Wolfgang Platter, am Tag der Heiligen Drei Könige, 6. Jänner 2011
Die Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch wird an die Länder Südtirol, Trentino und Lombardei übertragen. Das Konsortium Nationalpark Stilfserjoch als bisherige Führungsstruktur wird aufgelöst. Die Zwölferkommission hat am 30. November 2010 einen diesbezüglichen Textvorschlag zur Abänderung einer Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut der Region Trentino Südtirol diskutiert und verabschiedet. Der Ministerrat hat diese Durchführungsbestimmung in seiner Sitz-ung vom 22. Dezember im Beisein von Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder genehmigt. Die Durchführungsbestimmung erreicht Rechtskraft, wenn sie vom Staatspräsidenten als Dekret unterzeichnet und im staatlichen Gesetzesanzeiger veröffentlicht wird.
Mein heutiger Beitrag ist dem Thema Neuorganisation der Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch gewidmet, welches von autonomiepolitischer Relevanz ist. Ich will versuchen, einen hoffentlich verständlichen und nicht zu fachlich trockenen Beitrag zur Information zu leisten.
Die Gründe
Ich sehe vier Gründe, welche die Änderung der Zuständigkeiten zur Verwaltung des Nationalparks erklären:
• die starke Kürzung der Finanzmitte an das Umweltministerium aus dem
Staatshaushalt von 1.800 Mio. € auf 1.000 Mio. € und als Folge davon die
Halbierung der Gelder an die italie-
nischen Nationalparke von 50 Mio. auf 25 Mio. € für das Jahr 2011;
• den Ansatz der Ersatzfinanzierung aus den Finanzmitteln der Autonomen Provinzen Bozen Südtirol und Trient gemäß dem sogenannten „Mailänder Abkommen“ aus dem Jahre 2009 bei gleichzeitigem Übergang von Verwaltungskompetenzen vom Staat an die Länder;
• die im Zuge der 15 Jahre gereifte Erkenntnis, dass das sogenannte „Abkommen von Lucca“ aus dem Jahre 1992 nachverhandelt werden sollte, weil sich die darin konzipierte Verwaltung als zu schwerfällig und zentralistisch erwiesen hat;
• die schmalen Mehrheitsverhältnisse im italienischen Parlament zum Weiterbestand der Mitte Rechts-Regierung.
Der Ansatz
Den Nationalpark in Landeskompetenz zu übernehmen, ist eine sehr alte autonomiepolitische Forderung. Sie stand bereits seit den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts auf der Verhandlungsliste der Landesregierung unter Landeshauptmann Silvius Magnago und seines Stellvertreters Alfons Benedikter.
Mit dem Ansatz „Übernahme von zusätzlichen Kompetenzen vom Staat bei Finanzierung der Kosten aus Landesmitteln“ ist es Landeshauptmann L. Durnwalder und Landesrat M. Laimer als Mitglieder der Landesregierung und den Parlamentariern K. Zeller und S. Brugger als Mitglieder der Zwölferkommission gelungen, den Ministerrat zu überzeugen, die Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch in die Kompetenz der gebietsmäßig zuständigen Länder zu übertragen. Der Nationalpark wird dabei ein Nationalpark bleiben und das zu seiner Verwaltung zu verabschiedende Landesgesetz muss sich am staatlichen Rahmengesetz über die geschützten Gebiete orientieren.
Das Rechtsinstrument
Das Rechtsinstrument zur Neuregelung bot die alte Durchführungsbestimmung zum Sonderstatut der Autonomen Region Trentino Südtirol aus dem Jahr 1974. Die-se Durchführungsbestimmung, als Dekret des Staatspräsidenten D.P.R. Nummer 279/1974 erfasst, hatte den beiden Autonomen Provinzen Bozen Südtirol und Trient ein Mitspracherecht im Sachbereich Landschaftsschutz für das Gebiet des Nationalparks Stilferjoch eingeräumt. In diesem Dekret war als rechtliche Form zur länderübergreifenden Führung des Nationalparks ein Konsortium vorgesehen worden.
Diese Durchführungsbestimmung D.P.R. Nr. 279/974 ist nunmehr in ihrem Artikel 3 auf Initiative der Zwölferkommission mit der eingangs zitierten Entscheidung des Ministerrates abgeändert worden.
Das Finanzierungsinstrument
Das Konsortium Nationalpark Stilfserjoch hatte im Mittel der letzten 5 Jahre einen Finanzhaushalt von 12 Mio. €. Zu dessen Finanzierung hat das Umweltministerium jährlich mit ca. 5 Mio. € aus dem Staatshaushalt beigetragen. Die anderen Finanzmittel kamen von den Autonomen Provinzen Bozen und Trient, von der Region Lombardei, aus Eigeneinahmen und aus Finanzmitteln der EU-Strukturfonds.
Das bereits zitierte „Mailänder Abkommen“ wurde im Jahre 2009 vom Finanzminister G. Tremonti und den beiden Landeshauptleuten L. Durnwalder und L. Delai für die Länder Südtirol und Trentino unterzeichnet. Das Abkommen regelt den Beitrag der beiden Länder zum Stabilitätspakt zwischen dem Staat und den Regionen. Die beiden Länder müssen jährlich einen finanziellen Beitrag von je 100 Mio. € zum Stabilitätspakt leisten. Von diesen je 100 Mio. € sind je 40 Mio. € reserviert für Vorhaben der an Trentino und Südtirol angrenzenden Nachbargebiete (im Italienischen als „comuni confinanti“ definiert). Aus diesem Topf werden in Zukunft die Finanzmittel zur Abdeckung der Kosten des Nationalparks Stilfserjoch in seinem lombardischen Flächenanteil entnommen. Ebenso werden Bozen und Trient die Ersatzfinanzierung der ausbleibenden Gelder aus dem Staatshaushalt übernehmen.
Zur Erinnerung sei hier zusammengefasst: Der Nationalpark Stilfserjoch umfasst eine Gesamtfläche von 131.000 Hektar, davon liegen 45 % in der Lombardei, 41 % in Südtirol und 14 % im Trentino.
Die Ziele
Die Hauptziele der Reform zur Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch sind:
• die Vereinfachung von Verwaltungs- abläufen,
• die Erhöhung der Akzeptanz des Nationalparks in der Wohnbevölkerung,
• autonomere Entscheidungsbefugnisse losgelöst etwa von den einschneidenden Ausgabenlimits, wie sie in den letzten Jahren von den staatlichen Finanzgesetzen vorgeschrieben worden sind. Diese gesetzlichen Limits haben in den letzten Jahren in mehreren Aufgabenfeldern die Aktivitäten des Nationalparks erschwert.
Die Chancen
Die Chancen der neuen Regelung liegen u.a. darin, das „Innenleben“, die Programme, Projekte und Aktivitäten autonomer und unabhängiger von den Schwerfälligkeiten und Konditionierungen Roms umzusetzen. Der Nationalpark ist aber nicht nur ein Hemmschuh, sondern er stellt ein großes Entwicklungspotential mit Alleinstellungswert darin. Wir sollten m.E. diese Chance unvoreingenommener und stärker nutzen und in gemeinsamer Anstrengung unter den verschiedenen Interessensgruppen weiterentwickeln über das Ressentiment hinaus, dass der Nationalpark nur ein faschistisches Relikt aus dem Jahre 1935 darstellt.
Die Risiken
In der Erfolgseuphorie über den weiteren Autonomiebaustein sollten wir meines Erachtens nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und drei wesentliche Dinge nicht aus den Augen verlieren:
• Langfristig konzipierter Landschafts- und Naturschutz muss in einem größeren, überörtlichen Kontext und ganzheitlichen Ansatz von Prozess schutz gedacht und umgesetzt werden. Es besteht die Gefahr, dass er zu sehr lokalem Druck oder dem Lobbying einzelner Interessensgruppen unterliegt.
• Es gibt Aufgabenbereiche, wie etwa die wissenschaftliche Forschung, die sinnvoller Weise in einer größeren Dimension als dem einzelnen Länderanteil angegangen werden müssen. Wenn wir beispielsweise an das Monitoring von bedrohen Tierarten denken: Der Bartgeier und der Steinbock kennt keine Ländergrenzen.
• Das Denken in einem größeren Ganzen dürfen wir als Vision auch
aus anderen Gründen nicht verlieren:
Der Nationalpark Stilfserjoch kann mit den benachbarten Schutzgebieten wie dem Nationalpark Schweiz, den italienischen Regionalparken und den Trentiner und Südtiroler Landesnaturparken ein Kristallisationskern von Schutzgebieten im Raum der
Zentralalpen werden. In anderen Sachbereichen wie etwa dem Verkehr, der Raumplanung, der Berglandwirtschaft, dem Schutz des Bergwaldes oder der Energie denken wir auch zunehmend überregional, transnational, europäisch. Die Alpenstaaten haben die Alpenschutzkonvention und nachfolgend weitere Protokolle in mehreren Bereichen unterzeichnet.
Ausblick
Aus Platzgründen muss ich hier unterbrechen. In einem nächsten Beitrag möchte ich auf die Leistungen des Konsortiums Nationalpark Stilfserjoch im Südtiroler Länderanteil in den letzten 15 Jahren von 1995 – 2010 zurückkommen, aber auch versuchen die nächsten Schritte einer arbeitsintensiven Phase der Umstellung zu beschreiben. Auch die Ängste im lombardischen Parkanteil und die Reaktionen und Bedenken verschiedener Naturschutzvereinigungen sollen zusammengefasst werden.
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