Aus dem Gerichtssaal - Auf das Thema dieses Beitrages gestoßen bin ich durch eine Aussendung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom Juni dieses Jahres. Da hatte ein Tiroler Arzt an einer freiwilligen Übung des Österreichischen Bundesheeres für einen Felslehrgang im Wilden Kaiser teilgenommen. Der Arzt war von herabfallenden Steinen, ausgelöst durch den Vorkletterer, getroffen und schwer verletzt worden.
Er verklagte den Seilgefährten auf Schadenersatz. Die Klage wurde sowohl von Erstgericht als auch von der Berufungsinstanz abgewiesen, denn… „auch bei sorgfältiger und vorsichtiger Bewegung im ungesicherten Hochgebirge ist es nicht zu vermeiden, dass durch Personen einzelne Steine gelöst werden können beziehungsweise ein Steinschlag verursacht wird“.
Schon allein die Klageführung mag verwundern. Allerdings entspricht sie einer mittlerweile weitverbreiteten Vollkaskomentalität und einem Anspruchsdenken, wonach es für jedes Unglück einen Schuldigen geben muss. Eigenverantwortung ist jedenfalls ein Fremdwort. Dabei sollte es gerade im Bergsport zum alltäglichen Vokabular gehören. Denn spätestens seit er zum Breitensport geworden ist, hat der Berg seine rechtliche Unschuld verloren und sind Wände und Gipfel kein rechtsfreier Raum mehr. Doch muss dies noch kein Grund zum Verzweifeln sein! Juristen sind nämlich nicht notwendigerweise berg-und wirklichkeitsferne Personen. Sie können vielmehr Rechtsgrundsätze entwickeln, welche bei der Lösung von straf- und zivilrechtlichen Problemen bei Bergunfällen hilfreich sind. Als Beispiel mögen die tödlichen Unfälle beim Extremberglauf auf die Zugspitze (2962m) im Juli 2008 dienen. Dabei starben zwei Bergläufer an Unterkühlung und Erschöpfung, da sie sich in kurzen Hosen und Leibchen dem Schneetreiben und den eisigen Winden ausgesetzt hatten. Die Staatsanwaltschaft München erhob Anklage gegen den Veranstalter, das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen sprach ihn jedoch frei: Die Verstorbenen hätten sich eigenverantwortlich selbst gefährdet! Und damit wären wir schon beim Grundsatz der Eigenverantwortung: Wer sich am Berg gefährdet, kann nicht die strafrechtliche Verantwortung eines weiteren Beteiligten einfordern. Klassisches Beispiel ein tödlicher Lawinenabgang: Zwei Skitourengeher befahren einzeln einen Gipfelhang, der erste wartet an einem ihm sicher erscheinenden Standort. Der Zweite löst ein Schneebrett aus, das den unterhalb wartenden Skibergsteiger tödlich in die Tiefe reißt. Antwort des Juristen: So wie in den anderen gefährlichen Sportarten (Boxen, Radrennfahren, Rugby, Eishockey usw.) ist auch beim Bergsport das Risiko ständiger Begleiter und nicht immer beherrschbar. Und es macht auch rechtlich keinen Sinn, immer nach einem Schuldigen zu suchen, denn Berge sind nun einmal ohne Gefahren nicht zu haben!
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
P.S.: Verwendete Literatur:
Klaus Burger, Risiko, warum nicht? In „bergundsteigen“ 2/11
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