Aus dem Gerichtssaal - Der Begriff stammt eigentlich aus dem Europarecht (Art. 82 EG-Vertrag). Mit dieser unmittelbar in allen EU-Staaten geltenden Vorschrift soll der Wettbewerb vor missbräuchlicher Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung durch Unternehmen geschützt werden. Der Leser wird sich fragen, was diese juristische Definition hier verloren hat. Nun, sie ist mir im Zusammenhang mit einem konkreten Fall in den Sinn gekommen, der sich in unserer Gegend zugetragen und mittlerweile alle Instanzen bis zum Kassationsgericht in Rom durchlaufen hat. Vor über zehn Jahren verkauften Bauern aus Laas einen landwirtschaftlichen Grund, der sich in unmittelbarer Nähe der ALPE befand, an die dortige Obstgenossenschaft. Diese erschloss die erworbene Fläche in der Weise, dass sie darauf mit Baugenehmigung der Gemeinde eine Lagerstätte für ihre Großkisten errichtete. Dieser Vorgang blieb dem Fiskus nicht verborgen. Das Steueramt stellte sich auf den Standpunkt, dass durch die spätere bauliche Nutzung des als landwirtschaftliches Grün gewidmeten Grundes dieser eine Wertsteigerung erfahren hätte, welche der Einkommensteuer unterworfen wäre. Die Rechnung war „gesalzen“: über 60.000 Euro, also mehr als ein Drittel des Kaufpreises, sollten an den Staat abgeführt werden! Die Entrüstung der Betroffenen war entsprechend. Sie legten Rekurs an die Steuerkommission in Bozen ein. Darin machten sie geltend, dass sie dem Kaufvertrag mit der Genossenschaft eine amtliche Bestätigung des Bürgermeisters beigelegt hatten, aus welcher hervorging, dass der Grund im Bauleitplan als landwirtschaftliches Grün eingetragen und somit eine bauliche Nutzung ausgeschlossen war. Außerdem verwiesen sie darauf, dass das Parlament im Jahre 2006 eine authentische Auslegung der bis dahin in der Rechtsprechung strittigen Materie vorgenommen und damit klargestellt hatte, dass nur jener Grund als Bauland angesehen werden konnte, der im Bauleitplan auch als solcher ausgewiesen ist. Diesem Einwand folgte die Steuerkommission, worauf das Steueramt gleich in die nächste Instanz zog. Doch auch der Berufungssenat gab den Verkäufern recht und lastete obendrein dem Staat die Prozesskosten an. Das Steueramt wollte auch diese Lektion nicht zur Kenntnis nehmen und brachte über die Staatsadvokatur Beschwerde vor dem Obersten Gerichtshof in Rom ein, der nun das letzte Wort gesprochen hat, die Steuerforderung als nicht gerechtfertigt erklärte und den Fiskus zu den Kosten auch des Kassationsverfahrens verurteilte.
Ende gut, alles gut? Die Geschichte hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, womit wir wieder bei der Anfangsfeststellung wären. Im Wirtschaftsleben ist es Unternehmen untersagt, eine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Kann man sich jedoch einen größeren Missbrauch einer dominanten Stellung vorstellen als jene des Staates, der seine gesamten Geschütze (Steueramt, Staatsadvokatur) gegen den einfachen Bürger in Stellung bringt in der Hoffnung, dass er irgendwann mürbe wird, in die Knie geht und seine Brieftasche zückt? Diese Methoden haben in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Platz. Denn so geht ein Obrigkeitsstaat mit seinen Untertanen um! Und die Regeln, die der Staat über das EU-Recht seinen Unternehmen bei Strafe auferlegt, sollten auch für ihn im Umgang mit den Bürgern gelten!
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt

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Publiziert in Ausgabe 2/2018

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