Dienstag, 04 Februar 2014 00:00

Ein moderner Ablasshandel

Aus dem Gerichtssaal - „Vor dem Gesetz sind alle gleich“. Der Gleichheitssatz ist so oder in ähnlichem Wortlaut in allen europäischen Verfassungen festgeschrieben. Auch in den italienischen Gerichtssälen wird er in großen Lettern verkündet. Der Grundsatz entspricht im Übrigen einem allgemein ausgeprägten Rechtsempfinden: Der Staat und die öffentliche Verwaltung sind verpflichtet, vergleichbare Fälle rechtlich gleich zu behandeln und sich jeder Willkür zu enthalten. Wenn also der Gesetzgeber den Bürgern bestimmte Pflichten auferlegt, dann müssen diese von allen und ohne Ahnsehen der Person eingehalten werden. Es widerspräche dem elementarsten Rechtsempfinden, wenn sich Einzelne von solchen Verpflichtungen freikaufen, z.B. die allgemeine Wehrpflicht durch Bezahlung einer Geldsumme umgehen könnten. Diese Betrachtungen drängen sich auf im Zusammenhang mit der leidigen Herilu-Geschichte in Latsch. Da hat doch Anfang der 80er Jahre die Gemeinde – auf Antrag von Fuchs Heinz wohlgemerkt! – die Wohnbauzone „Fuchs-Säge“ ausgewiesen. Laut Landesgesetz unterliegt eine solche Erweiterungszone der Teilung in freien und geförderten Wohnbau. Den freien Teil nutzte der Eigentümer in der Weise, dass er darauf das Einkaufszentrum Herilu errichtete. Bei der Realisierung der geförderten Wohnungen geriet er hingegen ins Stocken. Die Baukonzession für das Herilu war jedoch an die Auflage gebunden, dass auch das für den sozialen Wohnbau reservierte Areal dieser Nutzung zugeführt würde. Diese Auflage blieb bis heute weitgehend toter Buchstabe. Den ganzen damit verbundenen Rattenschwanz an Illegalitäten wollte Fuchs Heinz nun in der Weise aus der Welt schaffen, dass er der Gemeinde Latsch folgenden „Deal“ in der Form eines Raumordnungsvertrages vorschlug: Ich zahle Euch 230.000 Euro, dafür hebt ihr alle auf dem restlichen Areal lastenden Bindungen auf, lasst mir freie Hand bei dessen zukünftiger Nutzung und  saniert alle Unregelmäßigkeiten. Aus der Sicht von Heinz Fuchs macht das alles Sinn, käme es doch nach der Art einer päpstlichen Generalabsolution einem vollkommenen Nachlass aller Bausünden gleich. Die Gemeinde Latsch hat er mit diesem zweifelhaften Angebot jedoch in arge Verlegenheit gebracht. Die kann nämlich als dem Gemeinwohl verpflichtete öffentliche Körperschaft nicht einfach nur auf ihren Säckel schauen, sondern muss bei ihrem Handeln die Gesetze und den Gleichheitssatz beachten. Dies dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass die Landesregierung mit Beschluss vom 21.10.2013 die „heiße Kartoffel“ wieder nach Latsch zurückschickte, worauf die Gemeinde „den Ball“ prompt mit der gleichen Begründung wieder nach Bozen „weiterspielte“.
Diesem „Spiel“ könnte man ja mit etwas sportlicher Einstellung einen gewissen Reiz abgewinnen, ginge es dabei nicht um ernsthafte Dinge, nämlich um die Frage, ob wirklich alle Bürger gleich sind und ob nicht manche etwas gleicher als andere behandelt werden. Was schließlich der ganzen „Geschichte“ eine zusätzliche Brisanz verleiht: Sie spielt sich praktisch vor der Haustür des Parteiobmannes Richard Theiner ab und ist wohl schwer mit dem Stil der neuen Landesregierung unter Arno Kompatscher zu vereinbaren!   

 Peter Tappeiner, Rechtsanwalt

Publiziert in Ausgabe 3/2014

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