Aus dem Gerichtssaal - Am 5. Juli feierte die Familie Gluderer in Goldrain ihr 25-jähriges Firmenjubiläum als Biobetrieb und ihr 10-jähriges als Kräuterschlössl. Grund genug für einen festlichen Anlass und einen zufriedenen Rückblick auf das bisher Erreichte. Zählt doch die Familie Gluderer zu den Pionieren des biologischen Anbaus von Kräutern und der Vermarktung von Kräutertee, Bioprodukten, Kosmetika und anderen duftenden Feinheiten aus dem Garten der Natur. Allerdings besteht die Geschichte des Unternehmens nicht nur aus lauter Sonnenschein. Denn der Anbau von Kräutern erfolgt auf einer Fläche, welche an Grundstücke angrenzt, auf denen konventioneller Obstbau betrieben wird. Und damit war ein Konflikt fast schon vorprogrammiert. Denn Ende 2009 führten Beamte des Südtiroler Sanitätsbetriebes am „Kräuterschlössl“ eine Kontrolle durch und nahmen Proben von Kräuterprodukten mit, um sie im Labor zu untersuchen. Dabei wurden an einem Kräuteraufguss Rückstände des Fungizids Dodin vorgefunden, welches als Pflanzenschutzmittel verwendet wird. Die Rückstände lagen, wenn auch nur geringfügig, über den in einer EU-Verordnung festgelegten Grenzwerten, worauf das Schicksal seinen Lauf nahm: Es folgte eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und ein langwieriges und kostspieliges Strafverfahren. Dieses endete zwar mit einem Freispruch, ebenso ein zweites wegen ähnlicher „Verfehlungen“, welches der Familie Gluderer „angehängt“ wurde. Doch in der Zwischenzeit war der Schaden schon angerichtet! Denn obwohl die „Kräuterschlössler“ in beiden Fällen den Nachweis erbringen konnten, dass sie das Fungizid nicht selbst verwendet hatten, sondern dass es als Folge der Abdrift buchstäblich „vom Himmel“ gefallen war, konnten sie sich als Biobetrieb diesen Imageverlust nicht leisten. Sie mussten daher wohl oder übel ihre Kräuter vor diesem „Segen von oben“ in der Weise schützen, dass sie das ganze Areal mit Plastikhäuten überdachten: Kostenpunkt 150.000,-- Euro!
Die ganze Geschichte hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Denn es stellen sich neben der Frage nach der Einzelverantwortung noch ein paar grundsätzliche: Gilt das Grundrecht auf Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung wirklich für alle oder nur für jene, welche konventionell Landwirtschaft (sprich Obstbau) betreiben? Die Monokulturen sind nicht gerade eine Augenweide, die Hagelnetze eine Faust auf´s Auge, wem kommen da nicht langsam Zweifel an der Möglichkeit der friedlichen Koexistenz zwischen konventionellem Obstbau, dem Fremdenverkehr und der biologischen Wirtschaftsweise? Sollte nicht endlich die Idee Reinhold Messner‘s aufgegriffen und, angefangen vom Oberland, eine naturnahe wirtschaftende Bioregion Vinschgau angedacht werden?
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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