauen, da hab ich auch Verständnis, wenn einige dagegen sind.

 

Publiziert in Ausgabe 9/2013

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