Dienstag, 25 Juni 2019 10:00

Viel hilft viel, oder nicht?

Vinschgerwind-Interview

Die Liste deren Dinge man tagtäglich für seine Gesundheit tun soll, ist lang. Die Verwirrung der Menschen oft groß.
Martin Stark, dipl. Sportwissenschaftler, Personaltrainer und Mitbegründer von Proactive-professional coaching über den Verlust an menschlicher Intuition, falsche Haltung, Fitnessmythen und einen Opel Corsa.

Vinschgerwind: Aufwärmfrage: Wie steht es um die Fitness und Sportlichkeit der Vinschger?
Martin Stark: Ich glaube, dass die Vinschger eigentlich prinzipiell sehr sportlich sind. Immer mehr betreiben immer mehr Sport. Das sieht man auch an den großen Sportveranstaltungen und der Arbeit der vielen Vereine. Wir haben die besten Voraussetzungen, um Sport draußen und auf den Bergen zu betreiben. Wo es noch vielfach hapert ist die Herangehensweise an den Sport. Man lässt sich oft von unrealistischen Versprechungen und abstrusen Fitnessmythen beeinflussen. Die richtige Information fehlt und zudem oft die Basis, um gewisse Sportarten auszuüben. Der gerade sportlich aktiv gewordene Vinschger trainiert gerne auf dem Niveau eines Leistungssportlers. Wenn hier die Grundlage wie z. B. die richtige Haltung fehlt, sind Schmerzen und Frustration vorprogrammiert.

Vinschgerwind: Ihr habt euch nach dem Studium mutig zusammengetan. Was ist eure Grundidee, eure Motivation? Was macht ihr anders als andere?
Martin Stark: Uns geht es darum bei Menschen eine solide Grundlage zu schaffen und jeden an sein persönliches Ziel zu führen. Individuell sollte auch der Weg dorthin sein. Mit unserem Trainingskonzept wollen wir jeden Menschen an dem Punkt abholen, an dem er sich gerade befindet. Egal ob Jung oder Alt, Anfänger oder Fortgeschrittener. Auf diesem Fundament aufbauend geht es dann darum effizienter, leistungsfähiger und fitter zu werden und auch zu bleiben.

Vinschgerwind: Bei euch steht Gesundheit vor Fitness und Sixpack. Aber sind nicht automatisch fitte Menschen gesunde Menschen?
Martin Stark: Viele fügen sich durch zu viel und falsch ausgeführten Sport mehr Schaden als Nutzen zu. Dabei fällt mir immer dieses Beispiel ein:
Wenn man in einen gebrauchten Opel Corsa einen 1.000 PS Motor einbaut, ohne das Fahrwerk, die Bremsen oder die Reifen anzupassen, wird dieses Auto nicht lange auf der Straße sein. Die Lager, Schrauben und alle Verschleißteile werden durch diese zu hohe, Belastung zu sehr beansprucht und sie werden langfristig nicht mitspielen. Wenn man hingegen erst von 90 auf 150 PS aufrüstet und dazu die Bremsen anpasst, sind zwar die Veränderungen nicht allzu groß, aber das Auto kommt unbeschadet an sein Ziel. In einem zweiten Schritt erhöht man die PS dann von 150 auf 300, verbessert aber gleichzeitig auch das Fahrwerk und die Lager, dann hat man eine gute Basis geschaffen, auf der Straße die meisten Autos überholen zu können, aber trotzdem sein Auto für 300.000 km zu fahren. Aus diesem Grund machen wir mit unseren Kunden einen „Collaudo“ – einen Check Up, bei dem die Ausgangsbasis eines jeden ermittelt wird. Aufbauend auf seinen individuellen Testergebnissen kann dann ein maßgeschneidertes Trainingsprogramm entwickelt werden.

Vinschgerwind: Warum können sich so viele Erwachsen nicht mehr richtig bewegen, richtig gehen, stehen, heben? Wann hören wir auf, uns intuitiv zu bewegen?
Martin Stark: Eigentlich fängt das an, sobald Kinder viel sitzen müssen, wie eben in der Schule. Beobachtet man ein Kleinkind bei den ersten Bewegungen, beim etwas Aufheben, dann macht es das instinktiv richtig. Studien haben ergeben, dass sich nach dem ersten Schuljahr der Körper schon extrem an das viele Sitzen angepasst hat. Nur hat ein Kind da noch keine Schmerzen, kann das noch kompensieren. Hier wird allerdings der Grundstein für Haltungsschäden gelegt.
Vinschgerwind: Das Thema Gewichtsabnahme wird auch ein Wichtiges sein unter deinen Kunden, oder?
Martin Stark: Mit unseren Trainings abzunehmen ist nicht nur möglich, sondern selbstverständlich auch ein wichtiger Motivationsfaktor. Die Frage nach der Langfristigkeit dieses Vorhabens bleibt allerdings bestehen. Wenn beispielsweise eine Person durch viel Laufen oder Wandern abnimmt und sein Zielgewicht erreicht, allerdings durch eine falsche Bewegungsausführung Schmerzen in seinen Knien erleidet – kann man dann von der Erreichung seiner Ziele sprechen? Wer aus ästhetischen Gründen abnimmt und dadurch seine Gesundheit gefährdet, kann zwar stolz im Schwimmbad umherspazieren, aber nicht mit seinen Kindern auf dem Spielplatz herumtoben.

Vinschgerwind: Trainingsmethoden und Sportangebote schießen in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden. Ein undurchsichtiger Haufen an Informationen prasselt auf uns ein. Wer soll da noch durchblicken?
Martin Stark: Fitness und Gesundheit erleben im Moment einen großen Aufschwung. Selbstverständlich kann man dabei Geld verdienen.
Man sollte seinen gesunden Menschenverstand einsetzen und sich die Frage stellen, ob das Angepriesene wirklich möglich ist. Die Tätigkeit eines Trainers erfordert ein fundiertes Fachwissen. Unsere Arbeit ist mit viel Verantwortung gegenüber den Menschen verbunden. Jeder von uns hat nur eine Gesundheit, mit der man behutsam umgehen muss.

Interview: Karin Heinisch

Publiziert in Ausgabe 13/2019

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