Friedl und Gretl sind seit 66 Jahren verheiratet. Es war ein netter Zufall, dass ich genau an ihrem Hochzeitstag am 6. November 2024 bei ihnen zu Gast war. Kennengelernt hatten sie sich in Zernez. Nach Jahren im Schweizer Gastgewerbe führte das Paar eine Schneiderei in Taufers i. M.
von Magdalena Dietl Sapelza
Gretl und Friedl begegneten sich 1952 im „Hotel Langen“ in Zernez. Er hatte eben den Dienst als Portier angetreten und war dabei, alle zu begrüßen. Sie war als Küchengehilfin gerade damit beschäftigt, den Herd vom Ruß zu befreien und zögerte, ihm ihre schmutzige Hand zu reichen. Doch er bestand darauf. Nachher ließen sie sich nicht mehr aus den Augen.
Friedls Erinnerungen an seine Mutter sind sehr verschwommen. Sie starb als er sechs Jahre alt war an einer Blinddarmentzündung, die nicht erkannt worden war. Der Vater, ein Schneider und Kleinbauer in Taufers, war mit den vier kleinen Kindern überfordert. „Norr hots ghoaßn plindern“, sagt Friedl. Die Kleinen kamen in die Obhut von Verwandten. Ein Bauer in Glurns nahm Friedl für den Sommer als Hütbub auf. „Selm hot di Bauerin Hölzlan anstott Speck in meine Knödl innigschnittn“, erinnert er sich. Erst zu Schulbeginn kehrte er wieder heim. Von nun war er mehrere Jahre lang Hirte im Sommer und im Winter Schüler und Gehilfe seines Vaters beim Schneidern. Er hütete Ziegen auf den Tellahöfen bei Taufers, wo sein Nachtquartier und die „Kost“ wechselten. Das Heimweh plagte ihn. „I hon oft in Dorf oigreart“, erzählt er. Er diente auf Röfen bei Prämajur und auf dem Klosterhof bei Burgeis. Im Avingatal kümmerte er sich um 180 Schafe, mit denen er täglich viele Kilometer zurücklegte. Und von der „Starlexhütte“ aus beaufsichtigte er die Kälber. Dort leistete ihm eine Maus Gesellschaft, die mit ihm am Tisch aß. „Deis isch a nette Wottla gwortn“, lacht er. Eine Schlange holte sich die Milch. Die Situation daheim war angespannt, nachdem sein Vater wieder geheiratet hatte. Nach Abschluss der Pflichtschule absolvierte Friedl eine kurze Schneiderlehre in Schlanders und erwarb den Gesellenbrief. 1944 erreichte ihn die Einberufung zum Kriegsdienst. In Meran wurde er mit anderen 16-jährigen Vinschgern der Waffen-SS zugeteilt und entsprechend eingekleidet, mit aufgestickten Totenkopfemblems. Dann kam ein Hauptmann und schrie sie angesichts der nahenden Siegertruppen an: „Die stechen euch alle ab“. Er befahl ihnen ihre Zivilkleider anzuziehen und veranlasste ihren Transport zur Töll, wo sie in die „Litorina“ einsteigen und heimfahren konnten. „Der Hauptmonn hot ins s` Lebm grettet“, meint Friedl. Daheim half er wieder in der Schneiderei und suchte gleichzeitig nach Arbeit. 1952 fand er eine Stelle als Portier im „Hotel Langen“ Zernez. Im hoteleigenen Sportgeschäft erledigte er Schneiderarbeiten. Mit Gretl fand er dort schließlich eine Partnerin, mit der er sich austauschen konnte. Viel Zeit bleib allerdings nie, denn ihre Zimmerstunden waren eng bemessen. Und freie Tag gab es kaum.
Gretl wuchs auf dem „Loretzhof“ in Schlanders auf. Sie verdiente sich ihr erstes Geld als Aushilfe in den Gasthöfen des Ortes, beim „Bärenwirt“ in Mals. Dann nahm sie die Stelle als Hausmädchen in einem Fabrikantenhaushalt in Mailand an. „Selm isches miar bsunders guat gongen,“ schwärmt sie. Später nahm sie die Stelle im „Hotel Langen“ in Zernez an, wo sie Friedl traf. Die beiden heirateten 1958. Sie richteten sich in seinem Elternhaus in Taufers ein und kehrten in die Hotels in Cellerina beziehungsweise Silz Maria zurück. Auch nach der Geburt der ersten Tochter arbeitete Gretl mit ihren Mann in der Schweiz. Die Kleine wusste sie in der Obhut ihrer Mutter gut versorgt. Nachdem sie erneut Mutter geworden war, blieb sie daheim. Nach mehr als zwei Jahrzehnten in der Schweiz kehrte auch Friedl für immer zu seiner Frau und den mittlerweile fünf Kindern zurück. Er war nervlich am Ende. Denn seine Arbeitszeiten von bis zu 18 Stunden waren sehr belastend. „Miar hobm vour di Gescht foscht niederknialn gmiaßt“, beschreibt er.
Friedl und Gretl eröffneten in Taufers eine Schneiderei. Er erwarb den Meisterbrief. Beide fertigten Trachten für Musikkapellen an, für Schützenkompanien, nähten und flickten für Private. Später betrieben sie auch ein Konfektionsgeschäft. Nach zwei Jahrzehnten übergaben sie an ihren Sohn, der die Schneiderei noch einige Zeit weiterführte. Heute macht Friedl täglich zweimal seine Spaziergänge. Dabei freut er sich über jeden „Hoangort“ und hat dann so manchen spitzbübischen Spruch auf Lager. Daheim genießt er die Zeit liebevoll umsorgt von seiner Gretl, der Schwiegertochter Margit und den übrigen Familienmitgliedern.