Mittwoch, 12 Dezember 2012 00:00

Weihnachtsgeschichten

Die Kirchenbank war reserviert

s56_annaKarge Zeiten waren seit jeher ein guter Nährboden für Glauben und Religion. Vom Einsatz bei christlicher Pflichterfüllung, von Genügsamkeit und Einfachheit, besonders auch zu Weihnachten, weiß die heute 88-jährige Anna Zwischenbrugger zu berichten.
Obwohl der Hof am Pirchberg bei Plaus mitten im Wald stand, gab es keinen Christbaum und keine Krippe. Die einzige Freude an Weihnachten war die Erlaubnis, an der Christmette in Partschins teilnehmen zu dürfen, weil damals in Plaus der nächtliche Gottesdienst nicht abgehalten wurde.
Endlich kam die ersehnte Heilige Nacht, in der sich Anna mit den Geschwistern Luise und Luis und dem Paten auf den Weg machten. Ein weiter Fußweg lag vor ihnen. Sie brauchten eine Gehstunde, um in die Ebene hinunter zu kommen. Um die Talsohle zu durchqueren und die Pfarrkirche in Partschins zu erreichen, benötigten sie wiederum eine Stunde. Die Kirche war bereits gesteckt voll. Die Geschwister entdeckten eine freie Bank. Die Freude war groß, so nahe an die Krippe am Hochaltar heranzukommen, sich endlich hinknien zu dürfen und den Füßen Erholung zu gönnen. Doch alsbald kam der Mesner und teilte ihnen mit, dass diese Bank den Grafen von Goldegg und von Spaueregg gehöre und für sie reserviert wäre. So mussten sie die Bank verlassen, und die anfängliche Enttäuschung verlor sich bald durch die Festlichkeit der Christmette. Sie erzählt: „ Es hot ins stolz gmocht, weil miar derft hobm mit souviel Leit in Partschins die Heilige Nocht feiern, und dös isch insre greaschte Weihnochtsfreid gwesn.“
Bei der Tante, die neben der Kirche wohnte, kehrten sie kurz ein. Als diese beichtete, dass sie nicht imstande war, zur Christmette rechtzeitig auf zu stehen, mag wohl ein Hauch von Scham über ihr Gesicht gehuscht sein.
Nach dem gleich langen Rückweg, wieder zu Hause angekommen, gab es kaum Zeit zu schlafen, denn Anna musste bald schon wieder aufbrechen, um in der Pfarrkirche von Plaus als Chorsängerin beim feierlichen Amt und dem Lied „Stille Nacht“ ihre Stimme zu erheben. (ria)

Dem Teufel keine Chance

s56_klotzDas wohl traurigste Weihnachtsfest erlebte Marianne Klotz, geboren 1940 im vorigen Jahr, als sie gerade am Heiligen Abend ihre liebgewordene Heimstätte auf einem Bauernhof verlassen musste. Seither lebt sie allein in einer Wohnung. Gelegentlich auftretenden Gefühlen der Bitternis und Einsamkeit versucht sie durch lebhafte Erinnerungen an frühere Weihnachtszeiten entgegenzuwirken. Marianne fand als kleines Mädchen Unterschlupf auf einem Bauernhof, den sie bis zum Vorjahr nie verlassen hatte. Im trauten Kreis der Hofbewohner beteiligte sie sich immer an den Weihnachtsvorbereitungen, die sich auf altes Brauchtum stützten.
Im Advent ging sie jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe zum Rorate. Als noch das Nüchternheitsgebot galt, wurde sie beim Kommunionempfang vom Hunger sehr geplagt. Weil sie das ganze Jahr hindurch kaum Frühstück aß, erschien ihr das sehr eigenartig und sie schob die Ursache auf den Teufel. Doch tapfer widerstand sie der Versuchung. „ I honn in Tuifl kuan Schonz gebm!“, bekräftigt sie.
Am Heiligen Abend waren bis 18 Uhr Abbruch- und Fleischfasten angesagt. Da gab es dann Fisolsuppe und Krapfen. Die Menüfolge am Christtag war seit jeher dieselbe: Saure Suppe, Fleischsuppe mit Knödel, Schweinernes mit Kraut, Braten und Kirschkompott.
Am Stephanstag, dem Standesfest der Burschen, musste sie, wie alle anderen Frauen und Mädchen, nach der Messe die Kirche eiligst verlassen, denn da wurde die „Buabmpredig“ gehalten. „Lei die Förbr Rousa hott huamla gloust“, ergänzt sie mit einem, ihr eigenen verschmitzten Lächeln.
Bei der Dreikönigsweihe nahmen alle an der Räucherung teil. Dazu weiß Marianne, dass einmal auf einem Sonnenberghof ein kurz zuvor gekauftes Kalb „gonz narrisch gwordn isch“ und es beinahe die Kette abgerissen hätte, nachdem es den Rauch im Stall wahrgenommen hatte. Auf Nachfrage beim früheren Besitzer erfuhr der Bauer, dass das Tier bei einem Brand gerade noch gerettet werden konnte. So kam Marianne zum Schluss, dass Tiere viel gescheiter und viel treuer sind, als man annimmt und, dass auch Vierbeiner nichts vergessen können. (ria)

Publiziert in Ausgabe 25/2012

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