Was hat ein kleines, abgemagertes, in Bandagen gewickeltes Mädchen, einsam und verlassen in einem Krankenhausbettchen liegend mit einem fröhlichen rotbäckigem Mädl aus der Stilfserbrücke gemeinsam?
von Cornelia Knoll
Nun... Es ist dasselbe kleine blonde Mädchen, welches nach vielen Anfangsschwierigkeiten das große Glück hatte, in 2 Familien beschützt und geliebt aufzuwachsen.
Maria Ricky Herzl, besser bekannt als die “Vinschger Edelweisslady“, erzählt mir auf der Terrasse im Gasthaus Sonne in Stilfs ihre berührende Geschichte, welche vor 75 Jahren ihren Anfang nahm.
Maria-Ricky, Tochter einer adeligen Wiener Mutter und eines italienischen Schiffkapitäns wurde in Istrien geboren, um kurz darauf am Ende des Krieges mit ihren Eltern und 5 weiteren Geschwistern nach Wien zu ihren Großeltern zu reisen.
Dort war man noch mitten in den Kriegswirren. Armut und Chaos herrschte und es konnte kein Obdach für die 8-köpfige Familie gefunden werden.
Angst vor den Besatzungen war an der Tagesordnung und man glaubte, dass die „Bolscheviten“ Kinder auffressen würden. Daher brachte man öfters Kinder in Sicherheit außerhalb Wiens und eines Tages war eben auch die kleine blonde Ricky weg. Sie war plötzlich verschwunden. Erst nach mehr als einem Jahr verzweifelter Suche wurde die Kleine von ihrem Vater im Sanatorium in Bad Gastein gefunden. In Bandagen gewickelt und vollkommen abgemagert konnte sie ihre Familie endlich wiedersehen.
Ein Arzt diagnostizierte ihr ein schwaches Immunsystem und riet, dass man die kleine Maria-Ricky irgendwo auf einen Bauernhof zur Kur bringen solle, um sie wieder aufzupäppeln. Gesagt, getan. Man fand eine liebevolle Bauernfamilie in Stilfserbrücke und vertraute der Familie Gutgsell das zweieinhalbjährige Mädchen für einige Wochen zur Kur an.
Doch wollte Maria Ricky nach diesen Wochen nicht mehr so schnell von diesem wunderschönen Ort und der liebevollen Vinschger Familie weggehen. Sie fand dort nämlich ihre zweite Familie: Eine zweite Mama und Tata, Geschwister plus eine Dorfgemeinschaft, welche sie begeistert willkommen hieß.
Die Wiener Mama, ihr Schiffskapitän-Papa die nun in Genua wohnten, kamen natürlich sehr oft zu Besuch und respektierten aber auch den Wunsch ihrer Tochter Maria-Ricky, dort in Stilfserbrücke bleiben zu dürfen.
Erst mit dem Studium der Handelsschule zog Maria Ricky, mit viel Heimweh nach ihren Zieheltern und Ziehgeschwistern nach Meran zu den tschechischen Schulschwestern in Obermais.
Später drängte die Wiener Mama Hilda ihre 17-jährige Tochter, doch bitte wieder nach Genua zu kommen um ihren Platz in ihrer Ursprungsfamilie wieder zu finden.
Also reiste Maria Ricky wieder mit viel Heimweh im Gepäck nach Genua und war bereit für ein weiteres Erlebnis ihres bunten Lebens.
Eine bildschöne, erwachsene Frau voller sprühender Lebensfreude war Maria Ricky inzwischen geworden und so wurde sie alsbald in Genua als Modell entdeckt, zur Ausbildung gesandt und sofort unter Vertrag genommen.
Es folgten Jahre voller Erfolg in den größten Städten der Welt, wo Maria Ricky als Topmodell über hunderte von Laufstegen schritt und ein allseits bekanntes Gesicht der Top-Fashion-Welt wurde.
Auch als Moderatorin im Fernsehen war sie tätig, interviewte Prominente und gestaltete eine Fernsehserie. In Genua lernte Maria Ricky ihren ersten Ehemann kennen und brachte dort ihre zwei wundervollen Töchter, Alessandra und Vanessa, zur Welt. Inzwischen ist sie Großmutter von 7 Enkelkindern, welche ihre Oma sehr oft im Vinschgau besuchen.
Maria Herzl ist nämlich wieder zurück in den Vinschgau gezogen. Vorher waren es immer nur sehr lange Urlaube bei ihrer geliebten Ziehfamilie in Stilfserbrücke und Sulden, um dieser Sehnsucht nach „Heimat“ Herr zu werden.
2012 zog Maria nach Prad, integrierte sich voller Tatendrang ins Dorfleben. Sie sang im Chor, besuchte Seniorentreffen, moderierte Tiroler Abende und brachte sich auch politisch fest mit ein. Spätestens als Maria-Ricky Herzl als Landtagskandidatin der SVP ins Rennen ging und sehr viele Stimmen auf ihr Konto verbuchen konnte, kennt man sie nun überall als „LADY EDELWEISS.“
Inzwischen ist „Lady Edelweiß“ zurück nach Stilfs gewandert. Ganz nahe an ihre ehemalige, so geliebte Heimat ist sie gezogen. Nun hört sie wieder das beruhigende Rauschen des Baches, genießt den Blick auf das damalige Gasthaus, in welchem sie mit Mama Lisa und Tata Rudolf und den Ziehgeschwistern aufgewachsen ist. Sie denkt an das gemeinsame Musizieren, das beschützte, einfache Leben dort und schwelgt in Erinnerungen an so manch lustige Schlittenfahrt vor mehr als 65 Jahren.
Auch wenn sie sich nun in Stilfs niedergelassen hat und dort voller Elan und Können die soziale und politische Dorfgemeinschaft mitgestaltet, fährt sie oft nach Genua, Wien und so manch ferne Ecke der Welt um ihre Geschwister, Kinder und ihre über alles geliebten Enkelkinder zu besuchen. “Familie bedeutet mir Alles“, sagt Maria Herzl und betrachtet mit einem breiten, zufriedenem Lächeln die nahe Bergwelt.
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