Laas/Vinschgau - Franz Tumler Literaturpreis
Kurzrezensionen von Maria Raffeiner
Omka
Debütroman von Barbara
Aschenwald, geb. 1982, Schwaz/Innsbruck
vorgeschlagen von Jurorin Daniela Strigl, Wien
Omka, eine junge Frau, die fast ertrunken wäre, und Josef sind zuerst Patienten im gleichen Spital und später ein Paar. Nicht nur Josef ist mit Omkas Art oft überfordert, lesend wundert man sich über sie, die mit brutalen oder skurrilen Handlungen aufschrecken lässt, gleichzeitig aber die Leser in ihren Bann zieht. Ein seelisches Geheimnis ist spürbar, das Omkas Ausbruch befürchten lässt. Ein allwissender Erzähler, der die Gedanken der Figuren kennt, vermittelt die Geschichte einer kühlen Nicht-Liebe. Auch ein Kind füllt die innere Leere nicht aus. Seite für Seite schraubt die Autorin durch eine faszinierend einfache Sprache und durch poetische Wassermetaphorik die Beklemmung bei den Lesenden nach oben. Der Roman ist als märchenhafte Geschichte angelegt, die gemacht ist „aus Luft und Phantasie“, doch er trägt erschreckend realistische Züge. Barbara Aschenwald blickt tief in die Seelenwinkel ihrer Figuren, die manchmal seelenlos scheinen, zerlegt sie aber nicht. Die Lektüre von „Omka“ ist ein ergreifendes Erlebnis.
Was wir erben
Debütroman von Björn Bicker, geb. 1972, München
vorgeschlagen von Juror Hauke Hückstädt, Frankfurt
Im Leben von Elisabeth taucht ein Halbbruder auf. Er und ein Foto seiner Eltern, des gemeinsamen Vaters, werden die Initialzündung für eine packende Suche nach der Wahrheit. Quer durch Deutschland, durch verschiedene politische und historische Erinnerungslandschaften, verläuft ihre rasante Reise. Sie hat sich mit ihrer missglückten Kindheit als Tochter eines Säufers auseinanderzusetzen, sie stellt ihren Beruf und ihre Partnerschaft in Frage, sie findet in der Stadt des Vaters, in der ehemaligen DDR, einen treuen Begleiter, der sie der Wahrheit ein Stück näher bringt, dann aber wegbricht. Bicker gelingen in seinem Roman überraschende Wendungen, die Erzählstränge sind geschickt ineinander verwoben, sodass die Chronologie durcheinander gerät. „Das Heute kann man nicht vom Gestern trennen“, heißt es im Roman. Elisabeth traut sich das Heute wieder zu, sobald sie einen Weg findet, das Gestern nicht als Last zu empfinden. Zwei Fotos übernehmen leitmotivisch den Antrieb ihrer Spurensuche – und bilden einen Teil des Erbes, das Elisabeth antritt.
Kurz vor der Erlösung
Debüt von Michael Fehr,
geb. 1982, Bern
vorgeschlagen von Juror
Manfred Papst, Zürich
In der Reihe „edition spoken script“ werden Texte verlegt, die eigentlich für das Vortragen entstanden sind. Orale Poesie, die durch Rhythmus und Musikalität der Laute besticht. So auch „Kurz vor der Erlösung“ von Michael Fehr. Er ist auch Musiker, Schlagzeuger, und hat somit ein Gefühl für den Takt. Dies wird in seinen siebzehn Sätzen bemerkbar, aus denen der Text besteht. Es sind lyrische Prosaminiaturen, verschiedene Momentaufnahmen, die gleichzeitig ablaufen und durch diverse Wiederholungen zusammenhängen. Lange, lautmalerische Sätze, jedes Wort sitzt. Fehr streut Dialektausdrücke ein, Adjektive wie „lützele“, „lodelig“, „högerig“, Verben wie „holeien“, „brätschen“, „hepen“, „helken“. Inhaltlich lässt sich Fehrs Wortkonzert schwer fassen, es werden detailgenau Personen oder Gruppen vorgestellt, die „zur gleichen Zeit“ in Handlungen oder Beobachtungen versunken sind. Am Ende stimmen fast alle in ein Alleluja ein und „Kurz vor der Erlösung“ mutet als modernes Weihnachtsstück an, das seine Kraft entfaltet, wenn es laut vorgelesen wird.
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