An den mächtigen Turm in Kastelbell muss man sich erst gewöhnen. Das Hochregallager, ein aus Sicht der Apfel-Logistik notwendiges Instrument, ragt – metallbeplankt – mitten in der Talsohle auffallend in den Himmel. Die Obstgenossenschaft Juval hat seine Genossenschaftsgebäude in Kastelbell den Erfordernissen der Zeit angepasst und mit einer Investition von rund 10 Millionen Euro technisch Neues und auch ein neues Besucherkonzept in die Sortier-, Verpackungs- und Versandstrukturen implementiert.

von Erwin Bernhart

Die Anlagen sind nun fertiggestellt und im Rahmen eines Mitgliederabends am 7. Juni 2019 den eigenen Genossenschaftsmitgliedern und den beteiligten Firmen am Bau sowie den politischen Vertretern vorgestellt worden. Tags darauf, am Samstag, den 8. Juni 2019 wurden Tor und Tür für einen Tag der offenen Tür geöffnet.
Die Obstgenossenschaft Juval hat das vierte Hochregallager im Vinschgau errichtet - nach der s41 Unknown 3GEOS in Schlanders, der Mivor in Latsch und der Texel in Naturns. Derzeit ist ein Hochregallager der OVEG am Standort in Prad in Bau und wird demnächst fertiggestellt sein.
Was ist das, ein Hochregallager? Der Obmann der Juval, Luis Alber, erklärte den Ablauf am Beispiel der Golden Delicious. Vom Golden, sagte Alber anlässlich des Mitgliederabends, gebe es 48 verschiedene Sortierklassen: Größe, Farbe, Form und Festigkeit spielen dabei eine Rolle. Läuft eine vom Bauern angelieferte Großkiste Äpfel über die Sortieranlage, dann werden die Äpfel in diese Sortierklassen getrennt, letztlich sichtbar an den numerierten Wasserbahnen. Es ist eine technisch hochspezialisierte Einrichtung, die das Aufsplitten der einzelnen Klassen ermöglicht – von der fotografischen Aufnahme jedes einzelnen Apfels bis zum Abkippen in die jeweilige Wasserbahn.
Diese Vorsortierung der Äpfel und das Wiederbefüllen in Großkisten ist logistisch von großer Wichtigkeit. Die vorsortierten Äpfel werden dann im Hochregallager zwischengelagert. 18.000 solcher Großkisten haben im Hochregallager Platz, das sind unglaubliche 520 Waggons. Im gekühlten Hochregallager warten die Äpfel auf das Abrufen. Fünf Regalfahrzeuge sind imstande 40 Verschiebungen in beide Richtungen durchzuführen. Mit den Regal-fahrzeugen kann punktgenau jene Großkiste angefahren werden, in der die jeweilige Apfel-Klasse gefüllt ist. Und das alles computergestützt. Werden die entsprechenden Apfelklassen abgerufen, kommen sie auf die Verpackungsstraße und nach dem Verpacken werden die apfelbestückten Paletten für den Versand hergerichtet. Vom Verkauf bis zur Lieferung, von der Bestellung bis zum Zielort: Die Zeit von der ersten Kontaktaufnahme mit dem Groß-Kunden bis zur Bereitstellung der Lieferung bis zum Abladen vor Ort – diese Zeit ist in den vergangenen Jahren immer kürzer geworden. Deshalb hat jener Lieferant die Nase vorn, der einerseits die Qualität liefern kann und andererseits diese kurzen Zeiten einhalten kann. Deshalb sind Hochregallager in den Obstgenossenschaften von strategisch wichtiger Bedeutung für die Apfelwirtschaft.
Der Obstgenossenschaft Juval fällt eine zusätzliche strategische Bedeutung im Rahmen des VIP-3-Konzeptes zu. Mit der neuen Ernte im Herbst 2019 sollen die Kühlzellen und nach der Vorsortierung das Hochregallager sukzessive mit der Bioware aus dem Vinschgau befüllt werden. Die Sortieranlage in Kastelbell wird so nur noch mit Bio-äpfeln bestückt werden. Eine Errungenschaft in der Vinschger Apfelwirtschaft von weiterer strategischer Bedeutung. Bisher wurden die Bioäpfel in Latsch sortiert, diese Anlage samt Lagerung ist mittlerweile zu klein geworden, ein Hinweis auch dafür, dass sich die Bioproduktion im Vinschgau im Aufwind befindet. Dafür bescheinigte der VIP Obmann Thomas Oberhofer der Obstgenossenschaft Juval Weitblick. Im Übrigen hätten alle Genossenschaften ihre Hausaufgaben gemacht. Im Jahre 2007 sei das VIP-3-Konzept von den Mitgliedsgenossenschaften beschlossen worden. Das Ziel: Ein gemeinsamer Marktauftritt aller Genossenschaften. Das Konzept läuft seit 20 Jahren – erfolgreich. Mit der logistischen Leistung von Hochregallagern wird dieses Konzept von der Lagerung her massiv unterstützt.

Luis Alber blickte auf die Baugeschichte zurück. Im November 2016 hat die Vollversammlung der Obstgenossenschaft Juval beschlossen, ein Hochregallager bauen zu wollen. 2017 ist man in die Planung und in die Genehmigungsphase gegangen. „Uns war das Volumen, welches das Hochregallager einnehmen wird, bewusst“, sagt Alber.

s40 Unknown 2Auch deshalb hat man vier verschiedene Architekten eingeladen, Vorschläge dafür zu machen, dieses große Volumen möglichst ansprechend zu gestalten und in die Umgebung einzupflegen. Eine Jury, bestehend auch aus Vertretern der Obstgenossenschaft und der Gemeindeverwaltung Kastelbell-Tschars, hat das Projekt von Hubert Schlögl schließlich als bestes beurteilt. Es sei, so sagt Alber, ein schönes und gelungenes Projekt geworden. BM Gustav Tappeiner ergänzt, dass es mit der Farbgebung gelungen sei, das Hochregallager über das ganze Jahr hindurch dezent auftreten zu lassen. Der Landesbeirat für Baukultur habe das Projekt im Vorfeld positiv bewertet. Die Entscheidung für ein Hochregallager bedeute für die Gemeinde eine Standortsicherung. Schließlich beschäftige die Genossenschaft rund 100 MitarbeiterInnen. Tappeiner sieht das hohe Gebäude in einer Linie mit dem Schloss Kastelbell und der Kirche. Es sei dies die dritte Säule.
Im November 2017 habe man mit den Abbrucharbeiten begonnen, kleinere Kühlzellen mit einer Kapazität von 122 Waggon abgetragen. Im Jänner 2018 wurde die Bodenplatte gegossen und Ende März 2018 haben die Montagearbeiten am Hochregallager begonnen. Und im Juli 2018 wurden bereits die Regalfahrzeuge eingebracht.
Am 15. September 2018 ist das Hochregallager in Betrieb genommen worden. Von Jänner bis März 2019 wurde die Außenfassade, eine gelochte Metallbeplankung, montiert. So konnte das Volumen des Quaders optisch aufgelockert werden. Ab März konnte dann die Außengestaltung für den Zugang und die Parkplätze in Angriff genommen werden.
Gut funktioniert habe die Abstimmung und der Ablauf am Bau. Dafür spricht das zügige Arbeiten und Aufrichten der Anlagen.

2.500 m3 Beton wurden verbaut – die Fundamentplatte ist 75 cm dick.
270 Tonnen Eisen, 65 Tonnen Konstruktionsstahl und 200.000 Schrauben sind im Hochregallager verbaut.
Beteiligt am Unterfangen waren 20 Firmen, es gab kaum Zwischenfälle. Koordiniert hat den Bau Ingenieur Michael Hofer von Pohl&Partner als verantwortlicher Techniker. Architekt Hubert Schlögl hat die Fassade und das Besucherkonzept umgesetzt.
Aus den Dankesworten, die Obmann Luis Alber an alle Beteiligten richtete, war Erleichterung über die Fertigstellung zu spüren.
Was in der Obstgenossenschaft Juval eine Neuheit ist, ist ein künstlerisch gestalteter Besucherparcours. Der Hintergrund dieses Besucherkonzeptes ist die Meinung des Verwaltungsrates, dass man sich öffnen müsse, sagt Obmann Alber. Die Kunden, die Konsumenten, die Leute sollen sehen dürfen, was wir hinter den Mauern der Obstgenossenschaft machen und wie wir das machen. Wir haben Nachholbedarf bei der Öffentlichkeitsarbeit, was und wie verarbeitet wird. Deshalb entstand die Idee für ein Besucherkonzept. „Wir machen Führungen bei laufendem Betrieb. Der Sicherheitsaspekt ist dabei wichtig“, sagt Alber. Stege, Markierungen und farblich gestaltete Elemente weisen den Weg für den Besucherparcours. Das Besucherkonzept wurde von Hubert Schlögl, Harry Thaler und Simone Mair von der Kulturorganisation BAU ausgearbeitet. Beratend hinzugenommen wurde die Künstlerin Ingrid Hora. Simone Mair hat beim Mitgliederabend das Konzept beschrieben: „Durch Formen und Farben haben wir einen Leitfaden für die Besucher gelegt und so diverse Plattformen geschaffen, bei denen Erklärungen und Besprechungen stattfinden können. Die Trichterform zieht sich durch den Parcours durch. Die Trichterform steht symbolisch für den Fokus auf den Apfel. In der Sortieranlage besteht ein 40 Meter langer Steg und im Hochregallager ist eine Lichtinstallation. Die Umgebung in der Genossenschaft ist eine tolle Plattform für die Kunst. Ingrid Hora war von der Sortieranlage sofort begeistert. Der dort angebrachte Schwimmreifen steht für den Wettkampf der Äpfel, für den Wettbewerb der Unternehmer und auch dafür, dass die Äpfel in die Welt „hinausschwimmen“. BM Gustav Tappeiner lobte diese Initiative des Besucherkonzeptes ausdrücklich. Die Kommunikation nach außen sei wichtig.

Publiziert in Ausgabe 13/2019

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