Mals/Vinschgau
Extremer Lokalismus wirkt wie Chloroform.“ Solche und ähnliche Sätze schreibt Ulrich Ladurner. Vor zwei Wochen hat er in Mals aus Aufsätzen gelesen, die unter dem Titel „Der Fleck“ zusammengefasst sind (http://www.provinz.bz.it/politische-bildung/589.asp). „Der Fleck“ ist das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs, den die Landesabteilung Deutsche Kultur im Jahre 2005 ausgeschrieben hatte. Beim Ideenwettbewerb unter dem Stichwort „Südtirol, Perspektiven 2025“ wurden Konzepte für eine Publikation eingereicht, die ein Bild von Südtirols Zukunft entwerfen sollte – mit dem Ziel, zum kulturellen Diskurs über Zukunftsthemen beizutragen und ihn anzuregen. Zwei von acht Kapiteln in Ladurners Geschichte betreffen den Vinschgau. Martell zum Beispiel. Ein indischer Filmproduzent wird nach Martell gelockt - er will das Tal kaufen, für Filmproduktionen, für „Bollywood“. Die Marteller wollen nicht verkaufen - aber verpachten, mit einigen Auflagen, dass der genetische Pool der Marteller Bevölkerung erhalten bleibe etwa. Die fiktive Geschichte spielt im Jahr 2020. Der ZEIT-Journalist Ladurner wolle niemand zu nahe treten, keine Polemik. Allerdings beschäftigen sich die Südtiroler mit sich selber, man misst sich an sich selber - Bauchnabelschau.
Am Podium sitzen neben Ladurner der Grauner Ex-BM Albrecht Plangger, die Laaser Apothekerin Sigrid Haller und der Bio-Hotelier Friedrich Steiner. Ludwig Fabi moderiert im Auftrag des Veranstalters, des Bildungsausschusses Mals. Ladurner liest auch aus dem Kapitel „Graun“. 1949 spielt die Geschichte mit wahrem Kern. Der Pfarrer verteidigt das Dorf gegen die drohende Seestauung, letztlich erfolglos. Ladurner steigt mit dem gelesenen Bild aus der Veranstaltung aus, das den Pfarrer in einem Boot zeigt, vor ihm das aus der versinkenden Kirche gerettete Kruzifix, an den Rudern zwei Bauern: „Als Propagandist gewann der Pfarrer.“ In der Diskussion wird Ladurner gelobt, getadelt auch. Wo bleibe die Spiritualität, fragt Hans Perting. Alles sei auf das Ökonomische verkürzt. Zu einseitig sei Ladurner in seiner Darstellung, sagte eine Zuhörerin. Ob er selbst an Südtirol leide, war eine Frage. „Ich leide nicht an Südtirol“, sagt Ladurner. Südtirol sei weder besonders noch speziell.
Warum sie sich in der Kulturarbeit engagiere, war die Frage an Sigrid Haller: „Ich möchte Lebensqualität. Ich möchte mich nicht bewegen, um einkaufen zu gehen. Damit das funktioniert, muss man auf ein Dorf aufmerksam machen“, sagt Haller. Mehr Zusammenhalt mahnte Steiner an. Planggers Blick in die Zukunft: „Ich habe Angst, dass wir uns mehr abkapseln werden.“ (eb)
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