Mittwoch, 10 Juli 2013 09:06

Nein, diese Suppe ess ich nicht!

Aus dem Gerichtssaal -  Wer von uns hat nicht schon einmal an den Suppen-Kaspar aus der Kindheit gedacht, wenn er den Bescheid einer Behörde oder einen Gesetzestext zu lesen bekam? Nicht selten zeichnet sich nämlich die Gesetzes- und Amtssprache durch eine möglichst unverständliche, ungenießbare und komplizierte Ausdrucksweise aus – etwa nach dem Motto: je höher die Stelzen, desto erhabener der Gang. Müssten manche Bürokraten heute die Bibel übersetzen, dann würde es nicht heißen: „Gott schuf die Welt“, sondern: „Die Welt wurde seitens Gottes erschaffen.“ Tröstlich ist dabei, dass bereits die Römer unter der Last der Gesetze stöhnten, klagte doch der Geschichtsschreiber Tacitus: „Früher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen.“ Deshalb mahnte schon viele Jahre vor ihm der Philosoph Seneca: „Leges breves esse oportet quod facilius teneantur“, nämlich dass Gesetze kurz sein sollen, damit sie leichter erfasst werden können. Auch der Kaiserin Maria Theresia war es ein Anliegen, dass ihre Gesetze und die behördlichen Erlasse von den Untertanen auch verstanden wurden. Sie machte nämlich in ihrem Kronland Ungarn einen interessanten Versuch: Alle Gesetze und Verordnungen mussten einem „buta ember“, wörtlich  einem „dummen Mann“, in Wirklichkeit einem Mann mit durchschnittlicher Intelligenz vorgelesen werden. Wenn er den Text nicht oder nur ungenügend verstand, musste er umgeschrieben werden. Die Verständlichkeit der Rechts- und Verwaltungssprache ist als ein demokratisches Grundrecht zu begreifen. Nicht von ungefähr heißt es in der Geschäftsordnung des deutschen Bundestages:
„Gesetzesentwürfe müssen sprachlich richtig und möglichst für jedermann verständlich gefasst sein.“ Wie schaut es diesbezüglich in unserem „gelobten Land“ aus? Machen Sie bitte selbst einmal die Probe aufs Exempel! Als Einführungslektüre empfehle ich das Landesraumordnungsgesetz. Sollten Sie darauf wie der Suppen-Kaspar reagieren, dann schlage ich vor, dass Sie zum zivilen Ungehorsam greifen und jeden unverständlichen Bescheid mit der Aufforderung zurückschicken, in einer allgemein zugänglichen Sprache angesprochen zu werden!        
                  
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt 

Publiziert in Ausgabe 14/2013

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